Schöne Weihnachtsbescherung! Bereits am Tag nach der Bundesratswahl (5. Dezember 2018) war es mit der Aufbruchstimmung im Bundeshaus vorbei. Der Alltag war zurück: Uneinigkeit im Bundesrat, im Parlament, in den politischen Parteien. Was erwartet uns nächstes Jahr?
Wie heisst es so schön?
Im Internet-Portal der Schweizer Regierung steht zuoberst: Der Bundesrat regiert, entscheidet, informiert. In Tat und Wahrheit laviert, verschiebt und wiegelt er ab. Denn schon die Departementsverteilung war von Misstönen begleitet, musste verschoben werden und endete schliesslich nach dem alten Muster: Nicht die Qualitäten, Kenntnisse und Eignung der sieben Weisen gaben den Ausschlag, sondern es herrschte einmal mehr das längst überholte Anciennitätsprinzip. Und so sitzt eben jetzt ein Bauer, der kaum Englisch spricht und für Abschottung steht, im Wirtschaftsdepartement. Die Juristin, Advokatin, Notarin wird Chefin der Armee und soll dort die Kampfflugzeuge beschaffen.
Stillstand prolongé im Bundesrat
Die holprige Departementsverteilung ist korrekt verlaufen, jedenfalls soweit die Tradition der Vergangenheit wegbestimmend war. Die Wünsche der bisherigen Bundesräte hatten Vorrang, jene der Newcomer blieben auf der Strecke. Das Resultat ist kläglich. Traditionen zu beachten ist das Eine, optimale Führungsbesetzung in turbulenten Zeiten anzustreben das Andere. Zur Erinnerung: Im Wirtschaftsdepartement (WBF) versuchte sich Johann Schneider-Ammann im Spagat zwischen optimalen Exportbedingungen für unsere Wirtschaft und harzigem Agrar-Protektionismus. Dem Volk (in dessen Namen alle im Bundeshaus politisieren) ist dabei längst klar, dass eine erfolgreiche Zukunft für unsere Export-Betriebe vom Handelshemmnis-Abbau abhängt. Unsere exportierenden KMU und Konzerne sind seit Jahren, ohne Milliardensubventionen des Bundes, Mit-Garanten des Wohlstands im Land. Alle Bemühungen des per Jahresende ausscheidenden Bundesrats (der mit dem Rednerpult!) scheiterten an der Opposition des Bauernverbandes und der Agrarlobby in den Räten. Nun wird ab 2019 der Bauer selbst am Ressort-Schalthebel sitzen und dessen Entscheide – zwischen Freihandel und Grenzschutz – lassen nichts Gutes erahnen. Rückwärtsblickend in die Zukunft zu schreiten ist gefährlich.
Blockaden im Parlament
Als wären Grossbritannien, Italien oder Frankreich Vorbilder eines effizienten, zukunftsgerichteten Parlamentsbetriebs, harzt die Entscheidungsfindung bei mehreren Dossiers auch im National- und Ständerat. Rahmenabkommen, Rentenreform, Gesundheitswesen, CO2-Gesetz – es wird diskutiert, verschoben, nicht entschieden. Wir sind Zeugen des helvetischen Trauerspiels und wünschten uns so sehr einen Aufbruch in Bern Richtung Schweiz von morgen. Die NZZ hat es auf den Punkt gebracht: „Doch die sich gegen jegliche Liberalisierung wehrenden Bauern, die nach Schutz vor ausländischer Konkurrenz rufenden Gewerbler, die sich gegen Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt auflehnenden Gewerkschaften und die gegen die Unternehmenssteuerreform wetternden Linken: Alle wissen sie nur, wogegen sie sind. Das ist die eigentliche Krankheit der wohlstandsgesättigten Schweiz – und der Reformstillstand ist ihr Symptom.“
Visionäre sind weder im National- noch im Ständerat auszumachen. Dies liegt wohl in der Natur des schweizerischen Politbetriebs. Dort vertritt man „seine“ Partei, die ihrerseits unversöhnlich Dogmen pflegt, nach Kompromissen ruft und selbst kompromisslos in der parteieigenen Wirklichkeitsillusion verharrt. Herausragendes Beispiel: der EU-Rahmenvertrag. 26 Jahre nach der EWR-Abstimmung, jahrelangem Feilschen um Eckwerte eines funktionierenden Abkommens mit der EU tönt es neuerdings nach Abbruch der Übung. Stillstand. Die sture Blockadehaltung der Gewerkschaften, der liberalisierungsfeindliche Schwenker der SP, das Palaver um die richtigen Richter – auch hier fällt die Beurteilung der Regierungstätigkeit kläglich aus. Das Prinzip Hoffnung auf morgen ist keine Führungsqualität
Weder Ja noch Nein
Wenn der Bundesrat auf „eine letzte Chance“ vertraut, wenn das „Prinzip Hoffnung“ im Parlament, wenn hüben wie drüben nach einer „Auslegeordnung“ gerufen wird – kurz, wenn weder Ja noch Nein entschieden wird, dann muss der Nebel im Bundeshaus durchschaut werden. Dahinter verbergen sich die politischen Parteien. In den Parteizentralen sitzen die eigentlichen Schachspieler, die über Bauernopfer und Königsmord entscheiden. Im Lauf der letzten zwei Jahre haben die Parteipräsidenten unermüdlich daran gearbeitet, ihr Parteiprofil zu stärken. Unverwechselbar muss die Botschaft sein, was dann im Politalltag heisst: unversöhnlich, unbeweglich, stur. Wären die Mitteparteien noch berufen, für Kompromisse zu sorgen, haben die „Grossen“ dafür gesorgt, dass solche Bemühungen als „Wischi-Waschi“-Politik abklassiert werden.
Somit bleibt die Feststellung, dass Parteiinteressen die guteidgenössische Kompromissbereitschaft über die Tischkante geschubst haben. Ein allfälliger Kontrollverlust im Bundeshaus (Kontrollanspruch: so oder so illusorisch!) diktiert die Parteistrategie. Verlustangst ist ein Schwächezeichen. Keine optimalen Voraussetzungen zur fröhlichen Weihnachtsbaum-Idylle.
Es mag deshalb wenig überraschen, dass der alljährliche Sorgenbarometer der CS schwarz auf weiss bestätigt, wie es um das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Parteien steht. Unter 20 aufgeführten Institutionen haben deren vier spektakuläre Vertrauensverluste hinzunehmen; eine davon: die politischen Parteien.
Blick aus der Schweiz in die Welt
Derweil wünscht sich „das Volk“ von der Volksvertretung im Bundeshaus geduldig Führungsstärke, Kompromissbereitschaft, Versöhnung und – endlich – Fokus auf die Zukunft. Fokus auf die Zukunft? Warum das? Die Bevölkerung ahnt, dass wir uns auf globaler Ebene bereits aus der neoliberalen Phase verabschiedet haben und uns schlafwandlerisch auf die von Grosskonzernen beherrschte Welt der profit- und wachstumsversessenen digitalen Monopolisten zubewegen. Begleitet vom Geschwafel der Populisten und dem Hohngelächter der Oligarchen.