40 Prozent der Beiträge über Ausländer in den privaten elektronischen Medien stehen in Verbindung mit Kriminalität, in den SRG-Programmen sinkt der Anteil auf 20 Prozent. So fasste Publizistikprofessor Heinz Bonfadelli eine seiner Medienstudien zusammen. Auch in der Presse ist das Bild der Ausländer sehr oft negativ. Zwar hat jeder fünfte Einwohner unseres Landes keinen Schweizer Pass, doch nur jeder 20. Journalist hat einen Migrationshintergrund.
Das schiefe Ausländerbild in den Medien hat auch mit der Medienentwicklung zu tun. Einerseits hat der scharfe Wettbewerb zu einer Personalisierung und Emotionalisierung geführt, das Spektakuläre, das Besondere verdrängt das Normale fast ganz: es wird ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt, das besonders die Ausländer betrifft. Andererseits ist der Produktionsdruck auf die Journalisten stark gewachsen, sie haben kaum noch Zeit zu recherchieren und ihre Gesprächspartner aufzusuchen; deutlich sinkende Löhne und die Weigerung der Zeitungsverleger, einen Gesamtarbeitsvertrag zu unterzeichnen, sind ein klarer Hinweis für die geschwächte Stellung der Journalisten.
Nicht einmal auf der Ersatzbank
Das im Jahr 2000 gegründete Forum für die Integration der Migrantinnen und Migranten, FIMM, dem Einzelmitglieder und Vereine von über 50 Nationalitäten angehören, setzt sich seit längerem mit den Beziehungen zwischen Medien und Migranten auseinander. An einer öffentlichen Diskussion in Zürich wurde nach Wegen gesucht, um die Ausländer in einem weniger düsteren und wirklichkeitsnäheren Licht erscheinen zu lassen. Rolf Wespe, Studienleiter an der Schweizer Journalistenschule MAZ, brachte es auf den Punkt: In der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft spielen überdurchschnittlich viele junge Männer fremder Herkunft, und die Medien reden unverhältnismassig viel über Ausländer, doch diese können kaum mitspielen; sie sitzen nicht einmal auf der Ersatzbank, obschon sie einiges zu erzählen hätten. Aber eben: Nur fünf Prozent der Journalistinnen und Journalisten haben ausländische Wurzeln.
Nach Wespe wäre es ein grosser Schritt vorwärts, wenn der Anteil der Journalisten wenigstens annähernd den Anteil der Ausländer an der Bevölkerung widerspiegeln würde. Gewiss, es kommt vor, dass ungenügende Sprachgewandtheit fremdsprachiger Journalisten ein Hindernis ist, um diesen Beruf auszuüben. Wäre es in diesem Zusammenhang nicht angezeigt, besondere Sprachkurse für angehende Journalisten anzubieten, wurde in der Diskussion gefragt. Grundsätzlicher war die Forderung, in der Ausbildung die Journalisten gegenüber der ausländischen Bevölkerung zu sensibilisieren und ganz allgemein Neugier fürs Andere zu schärfen im Hinblick aufs „Diversity Reporting“, wie es etwa in England gepflegt wird.
SRG-Programmschaffende an ihre Pflicht erinnern
Die oben erwähnten Veränderungen stehen ausserhalb des Einflussbereichs des FIMM. Aber die Migranten, was können sie selber unternehmen? An Vorschlägen und Hinweisen fehlte es an der Veranstaltung nicht. Der Medienrechtler Franz Zeller wies darauf hin, dass Vorschriften der SRG ausdrücklich verbieten, in ihren Programmen zu Diskriminierung und Rassenhass beizutragen. Zudem schreibt die Konzession u.a. vor, die Integration der Ausländer und Ausländerinnen sei zu fördern. Hier besteht ein Ansatz, um gegen diskriminierende Sendungen vorgehen zu können und zu verlangen, Ausländer in ein besseres Licht zu rücken. Niedergelassene Ausländer können Mitglied der Trägerorganisationen der SRG werden und sich für einen Sitz in einem Publikumsrat bewerben. Dort hätten sie Gelegenheit, sich dafür einsetzen, damit die vielgestaltige Wirklichkeit der Einwanderer sich in den Sendungen auch widerspiegelt.
Sehen Verleger die potentiellen Leser nicht?
Migranten und ihre Vereinigungen könnten den Redaktionen Dossiers mit Hintergrundinformationen zu einzelnen Themen zur Verfügung stellen, beispielsweise über das Ausmass der Beschäftigung ausländischen Personals in Altersheimen, in Spitälern, in verschiedenen Industriebranchen. Gleichzeit müsste eine Liste mit kompetenten Auskunftspersonen mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen abgegeben werden, denn die Journalisten wollen ihre Gesprächspartner rasch erreichen können. Es ist leichter, Ausländer-Themen in die Zeitung zu bringen, wenn ihre Vereinigungen persönliche Beziehungen zu Chefredaktionen pflegen und in Kontakt stehen mit Journalisten, die fürs Thema sensibilisiert sind. Auf diese Weise wird der Journalist auch Themen, die nicht skandalträchtig sind, eher veröffentlichen dürfen. Ein vielversprechender Weg besteht darin, dass sich Ausländer mit ihren Anliegen und Vorschlägen an Lokalredaktionen wenden, denn diese haben stets Bedarf an neuen Themen.
Zudem gilt es, mit Verlegern ins Gespräch zu kommen und sie zu überzeugen, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, fundiert und mit Gleichmass über Ausländer zu berichten; diese mehr als eineinhalb Millionen Menschen sind schliesslich auch ein bedeutendes Reservoir potentieller Leser. Sofern wenigstens ein Teil dieser Vorschläge umgesetzt wird, was jedoch Zeit braucht, sollte allmählich ein etwas ausgeglicheneres Bild der Ausländer in den Medien erscheinen. (Weiter Informationen unter www.fimm.ch)