Von Pierre Simonitsch, Genf
Im vergangenen Jahr wurden in Westeuropa, Nordamerika, Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea insgesamt 358.800 Asylanträge gestellt – das sind fünf Prozent weniger als 2009. Im Jahre 2001 zählte man in den gleichen Ländern 620.000 Asylbewerber. Das Flüchtlings-Hochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) sieht darin eine „Wende der globalen Asyldynamik“. In seinem diese Woche veröffentlichten Bericht weist das UNHCR allerdings auf den uneinheitlichen Verlauf dieser neuen „Asyldynamik“ hin. Um ein Drittel abgenommen hat die Zahl der Asylbewerber in Südeuropa und in Finnland; in Norwegen sogar um 42 Prozent. Auch in der Schweiz suchen immer weniger Flüchtlinge um Asyl an. 2008 waren es 16.610 Bewerber, 2009 14.490 und 2010 nur mehr 13.520. Das bedeutet einen Rückgang um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Starke Zunahmen wurden hingegen in Deutschland (49 Prozent), Schweden (32), Dänemark (30), der Türkei (18), Belgien (16) und in Frankreich (13) verzeichnet. In absoluten Zahlen macht das beispielsweise allein in Frankreich 47.800 neue Asylgesuche aus.
Nur wenige erhalten den Flüchtlingsstatus
Das UNHCR verfügt über keine Angaben, wie vielen Asylbewerbern in den einzelnen Ländern der Flüchtlingsstatus zugesprochen wurde. In der Regel handelt es sich bloss um wenige Prozente. Gemäss der Internationalen Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 haben jene Flüchtlinge Anrecht auf Schutz in einem anderen Land, die in ihrer Heimat aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen verfolgt wurden. Sie müssen allerdings ihren Asylantrag im ersten Land stellen, in dem sie in Sicherheit sind. Reisen um die halbe Welt bis zur Entdeckung eines vermeintlichen Paradieses führen zum Verlust des Asylrechts.
Hunger und Klima als neue Fluchtgründe
In den letzten Jahrzehnten ist eine Diskussion entbrannt, ob nicht die Flucht vor Hunger und extremer Armut ebenfalls ein legitimer Grund für das Recht auf Asyl sei. In jüngster Zeit wird auch viel von "Umweltflüchtlingen" gesprochen - von Menschen, die beispielweise wegen lang anhaltenden Dürren oder Überschwemmungen fliehen müssen. Der Zusammenhang mit dem Thema Klimawandel ist offensichtlich.
Der Bericht des UNHCR fasst die Lage in 44 Industriestaaten zusammen. Grösstes Aufnahmeland bleiben die USA, wo jeder sechste Asylbewerber die begehrte Niederlassungsbewilligung erhält. Auf den nächsten Plätzen folgen Frankreich, Deutschland, Schweden und Kanada. Die meisten der 2010 nach Westeuropa gelangten Asylbewerber kommen offiziell aus Serbien. Tatsächlich stammen sie aber überwiegend aus dem Kosovo, das von der UNO nicht als souveräner Staat anerkannt wird. An zweiter Stelle stehen Flüchtlinge aus Afghanistan. Ihre Zahl hat jedoch im vergangenen Jahr um neun Prozent abgenommen.
Flüchtlings-Hochkommissar Antonio Guterres meint zu den Statistiken: „Wir sollten die tieferen Ursachen dieser Entwicklung studieren – ob nämlich der Rückgang der Asylbewerber auf positive Faktoren in deren Ursprungsländern zurückgeht oder auf die strengere Einwanderungskontrolle in den Asylländern.“