„Willkommen im Plattitüdenparadies der modernen Arbeitswelt.“ So beginnen die Betrachtungen des deutschen Sprachforschers Hermann Ehmann. Gleich zu Beginn liefert er ein Beispiel:
„Wir möchten unsere Mega-Performance der vergangenen Jahre toppen. Dafür suchen wir Sie, den prodynamischen Teamplayer. ... Sie gehen regelmässig die Extrameile und verfügen über ein Höchstmass an Selbstmanagement sowie den nötigen Biss im diffizil-sensiblen Aftersales-Prozess. Challenge, Compliance und Drive sind für Sie keine Fremdwörter. Von uns werden Sie zum effizienten Best-Performer geformt ... Bewerbungen von suboptimal getrimmten Minder-Performern betrachten wir als No-Go.“
Herrmann, ein promovierter Sprachwissenschaftler, hat ein „Worthülsenlexikon“ zusammengestellt, das soeben in 4. Auflage erschienen ist und die „inhaltsleeren Büroplattitüden und zynischen Euphemismen“ entlarvt. Tobt da die „reinste Floskelschlacht“? fragt er.
Ein smarter Manager spricht nicht mehr Deutsch, er ist ja kein Under-Performer, sondern ein perspektivisch denkender High-, Mega- oder gar Top-Performer. Und ein Under-Achiever ist er schon gar nicht.
Beispiele aus seinem Wortschatz:
Get-Together (Bedeutung: Lockeres Beisammensein unter Kollegen, auf das die Hälfte der Anwesenden keine Lust hat, die andere Hälfte betrinkt sich und feiert ihre eigene Grossartigkeit.)
In dieser Position brauchen Sie einen High-Level-View (eine grosse Übersicht).
High-Potential (Ein Manager, der von sich glaubt, er sei extrem belastbar und bringe extreme Leistungen; zynisch auch HP genannt: Halb-Profi).
Kick-off-Meeting (Zusammenkunft zu Beginn eines Projekts).
Alferworken, challengen, launchen. Die sollen sich erst committen, dann supporten wir sie. Wir sollten und einmal connecten.
Der Mitarbeiter ist auf watch (er wird genau beobachtet).
Der Feelgood-Manager muss die Leute bei Laune halten.
Unsere Teams sind crossfunctional aufgestellt. (Bedeutung: Bei uns geben Krethi und Plethi überall ihren Senf dazu und am Schluss wird alles zerfleddert.)
Du bist ziemlich bossy heute (herrisch, rechthaberisch).
Er hat sich verdealt (Er hat sich getäuscht, er hat einen Deal versaut).
Wenn wir scheitern, haben wir eine Fallback-Lösung bereit (Etwa: einen Plan B).
Sie sollten ihr Konzept noch einmal reworken.
Wir wollen doch nichts überspacen (übertreiben, überdrehen).
Work-Life-Balance (Laut Hermann Ehrmann ein „scheinheiliger Human Ressource-Anglizismus mit Wohlfühleffekt“).
„Wir haben mit einem Overflow zu kämpfen“, sagt der überarbeitete Mitarbeiter.
Keynote-Speech bei einer High-Potential-Veranstaltung (Hermann Ehrmann nennt den Ausdruck einen „Anglizismus mit allerhöchstem Wichtigtuereffekt“, Keynote-Speech = Einführungsrede, Rede des Hauptredners).
Der Chef tritt ja ganz schön pushy auf (forsch).
Doch nicht nur fragwürdige eingedeutschte Anglizismen greifen um sich. Manager lieben elitär klingende Prahlereien, zeitgeistige Neologismen, metaphorische Floskeln oder lateinisch klingenden Quatsch.
In Mode gekommen sind:
Er macht eine Extrameile (er leistet Überstunden).
Da muss ich mich erst noch aufschlauen (mich schlau machen).
Was das Engagement-Level angeht, ist auf jedem Fall noch Luft nach oben (hat er noch Potential).
Ergebnisorientiert oder ergebnisrelevant (Da es in der Natur der Sache liegt, dass Handeln auf ein Ergebnis gerichtet ist, handelt es sich um eine Floskel).
Bespassen (jemanden lustig unterhalten).
Ein Begeisterungsträger (negativ besetzt, das Gegenteil von Bedenkenträger. Ein ahnungsloser Macher mit Hang zu Realitätsverlust; das Gegenteil von Bedenkenträger).
Proaktiv (eine sinnlose Steigerung von aktiv).
Prospektiv (gelehrt klingender Latinismus).
Er ist prodynamisch (energiegeladen).
Zeitnah (beliebt gewordene Floskel, die heisst: vielleicht demnächst, vielleicht später).
Es ist uns nicht gelungen, beim Kick-off unser Procedere zu plausibilisieren (plausibel darzustellen).
Der Chef macht eine Ansage: (Um sich greifende Einschüchterungsfloskel. Der Chef sagt etwas.).
Sehr beliebt geworden auch: Wir müssen die Kuh zeitnah vom Eis holen.
Und natürlich die Euphemismen:
- Anstatt zu sagen: „Er ist faul“, sagt man: „Er hat noch nicht alle Leistungsreserven abgerufen.“
- Eine doofe Idee ist eine „sinnreduzierte Idee“.
- Ein dummer Mensch ist ein „talentfreier Mensch“.
- Anstatt zu sagen: „Wir haben in unserem Betrieb Mist gebaut“, sagt man: „Es handelt sich um einen internen Abstimmungsprozess, der eine zeitliche Nachjustierung erfordert.“
Hermann Ehmann: „Ich bin da ganz bei Ihnen“. Das Wörterbuch der unverzichtbaren Bürofloskeln.
Verlag C. H. Beck, München, 4. Auflage, Januar 2017-02-02
Auch in der Kindle Edition