Extinction Rebellion (XR) versteht sich als eine Bewegung des zivilen Ungehorsams, die sich gegen die Auslöschung menschlichen Lebens und das grosse Artensterben zur Wehr setzt. Sie will anti-hierarchisch funktionieren und gelobt jederzeit gewaltfrei vorzugehen. Nach eigenen Angaben verfolgt sie drei Ziele:
- Tell the truth – unter anderem durch Ausrufung des Klima-Notstands;
- Act now – Netto-Null Treibhausgas-Emissionen bis 2025;
- Beyond politics – Bürgerversammlungen sollen den Parlamenten und Regierungen das Heft aus der Hand nehmen.
Exponenten von Extinction Rebellion haben klargemacht, dass die Klimaproblematik für sie nur das Symptom einer vergifteten westlichen Kultur ist, die nun quasi im Handstreich überwunden werden soll. Konsequent zielt die Bewegung mit möglichst spektakulären Aktionen auf Stilllegung von Arbeit, Verkehr und Konsum.
Der Schock angesichts der immer deutlicher werdenden Klimakatastrophe und das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit haben der Bewegung von vielen Seiten Sympathien eingebracht. Grosse Teile der Jugendbewegung «Fridays for Future» stehen für einen Schulterschluss mit XR bereit, so offenbar auch Greta Thunberg.
Die Mitbegründerin der Grünen in Deutschland, die Sozialwissenschaftlerin Jutta Ditfurth, ist nicht die einzige, die vor Extinction Rebellion warnt. XR habe die Merkmale einer Endzeit-Sekte. Hinter der Taktik des sanften Auftretens stecke ein autoritäres Konzept, das keine Diskussionen dulde und einem Anti-Intellektualismus fröne. Dass die Bewegung sich stets auf Klimawissenschaft beruft – XR spricht gern von «Mathematik», gegen die kein Zweifel möglich sei –, müsse als Zeichen der Abschottung und eben gerade nicht der wissenschaftlichen Offenheit gedeutet werden.
Seit der Antike treten in gefahrvollen Zeiten immer wieder charismatische Heilsbringer sowie religiöse und politische Sekten auf. Sie pflegen den Zustand der Welt als grundsätzlich marode zu bezeichnen und eine totale Umkehr zu fordern. Worin ihre Revolution bestehen soll, sagen sie jeweils mit plakativen Forderungen: Abkehr von jeglichem Materialismus, Umsturz der bestehenden Ordnung, Vergemeinschaftung allen Besitzes, Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum oder eben: Netto-Null Emissionen von CO2 per sofort.
Es ist Mode geworden, die Klimabewegung pauschal als eine neue Religion abzustempeln, die mit ihren politischen Forderungen der Gesellschaft eine Art Ablasshandel aufzwingen wolle. Das ist als generelle Kritik unredlich. Wo die Bewegten differenziert analysieren und sachliche Forderungen aufstellen, ist es bloss eine billige Masche, sie in die Ecke anrüchiger Religion zu stellen. Im Fall von Extinction Rebellion jedoch liegen die Dinge anders. Hier haben wir es tatsächlich nicht nur mit einem religionsähnlichen, sondern einem ausgesprochen sektiererischen Phänomen zu tun, für das es in der Geschichte viele Vorläufer gibt.
Solchen Endzeit-Bewegungen ging und geht es nicht darum, Probleme zu lösen. Vielmehr sind die jeweiligen Missstände für sie der Anlass, sich von der Welt, wie sie ist, radikal abzuwenden. Vor allem die Jugendlichen unter den XR-Anhängern mögen in der Bewegung vielleicht eine Hoffnung auf Abwendung des grossen Kollapses sehen. Von deren Masterminds jedoch vernimmt man eher Äusserungen, die der Welt so oder so den sicheren Untergang voraussagen.
In Zeiten wie diesen ist es schwierig, verlockenden Extremismen zu widerstehen. Statt in eine geschlossene Szene der angeblich höheren Einsicht und des symbolischen Aktivismus zu fliehen, gilt es, eine nüchterne Gefahrenwahrnehmung auszuhalten. Gefordert ist ein entschlossenes Handeln, obwohl dessen Wirkungen vorher nicht restlos zu überblicken sind. Wie die klimaneutrale Welt dereinst aussehen wird und mit welchem Mix von Massnahmen man dorthin kommt, kann heute niemand definitiv sagen. Das ist zwar eine ungemütliche Ausgangslage; aber historisch einmalig ist sie nicht.
Die XR-Aktivisten machen es sich einfacher: Sie fordern alles, und zwar subito. Da spielen die komplizierten Einzelthemen schlicht keine Rolle mehr. Nach der Realisierbarkeit ihrer Vision zu fragen, geht für die Besitzer höherer Erkenntnis an der Sache vorbei. Wer wie sie einen schnellen radikalen Sinneswandel und einen sofortigen fundamentalen Umbau der Gesellschaft zur ersten und im Grund einzigen Forderung erhebt, aus der dann das klimaverträgliche Verhalten angeblich von selbst hervorgehen wird, hat wohl insgeheim den Planeten schon aufgegeben. Wie es eben für Sekten typisch ist.