„In Shanghai im Jahre 1942 geboren, habe ich dort im Getto meine ersten Lebensjahre durchlebt. Danach, als Kind in Prag, habe ich die Grundschule besucht und meine ersten Erfahrungen mit dem Kommunismus gemacht. Anschliessend habe ich in Israel gelebt. In diesem Jahrzehnt, es waren die fünfziger Jahre, bin ich dem damals real existierenden Zionismus begegnet. Ich erlebte am eigenen Leib sozusagen, wie schwer es der Gründergeneration Israels fiel, mit den Holocaustüberlebenden einen passenden Umgang zu finden.“
Am 9. März 2012 wird der in Köln lebende Autor 70 Jahre alt.
Ein jüdisches Flüchtlingskind in Shanghai
Als Kind einer jüdischen Flüchtlingsfamilie wurde Peter Finkelgruen 1942 in Shanghai geboren. Dorthin waren seine Mutter Ernestine (1913 – 1950) und seine Grossmutter Anna (1891 – 1968) mit ihm geflohen. Sein Vater Hans Leo Finkelgrün (1908 – 1943), den er nie kennen lernte, war in Folge der nationalsozialistischen Verfolgung kurz nach Peter Finkelgruens Geburt verstorben. Seine durch die Verfolgungen gesundheitlich schwer geschädigte Mutter Ernestine verstarb acht Jahre nach seiner Geburt in Prag. Dorthin war sie im Dezember 1946 gemeinsam mit Peter gegangen, wo sie ihre Schwiegermutter wieder traf, die aus einem Konzentrationslager kam. Peter Finkelgruen hat nur wenig konkrete Erinnerungen an seine Mutter. Seinen Grossvater Martin Finkelgrün (1876 – 1942) hat er nie kennen gelernt. Dennoch wurde sein Leben – Martin Finkelgrün wurde am 10.12.1942 in der Kleinen Festung Theresienstadt ermordet – von dessen Vita geprägt. Hans Finkelgrün hatte als Kind lange in Bamberg gelebt, zog dann zum Studium nach Würzburg, wo er 1930 das 1. juristische Staatsexamen abschloss. Finkelgruen fand bei seinen Recherchen über die Ermordung seines Grossvaters einige Fotos seiner Eltern und Grosseltern. Die lange Geschichte einer Flucht begann, die für seine Eltern und seinen Grossvater mit dem Tod endete. Hans Finkelgrün bemühte sich um Papiere, Dokumente, reiste illegal nach Paris, nach Deutschland, in die Tschechoslowakei - vergeblich.
Tante Dora: Flucht nach Palästina
Die gesamte Familie Finkelgruen wurde durch den Antisemitismus bedroht. Einer der familiären Fluchtwege führte nach Palästina. Dora, die fünf Jahre jüngere Schwester seines Vaters, traf früh eine lebensrettende Entscheidung: Sie schloss sich der zionistischen Bewegung an: „Es sollte ihr das Überleben sichern“ (Finkelgruen, 1992, S. 67). Dora emigrierte rechtzeitig mit ihrem Ehemann nach Israel. Nach seiner eigenen Emigration nach Israel, 1951, erleichterte ihm seine Tante den Neuanfang im jungen jüdischen Staat.
Kindheit in Prag (1946-1951): Die Kinderärztin Zdenka und Tante Bela An seine ersten vier Lebensjahre in Shanghai hat Peter Finkelgruen nur wenige, verschwommene Erinnerungen. Im Dezember 1946 reiste der Viereinhalbjährige mit seiner kranken Mutter von Shanghai aus nach Wladiwostok. Von dort aus ging es in einer mehrtägigen Fahrt mit dem Transsibirien-Express nach Moskau und von dort nach Prag. Bei seinen Recherchen zu den Umständen der Ermordung seines Grossvaters erinnerte sich Peter Finkelgruen Zdenka Nedvedova-Nejedlas aus Prag. Dort hatte sie „nur wenige Schritte von jener Schule entfernt“ gewohnt, „in der ich die ersten und beinahe einzigen ordentlichen Schuljahre meines Lebens verbracht habe“ (Finkelgruen, 1992, S. 13).
