Trotz Diskussionen um den Rücktritt oder Nichtrücktritt des Nationalbank-Präsidenten, trotz Frankenstärke und Eurokrise lohnt es sich, den Blick auf ein scheinbar unwichtigeres Wirtschaftsthema zu richten, das die Schweiz dieses Jahr aber stark beschäftigen wird.
Schon seit mehr als 3 Jahren diskutieren National- und Ständeräte über die Minder-Initiative und über einen Gegenvorschlag dazu. Es fehlt nicht an Ideen, es fehlt aber an der Mehrheit für ein gemeinsames, taugliches Projekt.
Zwar wurden indirekte Gegenvorschläge in Form von Aktienrechtsrevisionen von beiden Räten angenommen. Niemand glaubt jedoch daran, dass der Initiant seine Initiative deswegen zurückzieht. Diese hat aber rein schon von ihrem Label her – Abzockerinitiative – grosse Chancen, vom Schweizer Volk angenommen zu werden.
Indes, die Minder-Initiative ist problematisch. Sie stützt sich zwar legitimerweise auf den verbreiteten Unmut über die hohen Boni für Spitzenmanager. Sie will zwar die an der Generalsversammlung präsenten Aktionäre stärken, erleichtert es aber dadurch – ungewollt –, gewissen Grossinverstoren aus dem In-und Ausland, sogenannten Heuschrecken, unterbewertete Firmen billig aufzukaufen, aufzuteilen und mit Gewinn weiterzuverkaufen. Wer über die „Abzocker“ wettert, sollte sich überlegen, dass „Arbeitsplatzvernichter“ auch nicht sympathisch sind. Wir haben also gewissermassen ein Arztneimittel, dessen Hauptwirkung in Bezug auf die Boni unbekannt, dessen negative Nebenwirkungen aber sehr wohl ins Gewicht fallen könnten.
Gegenvorschlag ausschliesslich mit Bonussteuer
Die wichtigste Funktion eines Gegenvorschlags ist es, das Anliegen einer Initiative aufzunehmen, ohne ihre Nachteile in Kauf zu nehmen. Es ist absolut gerechtfertigt, wenn das Parlament nach einem Weg sucht, übersetzte Boni zu verhindern, ohne den „Heuschrecken“ das Geschäft zu erleichtern.
Ein entsprechender Vorschlag liegt auf dem Tisch: Hohe Boni von über drei Millionen sollen durch Besteuerung statt durch aktienrechtliche Vorschriften begrenzt werden. Sachlich ist eine solche Lösung eigentlich logisch. Dividenden – Gewinnausschüttungen an die Aktionäre – werden sowohl beim Unternehmen als auch beim Empfänger besteuert. Boni sind Gewinnausschüttungen an die Manager, deren Interessen dadurch mit jenen der Aktionäre gleichgeschaltet werden sollen. Deshalb sollen auch Boni beim Unternehmen und beim Empfänger besteuert werden. Dadurch würde es teurer und damit unattraktiver, übersetzte Boni auszuschalten.
Allerdings sollten für grosse Familienunternehmungen Ausnahmen von dieser Regelung getroffen werden. Ausserdem sollten der Wirtschaft insgesamt keine Zusatzlasten aufgebürdet werden, weshalb die Bonussteuer mit der Senkung eines Gewinnsteuersatzes kompensiert werden muss.
Der entscheidende Punkt scheint mir, dass nun die Bonussteuer nicht mit dem Aktienrecht verknüpft wird, sondern schlicht als Steuervorlage zu einem direkten Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative ausgestaltet wird. D. h. das Schweizer Volk kann dann entscheiden, ob es die Bonussteuer allein oder die Abzocker-Initiative ohne Bonussteuer vorzieht.
Diese Bonussteuer ist bis jetzt in verschiedenen Anläufen im Nationalrat jeweils nur von der CVP, SPS und den Grünen angenommen worden. Im Ständerat war sie bisher stets mehrheitsfähig. Es wäre an der Zeit, wenn nun die anderen Parteien auch im Nationalrat einsehen würden, dass das Thema dem Volk immer noch auf den Nägeln brennt und dass sich dieses immer noch über die Abzocker ärgert.
Bis im Sommer 2012 muss sich das Parlament aus zeitlichen Gründen einigen. Die zweckmässigste Lösung wäre dann sicher eine Abstimmung nur über die Abzocker-Initiative versus Bonussteuer (als direkter Gegenvorschlag). Die ohnehin nötige Aktienrechtsrevision sollte unabhängig davon in aller Ruhe verabschiedet werden; dort müssten gewisse – durchaus positive – Elemente der Minder-Initiative aufgenommen werden.