Der Bundesrat hat sich Zeit gelassen mit seiner Reaktion auf die Corona-Krise. Gestern Freitag nun trat er dafür gleich zu viert mit Präsidentin Sommaruga, Innenminister Berset, Wirtschaftsminister Parmelin und Justizministerin Keller-Sutter vor die Medien. Die Botschaft der Regierung an die Bevölkerung war ein starker Appell an die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen: Der Kampf gegen die Pandemie ist nur zu gewinnen, wenn alle Einsicht zeigen und ihr Verhalten anpassen. In diesem wichtigen Punkt trafen die anwesenden Bundesrätinnen und Bundesräte sowie ihre Spitzenbeamten und Fachleute den Ton, indem sie die ausserordentliche Dringlichkeit aufzeigten, ohne Ängste zu schüren.
Inhaltlich bringt das gestern veröffentlichte Massnahmenpaket hingegen nur gerade das absolut Notwendige: Schliessung von Schulen und Ausbildungsstätten, Grenzkontrollen mit einschneidenden Reisebeschränkungen, Verbot öffentlicher und privater Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen, Obergrenze von 50 Personen für Restaurationsbetriebe, rascher Aufbau von Massnahmen zur Sicherung der Lohnzahlungen und Stützung der Wirtschaft mit vorerst bis zu 10 Mia. Franken.
Den Kantonen obliegen ergänzende Massnahmen. Insbesondere müssen sie Betreuungsangebote bereitstellen für Kinder, bei denen die Eltern arbeiten und keine Ausweichlösungen zu den Schulschliessungen haben. Auf jeden Fall soll verhindert werden, dass die Kinder von Grosseltern gehütet werden, weil Letztere von Corona besonders bedroht sind und Kinder das Virus übertragen können.
Das Paket für die Eindämmung und Verlangsamung der Ansteckungen kommt keine Stunde zu früh. Vergleicht man die Kurven der Corona-Ausbreitung Italiens und der Schweiz, so wird deutlich, dass wir mit wenigen Tagen Verzögerung auf die gleiche Katastrophe zusteuern wie das Nachbarland. Dass Österreich die Grenze zur Schweiz dichtgemacht hat und Deutschland die aus der Schweiz Einreisenden gleich mal in Quarantäne schickt, ist weder Populismus noch Alarmismus, sondern nüchternes Risikokalkül. Die Schweiz hat die Zügel zu lange schleifen lassen und steht international nicht gut da.
Der Bundesrat hat zwar in Aussicht gestellt, je nach Entwicklung der Pandemie zusätzliche und schärfere Massnahmen zu treffen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Besser wäre er gleich ein paar Schritte weitergegangen, um klarzumachen, dass er dem Virus nicht bloss defensiv, sondern offensiv begegnet. Also gänzliches Veranstaltungsverbot, einheitliche Schliessung von Einrichtungen des Sports, der Freizeit und Kultur. Jetzt bleiben zum Beispiel Kunstmuseen in Zürich und Bern zumeist offen, in Basel sind sie geschlossen, was einen Eindruck von Beliebigkeit erweckt. Die Gaststätten-Regelung mit der 50er-Grenze bringt kaum etwas. Das eine Lokal ist mit 50 Leuten rappelvoll, das andere fast leer. Und wie soll ein turbulenter nächtlicher Barbetrieb die BAG-Regeln sicherstellen?
Man kann nur hoffen, dass der von der Regierung signalisierte Geist der Entschlossenheit stärker wirkt als die teilweise allzu vorsichtigen Massnahmen. Wahrscheinlich haben seit gestern die meisten verstanden, dass die Krise jetzt da ist und dass sie ihr Verhalten umstellen müssen.