Fünf Jahre lebte Peter in Prag, dann siedelte er mit seiner Grossmutter nach Israel über. Tante Zdenka arbeitete in Prag als Kinderärztin. Einige Jahre zuvor war sie gemeinsam mit seiner Grossmutter Anna sowie Tante Bela Häftling im Konzentrationslager Ravensbrück. Dort half sie ihren Mithäftlingen medizinisch, so gut es ging, auch seiner Grossmutter Anna.
Im Winter 1946 kümmerte sich Zdenka um den gesundheitlich sehr geschwächten vierjährigen Peter. Zdenka rief in ihm durch ihre Erzählungen Erinnerungen an seine Tante Bela wach. Bela wohnte in Prag in der Nähe des jüdischen Viertels. Dieses Viertel hatte Peter häufig durchstreift, meist alleine. Tante Bela freute sich über seine Besuche.
1989 besuchte Finkelgruen die 90-jährige Tante Bela. Diese vermag sich an ihre Begegnungen mit Peter zu erinnern. Sie erzählt von der 47 Jahre zurückliegenden Ermordung ihres Mannes und ihres Sohnes in der Kleinen Festung – und sie erinnert sich an die Ermordung seines Grossvaters. Peter Finkelgruen ist erschüttert: “Sie redet ununterbrochen, erwähnt Details, von denen ich nichts gewusst habe. Was sie mir zu sagen hat, macht mich stumm.“
Jugend in Israel (1951-1959)
Israel bleibt eine zentrale emotionale Orientierung für Finkelgruen. Hierhin kam er 1951 gemeinsam mit seiner Grossmutter Anna, hier lebten seine Tante Rachel (ehemals Dora) und sein Onkel Israel (ehemals Gerhard). Acht Jahre lebte Peter in Israel, lernte hebräisch – welches er auch heute noch fehlerfrei spricht. Immer wieder ist er dorthin zurück gekehrt.
Bereits auf der Schiffsreise wird dem Neunjährige – der immerhin bereits vier Sprachen spricht – seine eigene Fremdheit in dem jungen jüdischen Staat bewusst. Die hebräische Sprache, in der sich viele seiner Mitreisenden unterhalten, ist ihm unvertraut. Peter wohnte gemeinsam mit seiner Grossmutter für einige Monate im Kibbuz Kfar Hammakabi. Der Leiter der Schule gibt ihm vormittags Hebräischunterricht: „Nach dem Unterricht (...) wanderte ich allein im Kibbuz herum. Es gab so vieles, was für mich neu, unbekannt und unverständlich war, aber niemanden, der es mir erklärt hätte“ (Finkelgruen, 1997, S. 40).
Anna fühlte sich im Kibbuz nicht wohl. Nach wenigen Monaten, 1952, siedelten sie zu der winzigen Gemeinde Kfar Samir bei Haifa über. Seine Grossmutter Anna erbaut dort mit Hilfe eines älteren Arabers ein winziges Haus, in dem sie sieben Jahre lang wohnen. Der vor dem Haus gelegene Brunnen, aus dem er mit einem Seil und einem Eimer regelmässig Wasser holt, beeindruckte Peter sehr. Dort begegnete er häufig palästinensischen Ziegenhirten, die dort ihre Tiere stillten. Er erhielt von ihnen täglich eine Ration Ziegenmilch.
Nun erzählte ihm seine Grossmutter erstmals etwas über seine Familie, seine Herkunft. Peter bemühte sich, sich seiner geliebten Ersatzmutter anzupassen, ihr zu helfen. „Mehr als fünf Jahrzehnte hat es gedauert, bis mir langsam deutlich wurde, dass die Ängste meiner Kinder- und Jugendjahre nicht einfach verschwinden konnten. Sie sind immer noch da und bahnen sich erneut ihren Weg“ (Finkelgruen, 1997, S. 65).
