Gibt es etwas Wichtigeres als die gnadenlose Verfolgung von Steuerhinterziehern? Aber sicher: den Rechtsstaat. Nun gibt es Rechtsstaaten von verschiedener Grösse. Hier die kleine Schweiz, dort die grossen USA. Was soll ein winziger Rechtsstaat machen, wenn ein Gigant ohne Rücksicht auf zwischenstaatliche Gepflogenheiten seine schiere Grösse ausspielt? Natürlich Widerstand leisten. Aus Prinzip. Denn je kleiner die Nation, desto wichtiger ist ihre Grundlage, ihr Fundament. Eben die Rechtsstaatlichkeit.
Der Angriff
Der von der Schweizer Regierung mit Rechtsbruch geschützte Kniefall der UBS schlug die tödliche Bresche in den Wall der Schweizer Souveränität. Damit sich die damaligen leitenden Angestellten der Grossbank feige aus der Verantwortung stehlen konnten, erlaubte der Bundesrat die Auslieferung von Tausenden von Kundendaten. Später gefolgt von der Auslieferung von Tausenden von Mitarbeiterdaten. Damit wurde eine UBS gerettet, die weiterhin Milliardenverluste mit Milliardenboni honoriert. Aber das war nur der Sündenfall, von da an gab es immer noch zwei Wege. Erbitterter Widerstand gegen rechtsimperialistische Ansprüche der USA – oder das Hissen der weissen Flagge mit einem unsichtbaren weissen Kreuz in der Mitte.
Wozu noch Fatca?
Der Bundesrat hat bereits ein Fatca-Abkommen mit den USA unterschrieben. Bei Fatca handelt es sich um einen rechtsimperialistischen Übergriff, der jede Bank der Welt zum Erfüllungsgehilfen des US-Fiskus macht. Wer nicht mittut, verliert den Zugang zum immer noch weltgrössten Währungsraum in Dollar. Und kann als Geldhaus die Bücher deponieren.
Dafür muss ein Milliardenaufwand betrieben werden, der nach realistischen Schätzungen den USA einen Steuermehrertrag von vielleicht 10 Milliarden Dollar einbringt. Da geht es also nicht um Steuergerechtigkeit, sondern um Macht. Dagegen kann sich in der Schweiz noch Widerstand formieren. Offensichtlich will die Schweizer Regierung aber schon vorher Tatsachen schaffen. Wie «Der Sonntag» berichtet, nimmt die sogenannte «Globallösung» Formen an. Nur ist das Resultat weder global noch eine rechtsstaatliche Lösung.
Nicht von allen alles
Laut «Der Sonntag» sollen rund 90 Schweizer Banken sämtliche US-Kundendaten ausliefern und natürlich zusammen eine Multimilliardenbusse zahlen. Die übrigen mehr als 200 Schweizer Finanzdienstleister dürfen weiter zittern und sich fragen, ob sie dann spätestens bei der Einführung von Fatca an die Kasse kommen. Im Einzelabrieb. Normalerweise bedeutet verhandeln, dass sich beide Seiten auf einen Kompromiss einigen, der sich von den eigenen ursprünglichen Maximalforderungen deutlich unterscheidet. Ausser, es handelt sich um eine bedingungslose Kapitulation.
Kleiner und grosser Missbrauch
Einige Zehntausend US-Steuerzahler haben über die vergangenen Jahrzehnte hinweg Schwarzgeld auf Schweizer Bankkonten deponiert. Es war üblich und allgemeiner Brauch, dass keine Schweizer Bank ihre ausländische Kundschaft nach den steuerlichen Verhältnissen von deponiertem Geld fragte. Lediglich die Bestimmungen des Geldwäschergesetzes mussten erfüllt werden. Das war in der Schweiz gesetzeskonform, kein Missbrauch der Banken, sondern der Kunden. Die moralisch vielleicht fragwürdig, aber völlig legal auf den Rechtsstaat Schweiz vertrauten. Und nun kommen die USA und zeigen, was sie als grösste Militärmacht der Welt vom Rechtsstaat Schweiz halten: nichts.
Gegenwehr?
Ist es fragwürdig, die Interessen eines Steuerhinterziehers zu verteidigen? Sicherlich. Ist es fragwürdig, den Rechtsstaat Schweiz zu verteidigen? Auf keinen Fall, denn er stellt das höchste Gut dar, auf dem die Schweiz seit mindestens 1848 beruht. Ihn zur Disposition zu stellen, sei der Druck auch noch so gross, ist mehr als ein fundamentales Versagen. Es ist ein Anschlag auf den Wesenskern der Schweiz. Pragmatismus, Opportunismus, Machtverhältnisse akzeptieren, das ist alles gut und schön. Aber es gibt einen zentralen Bereich in jedem Staatsgebilde, das nicht zur Disposition gestellt werden darf. Der nicht verhandelbar ist. Das absolute Verbot rückwirkender Gesetzesänderungen gehört dazu.
Die anderen werden folgen
Das Teuflische an Ausnahmen ist, dass sie zwangsläufig zur Regel werden. Ausnahmsweise der UBS helfen, an eigenen Missetaten nicht zu scheitern. Ausnahmsweise Mitarbeiterdaten übergeben. Ausnahmsweise sich von den USA aufs Kreuz legen lassen. Aber wie soll die Schweiz der EU verweigern, was sie den Amis zugestand? Wie soll sie es der OECD abschlagen? Wie soll sie den rund 160 weiteren Staaten der Welt verweigern, was sie schon mehrfach tat? Aber viel wichtiger: Wie soll die Schweiz weiterhin behaupten können, hierzulande gälten unverhandelbare rechtsstaatliche Grundprinzipien?
Wenigstens klarer Schnitt?
Die Idee der «Globallösung» war, dass unter Beugung rechtsstaatlicher Prinzipien wenigstens ein klarer Schnitt mit der Vergangenheit gemacht wird. Das Kapitel Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein für alle Mal vom Tisch ist. Höchst fragwürdig, aber zumindest diskutabel. Was sich nun abzeichnet, ist die bedingungslose Kapitulation, ohne die geringste Gegenleistung. Arme Schweiz.