Die meisten Kenner der Schweizer Medienszene sind sich einig: Wenn die radikale No-Billag-Initiative am 4. März angenommen wird und keine öffentlichen Gebühren mehr erhoben werden können, werden die Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG und die meisten der 34 Lokalsender finanziell nicht mehr existieren können und wohl in Kürze liquidiert oder von neuen Eigentümern übernommen werden. Zwar behaupten die libertär inspirierten Initianten und ihre rechtsnationalen Sekundanten das Gegenteil. Doch ihre Plan-B-Finanzierungspläne ohne allgemeine Gebühren sind derart illusionär und dürftig zusammengestiefelt, dass von einer seriösen Perspektive für eine neue SRG nicht glaubhaft die Rede sein kann.
Ausländische TV-Anbieter
Praktisch sicher ist dagegen, dass bei einer Liquidierung der SRG in hohem Masse die ausländischen TV-Sender zu den grossen finanziellen Gewinnern zählen würden. Ausländische Fernsehsender verfügen heute schon in der Schweiz über einen Marktanteil von 60 Prozent, wie Roger Schawinski in seiner Analyse zur No-Billag-Initiative und ihren Folgen mit Nachdruck hervorhebt.
Kommerzielle ausländische Sender wie RTL oder ProSiebenSat.1 betreiben jetzt schon eigene Werbefenster für die Schweiz. Bei einer erhöhten Zuschauer-Quote in unserem Land könnten sie diese Werbung auch entsprechend teurer verkaufen. Von ähnliche Effekten für ihre Werbung dürften auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanbieter in den Nachbarländern profitieren. Wie No-Billag-Trommler aus den rechtsnationalen Reihen diese verrstärkte Berieselung mit ausländischer Fernseh- und Radio-Kost mit ihrer heimattümelnden Weltsicht vereinbaren, bleibt vorläufig ihr Geheimnis.
Werbevermarkter Tamedia-Goldbach
Ein anderer Akteur, der sich beim Untergang der SRG-Sender schon aus kommerzieller Sicht die Hände reiben würde, ist der Tamedia-Goldbach-Konzern. Das Medienhaus Tamedia, das unter anderem den „Tagesanzeiger“ herausgibt, aber sein Geld zunehmend mit nichtjournalistischen Produkten verdient, hat sich Ende 2017 mit dem Radio- und Fernsehwerbungsvermarkter Goldbach zusammengeschlossen. Goldbach gilt, wie die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran unlängst schrieb, als „Quasimonopolist“ in diesem spezifischen Marktsegment.
Sollte die SRG liquidiert werden, dann würde wohl auch das noch junge Konkurrenzunternehmen Admeira, zu dem sich die SRG mit Swisscom und Ringier zusammengeschlossen hat, bald aufgelöst werden. Oder es müsste sich gegenüber dem Vermarkter-Platzhirsch Goldbach-Tamedia mit einer Aschenputtel-Existenz begnügen.
Blocher und andere Tycoons
Ein anderer Gewinner bei einem SRG-Grounding wäre mit einiger Wahrscheinlichkeit der SVP-Stratege und Multimilliardär Christoph Blocher – möglicherweise im Verbund mit ähnlich interessierten Tycoons. Ihm ginge es, anders als den Werbevermarktern, bei einer Erbfolge aus der SRG-Konkursmasse kaum um finanziellen, sondern um politischen Profit. Dass er nicht geringen Appetit darauf hat, Medien in seinen Besitz und unter seine Kontrolle zu bringen, ist hinlänglich bekannt.
Neben seinem eher skurril anmutenden Steckenpferd „Blocher-TV“ hat sich Blocher auf zunächst verdeckten Umwegen zum Mitbesitzer der „Basler Zeitung“ germacht. Auch bei der inzwischen voll im SVP-Fahrwasser schwimmenden „Weltwoche“ gehört er kaum zweifelhaft zu den Köppel-Geldgebern, auch wenn das nicht offen zugegeben wird. Und erst im vergangenen Herbst hat der Verlag „Basler Zeitung“ vom Zehnder-Verlag in Wil nicht weniger als 25 Gratis-Wochenzeitungen übernommen. Wer das finanziert hat, weiss jeder, der sich für Medien-Fragen interessiert.
Sollte die SRG bei einem Ja zur No-Billag-Initiative zur Auflösung freigegeben werden, ergäbe das für einen Superreichen mit den politischen Ambitionen Blochers interessante Möglichkeiten, sein schon existierendes Medien-Fürstentum beträchtlich zu expandieren – sei es im Fernsehbereich oder durch Übernahmen unter den zahlreichen Radiosendern, die ohne SRG-Zuschüsse in existenzielle Not geraten würden.
Viel eigene Medienmacht ist auch im politischen Geschäft eine lukrative Investition – das weiss man nicht erst seit dem Beispiel Berlusconi. Kein Wunder, dass Christoph Blocher sich lange vor dem offiziellen Beschluss seiner Partei für die No-Billag-Initiative engagiert hat. Unbekannt ist nur, wie viel Geld aus seiner tiefen Tasche in die Ja-Kampagne der Möchtegern-SRG-Abschaffer fliesst.