Ein Jahr lang ging Peter in Haifa in eine Schule. Danach besuchte er eine schottische Schule und ein englisches Internat und legte an der Tabeetha School in Jaffa sein Abitur ab.
Ein Leben in Deutschland
Nach dem Abschluss der Schule war die Lebenssituation für Peter Finkelgruen schwierig: In Deutschland hatte er als Jude gegolten, in Israel war er hingegen wegen seiner christlichen Mutter und seines jüdischen Vaters kein „richtiger“ Jude. Eines jedoch wusste der 17-Jährige mit Gewissheit: Er wollte studieren. Dies war ihm im Israel der späten 1950er Jahre nicht möglich. Auch spürte er den Wunsch seiner Grossmutter, doch wieder in das ihm völlig unbekannte Deutschland zurück zu kehren – in das Land der Mörder.
Dass das Schicksal ihn nach Freiburg verschlug musste von Peter als ein reiner Zufall erlebt werden. Er kannte nur einige deutsche Städte vom Namen her. Mit einem israelischen Pass reisten die beiden nach Deutschland. Peter lebte in Freiburg zusammen mit seiner Grossmutter anfangs als Untermieter einer Frau Dr. Diel, die sich als Schriftstellerin vorstellte. Peter war seelisch mit der Bewältigung der alltäglichen Anforderungen des Lebens beschäftigt. Dennoch spürte er das Gefühl eines diffusen, sprachlosen Bedrohung. Kürzlich hat er die Gründe für seine Bedrohungsgefühle im Land der Täter so beschrieben: „Wer lange nach 1945 geboren und vielleicht in der Sowjetunion sozialisiert wurde, mag keine grossen Ängste beim Anblick deutscher Uniformen gehabt haben, als er in die Bundesrepublik kam. Ich hatte Herzklopfen und Ängste, als ich im Sommer 1959 nach Deutschland kam. Ich musste Techniken entwickeln, mich gegen diese Angst zu wappnen. Dazu gehörte, dass ich erst lernen musste, in welchem Land, in welcher Gesellschaft ich mich befand: Deutschland war das Land, das mich ausgestossen hatte, noch ehe ich überhaupt auf der Welt war. Deutschland hat mich nicht willkommen geheissen.
Keine deutsche Regierung, seit Gründung der Bundesrepublik, hat je die Juden, die vertrieben und jene, die überlebt haben, für willkommen erklärt“ (Finkelgruen, 2012).
Vieles machte dem Studenten in Deutschland Angst. Beim Stöbern in den Büchern seiner Vermieterin fällt ihm ein Buch in die Hände, welches diese über Mussolini verfasst hatte. Hierin findet er ein Geleitwort Görings. In einem anderen Buch findet er einen Stempel: „Dr. Louise Diel, Mitglied der Reichsschrifttumskammer“ (1997, S. 57). Der junge Student vermochte dies nicht einzuordnen. Er verspürte eine Beunruhigung.
Spätere Versuche seiner Grossmutter, eine finanzielle Entschädigung für ihre ermordeten Verwandten zu erhalten, verliefen im Sande. Und Peter Finkelgruen begegnete in den amtlichen deutschen Schreiben einer Sprache, einer Kälte, die seine Beziehung zu Deutschland erschütterte.
Einige berufliche Stationen seien genannt: Nach dem Studium in Freiburg und Köln arbeitete Finkelgruen seit 1963 als Rundfunkredakteur bei der Deutschen Welle. Von 1964 bis 1966 wirkt er als Leiter des Bonner Büros der Zeitschrift Jewish Observer and Middle East Review. 1966 kehrte er wieder als Redakteur zur Deutschen Welle zurück und arbeitete von 1981 – 1988 in Jerusalem als deren Israelkorrespondent sowie als Leiter der FDP-nahen Friedrich Naumann Stiftung. Dies war insofern bemerkenswert, weil er einige Jahre zuvor in Folge der sogenannten „Traube-Affäre“ aus der FDP ausgetreten war.
