Zwar steht die Schweizer Bevölkerung der Organspende mehrheitlich positiv gegenüber, doch wenn es konkret wird, sieht es anders aus. Der Mangel an Spenderorganen ist gravierend, die Spendenbereitschaft noch immer ungenügend. Dem möchte die im Frühling dieses Jahres eingereichte Initiative „Organspende fördern – Leben retten“ abhelfen, indem sie statt auf die bisher geltende Zustimmungs- auf die sogenannte Widerspruchslösung setzt. Der Bundesrat kontert mit einem Gegenvorschlag, der den Angehörigen ein zusätzliches Mitspracherecht einräumen will. Die reformierte und die katholische Kirche sowie die CVP stehen Initiative wie Gegenvorschlag ablehnend gegenüber, während SVP, FDP und GLP den Gegenvorschlag favorisieren und die SP gar keine Empfehlung abgibt.
Auf Grund dieser Stellungnahmen bereits jetzt auf einen Ausgang der Abstimmung zu schliessen, ist unmöglich. Zu widersprüchlich ist das Bild, das sich derzeit bietet. Trotz der grundsätzlich positiven Einstellung gegenüber einer Organspende trägt noch immer nur eine Minderheit der Bevölkerung einen Spenderausweis auf sich, was zur Folge hat, dass im Ernstfall oft die Angehörigen über eine Organentnahme befinden müssen. Von diesen aber hat sich laut Statistik stets die Mehrheit dagegen entschieden.
Wo liegen die Gründe für dieses Verhalten? Angst vor einer so weitreichenden Entscheidung mag einer davon sein, Skepsis gegenüber dem Hirntod ein anderer. Unterschwellig dürften aber noch immer auch christliche Jenseitsvorstellungen und Auferstehungshoffnungen eine Rolle spielen. Dagegen zu argumentieren, ist schwierig. Wer an ein physisches Weiterleben nach dem Tod glaubt, wird ungern auf einzelne Organe verzichten wollen. Für sie soll es deshalb ein Widerspruchsregister geben, in das sie sich eintragen können. Alle andern hingegen werden sich mit dem Gedanken trösten, dass sie mit ihrer Spende Leben retten und im übertragenen Sinne in einem andern Menschen weiterleben. Mir persönlich reicht diese Gewissheit. Deshalb trage ich einen Spenderausweis auf mir und lege, wenn es so weit ist, ein Ja zur Initiative in die Urne.