Wie Manhattan mit Ratten oder Ny-Ålesund auf Spitzbergen mit Eisbären hat Frankfurt am Main ein Problem mit Nilgänsen. Sie machen sich auf wassernahen Grünflächen breit und gelten als aggressiv. Die Behörden haben sich der Sache angenommen. Man versucht so Verschiedenes, will aber weder bei Tierschützern noch bei Parkbesuchern oder sonstwo anecken.
Wie soll eine Zeitung über dieses für Frankfurt drängende Thema berichten? Sollen Leute zu Wort kommen, die von Liegewiesen vertrieben wurden? Und zum Ausgleich auch noch die Tierschützerin, die das Verhalten der Viecher erklärt und die Verständnislosigkeit des Publikums geisselt? Oder ist eine Breitseite fällig gegen den zu keinem handfesten Vorgehen fähigen Verwaltungsapparat? Berichte über Probleme der Nilgans-Klasse schalten gern in den Modus der Empörung. Die aggressiven Velofahrer! Die regulierungswütigen Behörden! Die globalisierten Einkaufsmeilen!
Friederike Haupt hat in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ für ihren Artikel über Nilgänse eine andere Diktion gefunden. In einem Ton von mildem Sarkasmus schreibt sie einen unaufgeregten und dabei höchst unterhaltenden und informativen Text über die ungebetenen Vögel sowie den Umgang mit ihnen.
Wie gelingt so etwas? Das Erste ist natürlich die saubere Recherche. Friederike Haupt hat sich über das Nilgans-Problem gründlich schlau gemacht. So weit das Selbstverständliche.
Das Zweite ist schon komplizierter: Die Autorin hat sich ihre Haltung zu dem Thema klargemacht, sich für eine bestimmte Position und Sichtweise entschieden. In diesem Fall war das der amüsierte Blick auf ein Grossstadtphänomen, das man im Katalog der Probleme urbanen Lebens nicht ohne weiteres vermuten würde.
Das Dritte, was dazukommen muss, ist dann bereits hohe Schule: Es gilt, die zu dem Thema bezogene eigene Haltung in Sprache umzusetzen. Friederike Haupt gelingt das mit einem Duktus, der stets das Skurrile der Situation mit im Auge hat, ohne jedoch die Sache vollends ins Lächerliche zu ziehen. Mit Anspielungen – etwa auf die von den Gänsen ignorierte Grüne Grenze – und Referenzen – namentlich auf den alten Brehm – bietet der Text zudem Anknüpfungspunkte, die der Leserin Steilpässe für eigene Bezüge vorlegen und dem Leser das Vergnügen bescheren, auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Wer es nicht oben schon getan hat, sollte hier auf den Link klicken, um den Artikel aus der FAS zu lesen. Wir bürgen für ein Lesevergnügen der Sonderklasse.