Griechenland zum Beispiel geht es zurzeit nicht wirklich gut. Niemand leiht dem Staat mehr Geld (ausser, ungefragt, der Euro-Steuerzahler). Das Land befindet sich seit Jahren in einer Rezession. Der Staat spart, die Arbeitslosenzahlen steigen, alle angepeilten Defizitziele werden regelmässig verfehlt. Die letzte Finanzhilfe ist immer die vorletzte. Üble Sache. Aber es gibt Hoffnung: Ab 2020 wird alles wieder gut. Warum? Darum.
Leere Versprechen
Religion verspricht das Paradies im Jenseits, als Kompensation für ein beladenes und mühseliges Leben im Diesseits. Wer’s glaubt, wird selig. Eurokraten und ihre willfährigen Pseudowirtschaftswissenschaftler versprechen, dass man nur an den Erfolg der Fortsetzung ihrer Finanzpolitik glauben müsse. Wer meint, die Realität beweise, dass es von Monat zu Monat nur schlimmer werde, täusche sich. Das sei das Tal der Tränen, das durchschritten werden muss. Bis 2013. Nein, bis 2015. Nein, bis 2020. Dann kommt der Aufschwung, Konjunktur, Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Rückzahlung der Schulden. Nur noch ein wenig Geduld.
Hand aufs Herz
Was braucht es für einen Wirtschaftsaufschwung? Investitionen, Rechtssicherheit und Vertrauen. Hand aufs Herz, wer würde heute in Griechenland, in Spanien, in Italien investieren? Im Gegenteil, in den letzten 12 Monaten zogen laut dem Internationalen Währungsfonds private Investoren aus Spanien 296 Milliarden und aus Italien 235 Milliarden Euro ab. Sie fürchten unter anderem, dass ihnen wie im Fall Griechenlands ein erzwungener «freiwilliger» Schuldenschnitt ihr Geld enteignen könnte. Und woher soll Vertrauen in einen wirtschaftlichen Standort kommen, der sich in Rezession befindet? Verständlich, dass sich Coca-Cola, die unter dem Ramsch-Rating für Griechenland bei eigenen Kreditaufnahmen leidet, aus dem Land zurückzieht.
Der lange Zyklus
In Zockercasinos entscheidet sich Gewinn oder Verlust einer Wette in Sekunden, Minuten, Tagen. Die Investition in eine wertschöpfende Produktion unterliegt nach normaler Payback-Rechnung einem Zeitraum von mindestens 5 Jahren. Umso unsicherer die Zukunftsaussichten in diesem Zyklus sind, umso zögerlicher wird investiert. Gibt es den Euro in 5 Jahren noch? Welchen Wert wird er dann haben? Gibt es Nachfrage? Muss der Investor mit Enteignung, neuen Rahmenbedingungen, Zusatzsteuern, anderen Gesetzen rechnen? Bleibt der Staat, die soziale Ordnung stabil? Wird die Infrastruktur weiter unterhalten? Gibt es Strom, Transport, ein funktionierendes Sozialsystem? Kann es zu Streiks, Unruhen, Faustrecht, Aufständen kommen? Wer kann da heute in Bezug auf Griechenland, Spanien, Italien optimistisch sein?
Die Renditenfalle
Geld ist flüchtig und beweglich. Geldgeschäfte funktionieren schnell. Falls ein neues Risiko auftaucht, ist die Verlagerung auch grosser Summen mit ein paar Tastenklicks erledigt. Investitionen in die wertschöpfende Produktion können nicht von einem Tag auf den anderen abgezogen werden. Gebäude, Maschinen, Arbeitskräfte können nicht mit ein paar Tastenklicks von A nach B verlagert werden. Umso weniger Vertrauen ein Investor in die Stabilität der Rahmenbedingungen hat, umso mehr Risikoprämie möchte er haben. Aber wie soll er auf eine zukünftige und hohe Rendite vertrauen können, wenn die Zinsen durch die EZB runtermanipuliert, das Marktumfeld seiner potenziellen Investition aschgrau, die Stabilität des Staates fraglich und die Rechtssicherheit ungewiss ist?
Die Rahmenbedingung
Die Funktion eines Staates, der Regierung, sollte sein: Wir garantieren die Rahmenbedingungen für das Wohlergehen unserer Bürger. Halten die Infrastruktur in Schuss, kümmern uns um Ausbildung, Gesundheit, Vorsorge und Rechtssicherheit. Und handeln im Interesse unseres Volks, das seine allfällige Unzufriedenheit mit dem Stimmzettel zum Ausdruck bringen kann. Ist in der EU eine einzige dieser fundamentalen und notwendigen Voraussetzungen für die Legitimierung staatlicher Macht erfüllt? Eine einzige? Entscheidungsbefugnis muss mit Haftbarkeit und Verantwortlichkeit einhergehen. Das unterscheidet eine Demokratie von einer Diktatur.
Griechenland wird’s vorexerzieren
Innerhalb der heute existierenden Entscheidungsstrukturen wird das Schlamassel, das die Eurokraten angerichtet haben, nicht zu lösen sein, ich wiederhole mich. In Griechenland, das am nächsten am Abgrund steht, ist wohl, wäre nicht das erste Mal, eine Militärdiktatur die am wenigsten schlechte Alternative zu Hungermärschen, Aufruhr, Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung, rechtsfreien Räumen, Faustrecht und marodierenden Banden sowie Clanbildung mit kleinen Herrschaftsbereichen. Spanien und Italien müssen auch nicht weit in die Geschichte zurückschauen, um sich an Ähnliches zu erinnern.
Und Deutschland?
Es ist eine Frechheit sondergleichen, dass die Repräsentantin des Zahlmeisters Deutschland in Griechenland mit Hakenkreuzen, absurden Vergleichen mit dem Dritten Reich und Schmähungen empfangen wurde. Nur weil sie die Einhaltung fester und klarer Versprechungen sowie gültiger Verträge einfordert. Es ist hingegen richtig, dass Merkel mit dem von ihr durchgestierten erzwungenen «freiwilligen» Schuldenschnitt einen sehr grossen Sargnagel in Griechenland eingeschlagen hat. Würde sie aber die Hilfszahlungen einstellen, gingen dort im wahrsten Sinne des Wortes sofort die Lichter aus und müssten Carepakete auf den Weg gebracht werden. Aber per Express. Wenn in Griechenland die Post noch funktioniert ...