1984 kam es anlässlich des Staatsbesuches von Bundeskanzler Kohl in Jerusalem zu einem antisemitischen diplomatischen Eklat: Ein Diplomat der Deutschen Botschaft wollte ausgerechnet Finkelgruen als einzigen deutschen Journalisten von einem Empfang ausschliessen. Die übrigen Korrespondenten protestierten. Während der Diskussion kam die Frage auf, wieso denn Finkelgruen nachteilig behandelt werde. Aus dem Diplomaten platzte heraus: „Aber der ist doch Jude“.
Freie jüdische Stimme (1979 – 1980)
1979 beteiligte sich Finkelgruen an einem kurzlebigen publizistischen Projekt. Er tat sich mit dem jungen, sich seinerzeit als politisch „links“ verstehenden jüdischen Publizisten Henryk M. Broder zusammen. Gemeinsam gaben sie im Selbstverlag die Zeitschrift Freien Juedische Stimme heraus. Das Magazin existierte nur ein gutes Jahr, es erreichte zehn Ausgaben und betrug 8-12 Seiten.
1989 – 2000: Ein ungesühnter Mord und ein einsamer Kampf mit der deutschen Justiz.
1988, während seiner Rückreise nach Deutschland, liest er erstmals durch Zufall den Namen des Mörders seines Grossvaters: Anton Malloth. Ein Jahr später berichtete ihm Tante Bela die näheren Umstände von dessen Ermordung. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begann Finkelgruens langer, einsamer Kampf mit der deutschen Justiz. Es war eine Erinnerungsarbeit, die zehn Jahre seines Lebens in Anspruch nahmen. Er, das Enkelkind des Ermordeten, hatte erneut die Last zu tragen. Nicht die Mörder litten, nicht die Nachkommen der Mörder trugen zur Aufarbeitung der Verbrechen bei. 2002 konstatierte er im Rückblick auf den zehnjährigen Gerichtsprozess gegen den Mörder seines Grossvaters: „So blieb ich zehn Jahre lang gebunden an den mir inzwischen deutlich sichtbaren Unwillen der deutschen Justiz, Recht anzuwenden“ (Finkelgruen, 2002, S. 104).
1992 publizierte Finkelgruen die „Geschichte eines ungesühnten Mordes“ unter dem Titel Haus Deutschland als Buch. Hierin führt er aus: „Eigentlich hatte ich die Absicht, eine Erzählung über meine Eltern zu schreiben. Aber ich stiess auf einen Mord und auf einen Mörder. (...) Es war unmöglich, der Lebensgeschichte der Eltern nachzugehen, ohne diesen Mord zu schildern und die Tatsache, dass er zu den Akten gelegt worden war, obwohl Mord und Mörder bekannt sind“ (Finkelgruen, 1994, S. 9).
Minutiös wird die Geschichte der staatsanwaltschaftlichen Versuche geschildert, das im Sommer 1988 eingeleitete Verfahren gegen Malloth wegen Mordes wieder einzustellen. Vereinzelt fand Finkelgruen bei seinen Recherchen Unterstützung, vor allem bei Beate und Serge Klarsfeld, Simon Wiesenthal, Ralph Giordano und David Gall. Nach 13 Jahren, 2001, wurde Malloth vom Landgericht München wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. 1994 inszenierte der israelische Dramatiker Joshua Sobol Finkelgruens Kampf um die Verurteilung des Mörders in einem Theaterstück. Dieses wurde in Jerusalem in Anwesenheit Finkelgruens und zahlreicher Kinder, Enkel- und Urenkel auf hebräisch gezeigt. 1997 drehte der Filmemacher Dietrich Schubert einen autobiographischen Kinofilm über Finkelgruen, betitelt Unterwegs als sicherer Ort. In dieser einfühlsam gedrehten Dokumentation erleben wir Finkelgruen auf der familiären Spurensuche an den Orten seiner Kindheit.
