In den vergangenen Tagen wurde die letzte Röhre für die Gaspipeline Nord Stream 2 verlegt. Es sieht danach aus, dass der Betrieb bald aufgenommen wird. Alle Bedenken der Ukraine, Polens, aber auch anderer Staaten Ostmitteleuropas haben Merkel von ihrem Vorhaben nicht abgebracht.
Mit Nord Stream 2 hat sich Deutschland aber nicht nur in den östlichen Ländern isoliert. Amerika hat schon unter Obama Bedenken angemeldet, Trump war erst recht polternd dagegen, aber auch Biden ist ein Gegner von Nord Stream 2 – ebenso wie zahlreiche Politiker beider Parteien im Kongress. Und damit nicht genug. Macron hat sich ebenso dagegen ausgesprochen wie andere Länder der EU. Mit Amerika gab es am Ende «Kompromisse». Und in Deutschland hat Merkel ein Energieproblem in aller Stille umschifft.
Ein anderer aussenpolitischer Schwachpunkt ist die zu geringe Beteiligung Deutschlands an der Nato. Zwar hat Merkel schon auf das massive Drängen Obamas ein stärkeres Engagement zugesichert, aber sie blieb weit hinter den Erwartungen zurück. In Deutschland wollte sie ganz offensichtlich unpopuläre Debatten vermeiden.
Das ist überhaupt ihr Stil. Als Emmanuel Macron als frisch gebackener Präsident neue Impulse für die Europäische Union geben wollte und sich dazu mit einer gehörigen Portion Mut weit aus dem Fenster lehnte, liess Merkel ihn wie eine prüde Klassenkameradin zunächst auflaufen. Erst nach und nach, als Macrons Anstösse jeden Schwung verloren hatten, zeigte sie sich wohlwollend interessiert. War da was? Zumindest keine Debatte in Deutschland, in der sie hätte Stellung beziehen müssen.
Als das Thema Brexit im Raum stand und die englischen Pro-Europäer Rückhalt gut hätten gebrauchen können, hörte man von Merkel nichts. Berlin hüllte sich in peinliches Schweigen. Sieht so politische Führung aus?
Zweimal allerdings zeigte sie Bereitschaft zu so etwas wie Führung. Da ist einmal das Flüchtlingsthema von 2015 und ihr stolzer Satz: «Wir schaffen das.» Aber auch hier zeigte sie wieder, dass sie nicht das geringste Gespür für die Befindlichkeiten der Nachbarn hat. Weder nahm sie die Sorgen der Länder an der Balkanroute ernst, noch berücksichtigte sie die Erfahrungen, die zum Beispiel in Frankreich mit einer Einwanderung gemacht werden, die trotz allen guten Willens Staat und Gesellschaft überfordern. Das war Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten und der Demagogen vom Schlage eines Nigel Farage, der dann mit dem Brexit triumphieren konnte.
Das andere Thema ist der Atomausstieg. Angestossen durch die Katastrophe von Fukushima erklärte die gelernte Physikerin die Kernkraft als für nicht verantwortbar. Mit anderen Worten: Unsere Nachbarn, die nicht aussteigen, handeln unverantwortlich.
Mit dem abrupten Ausstiegsbeschluss erntete sie daheim viel Zustimmung und ist bis heute die mit Abstand beliebteste Politikerin Deutschlands. Aber sie erklärte nicht, woher der Strom nun kommen soll, ausser dass er stillschweigend von den Kernkraftwerken im Ausland bezogen wird und man irgendwie eine vage Vorstellung davon hat, dass schon irgendetwas Nützliches erfunden wird. Auf jeden Fall hat sie das Thema im Inland abgeräumt. Und wieder einmal sind die Deutschen die Besserwisser.
Konflikte im Inland vermeiden oder vertagen: Das ist die Taktik Angela Merkels, die damit Deutschland in den 16 Jahren ihrer Regierungszeit international so isoliert hat wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.