Am 8. März geht die Frist für die Einreichung der Kandidaturen für die ägyptische Präsidentenwahl zu Ende. Am 5. März erklärte General Omar Solaiman er sei nicht Kandidat, weil er die administrativen Hürden für eine Kandidatur nicht überwinden könne. Doch am 6. März erklärte er seine Kandidatur. Er habe sich nun doch auf Wunsch des Volkes zur Verfügung gestellt, sagte er. Diesem Wunsche könne er sich nicht entziehen.
Mubaraks engster Vertrauensmann
Wer ist Omar Solaiman? Der heute 75-jährige General war viele Jahre lang Chef für militärische Sicherheit unter Mubarak und damit der wichtigste aller Geheimdienstchefs Ägyptens. Sein Titel war „Vorsteher des Sicherheitsdirektoriums“. Seine Hauptaufgabe war es, die militärischen Würdenträger zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass keiner auch nur daran dachte, gegen Mubarak aufzumucken.
Doch als der wichtigste aller Geheimdienstchefs und der engste
Vertrauensmann Mubaraks hatte er auch ein Wort
mitzureden, wenn es darum ging, bei verdächtigen, unliebsamen oder unzufriedenen Ägyptern Angst und Abschreckung zu verbreiten. Die Repressionen richteten sich vor allem gegen die Muslimbrüder.
Ein alter Freund der CIA
Als oberster Geheimdienstchef hatte Solaiman auch Auslandskontakte, besonders mit den Amerikanern und ihren Geheimdienstchefs und Politikern. Zusammen mit der CIA betrieb er den ägyptischen Arm des berüchtigten "Renditions"-Programms. Dieses sah vor, dass Gefangene der CIA nach Ägypten geflogen und dort gefoltert wurden. So konnten die Amerikaner ihre Hände in Unschuld waschen.
In Ägypten wurde neben anderen Ibn al-Shaikh al-Libby solange gefoltert, bis er "gestand", es habe Kontakte zwischen Saddam Hussein und al-Qaida gegeben. Dieses „Geständnis“ diente Washington dann als Begründung und Rechtfertigung für den katastrophalen Irak-Krieg. Einige der Gefolterten haben später ausgesagt, Solaiman selbst habe den Folterungen beigewohnt und sich gelegentlich persönlich daran beteiligt.
Hauptverantwortlicher für Menschenrechtsverletzungen
Damals hatte Solaiman auch das Sagen in der Palästinenser-Politik Ägyptens und in der damit verbundenen Israel-Politik. Beides wurde als Geheimdienstsache gehandhabt. Vor allem deshalb, weil die Massnahmen Mubaraks und der Amerikaner, zum Beispiel die Schliessung der ägyptischen Grenze zu Gaza, bei der ägyptischen Bevölkerung dermassen unbeliebt waren, dass ihre Durchführung und Kontrolle den Geheimdienstorganen überlassen wurde. Die Menschenrechtsgruppen betrachten Solaiman als Hauptverantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen. Während Jahrzehnten soll er dafür verantwortlich sein, dass Tausende Ägypter misshandelt wurden.
Mubaraks designierter Nachfolger
Als Mubarak im Januar 2011 unmittelbar vor seinem Sturz stand, ernannte er Solaiman zu seinem Vizepräsidenten und Nachfolger. Doch mit dem Sturz seines langjährigen Patrons, den er selbst der Welt mitteilte, verschwand Solaiman vorübergehend von der politischen Bühne.
Seit Monaten gab es in Ägypten eine Kampagne für Solaiman als Präsidenten. Deshalb ist es wenig glaubhaft, wenn er jetzt sagt, er habe sich im letzten Moment dem Wunsch des Volkes gebeugt. Man kann vermuten, dass es nicht wirklich die Stimme des Volkes war, die ihn überzeugte, doch noch zu kandidieren, sondern vielmehr jene vom SCAF, der herrschenden Militärjunta. Sie soll im kommenden Juli von der Macht abtreten.
SCAF dürfte sich entschieden haben, auf Solaiman zu setzen, nachdem die Muslimbrüder ihrerseits ihr Versprechen, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen, gebrochen hatten und einen ihrer einflussreichsten Führer, Khairat al-Schatir, am 1. April zum Kandidaten ernannten.
Eventuelle Wahlfälschung könnte nicht angefochten werden
Man kann mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen: Wenn es zu einer sauberen Wahl kommt, wird al-Schatir gegen Solaiman gewinnen. Das dürften auch die Offiziere von SCAF und Solaiman selbst wissen. Wenn SCAF sich aber dennoch entschliesst, auf Solaiman zu setzen und Solaiman sich zur Verfügung stellt, muss man fragen: Planen die beiden die Wahlen so durchzuführen, dass Solaiman gewinnt, auch wenn dazu Wahlfälschungen nötig sind?
Schon bevor die Kandidaturen bekannt waren, hat der Militärrat ein Reglement für die Präsidentschaftswahlen verabschiedet. Paragraph 28 sieht vor, dass ein Aufsichtsrat über die Rechtmässigkeit der Wahlen entscheiden kann. Dieser Entscheid ist endgültig und kann vor Gericht nicht angefochten werden. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates hatte SCAF in Zusammenarbeit mit der von SCAF ernannten Regierung Ganzouri festgelegt. Zwischen der Ganzouri-Regierung und den Muslimbrüdern besteht offene Feindschaft. Die Brüder hatten vergeblich versucht, die Ganzouri-Regierung mit Hilfe ihrer Parlamentsmehrheit abzusetzen. SCAF hatte entschieden, dass sie an der Macht bleibe, bis der Präsident gewählt sei. Die Wahlaufsichtskommission dürfte eher SCAF und Soleiman zuneigen als den Muslimbrüdern und ihrem Kandidaten al-Schatir.
Unerwünschte ausländischen Beobachter
Im Vorfeld der gegenwärtigen Wahlen hat SCAF auch die internationalen Wahlbeobachter ausgeschaltet, die bei den Parlamentswahlen noch aktiv waren. Dies geschah durch Prozesse, welche ausländischen NGOs im vergangenen März gemacht wurden. Diese Prozesse führten dazu, dass die Leiter NGOs ausreisen und die Nicht-Regierungsorganisation abziehen mussten. Unter ihnen befanden sich Menschenrechtsorganisationen und Wahlbeobachter.
Es ist unter diesen Umständen nicht erstaunlich, dass die ägyptischen Beobachter die Kandidatur des Generals und Geheimdienstmannes Solaiman als eine gefährliche Entwicklung bewerten. Sie bedeutet den Beginn eines Wahlkampfes zwischen den Muslimbrüdern und den Militärspitzen. Diese Auseinandersetzung können die Militärs schwerlich gewinnen, wenn es mit ehrlichen Mitteln zugeht. Doch die Militärs verfügen über alle erdenklichen Möglichkeiten, mit unredlichen Mitteln Einfluss auf die Wahlen zu nehmen.
Die Beschaffung von 30‘000 Unterschriften
Die erste Hürde, die Solaiman nun zu überwinden hat, besteht darin, dass er 30‘000 notariell beglaubigte Unterschriften von Befürwortern seiner Kandidatur in mindestens 15 Provinzen Ägyptens sammeln muss. Er hat nur Zeit dazu bis am Abend des Sonntags, des 8. Aprils. Wenn er - oder seine Freunde in der Armee - dafür nicht schon im Stillen vorgesorgt haben, kann er dies schwerlich erreichen.