Erlkönigs Reich. Die Geschichte einer Täuschung (1997)
Mitte der 1990er Jahre erlebte Finkelgruen eine erneute Erschütterung seiner jüdischen Identität. Bei seiner Spurensuche entdeckte er ein bestens gehütetes Geheimnis. In seinem zweiten Buch Erlkönigs Reich. Die Geschichte einer Täuschung (1997) hat er diese dramatische Wendung seines familiären Selbstverständnisses dokumentiert.
Er eröffnet sein Buch mit der Bemerkung: „Dies ist die Geschichte einer Täuschung. Einer Täuschung, die ihr Ende noch nicht gefunden hat“ (Finkelgruen, 1997, S. 9). Eine Täuschung, die ihn anfangs mit der Kraft einer rohen Gewalt packte: Seine Grossmutter, die Auschwitz-Überlebende, hatte ausser ihrer Tochter – seiner Mutter Esti - , noch einen weiteren Sohn gehabt. „Erst als erwachsener Mann erfuhr ich von seiner Existenz, erfuhr damit, dass meine Familie nicht nur aus Opfern, sondern auch aus Tätern bestand. Ein Wissen, das ich sofort verdrängen musste“ (Finkelgruen, 1997, S. 9). Der Sohn seiner Mutter war bei Kriegsende auf dem Marktplatz der Kleinstadt Kaaden erschossen worden. Da trug er eine schwarze SS-Uniform. Die Kapitelüberschriften seines Buches geben dessen Spannungsbogen wieder: Unterwegs als sicherer Ort; Spuren der Erinnerung; Das Ende der Gewissheit; der Verrat; Am Ende der Welt: Ein Anfang.
Ein Hungerstreik gegen die Berliner Entschädigungsbehörde (2009) Im Oktober 2009 war für Finkelgruen der Punkt erreicht, wo er nicht mehr konnte.
Am 30.10.2009 begann er einen Hungerstreik aus Protest gegen die Berliner Entschädigungsbehörde, da sie ihm immer wieder die Bezahlung gesundheitlicher Behandlungskosten verweigerte (vgl. Tribüne H. 192, S. 144). Zehn Jahre lang hatte er einen gerichtlichen Kampf gegen den Mörder seines Grossvaters geführt. Viele Jahre lang hatte er gerichtlich um eine Anerkennung seiner nachgewiesenen Verfolgungsschäden gestritten. Irgendwann akzeptierten die zuständigen deutschen Behörden diese widerwillig – um sie gleich danach mit bürokratischen Tricks wieder in Frage zu stellen. So verweigerte die Entschädigungsbehörde die Zahlung von Behandlungskosten mit der zynischen Begründung: „Es sei zu bedenken, dass der Antragsteller als Säugling im Getto Shanghai überhaupt noch nicht über eine derartige Bewusstseinslage verfügte, dass er überhaupt hätte neurotisch reagieren können.“ 2004 erlitt Finkelgruen einen Herzinfarkt.
In einem Brief an den Leiter der Entschädigungsbehörde betont der Autor, dass dessen Behörde durch seine jahrelange Verzögerungstaktik offenkundig bewusst das Ableben der nur noch wenigen Überlebenden in Kauf nehme. Am 30.10. begann der 67-jährige, trotz seines sehr labilen Gesundheitszustandes, ein unbefristetes Fasten. Unterstützung erfuhr er vor allem bei Schriftstellerkollegen, so von Günter Wallraff und Günter Kunert sowie dem P.E.N-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland, ehemals EXIL-P.E.N. Eine Woche später beendete er seinen Hungerstreik – die Berliner Entschädigungsbehörde hatte unter dem öffentlichen Druck eingelenkt. Sie sagte zu, ihre eigene Praxis der Verweigerung von rechtlich zugesicherten Entschädigungszahlungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Engagement – und ein autobiografisches Kinderbuch
In den letzten Jahren hat Finkelgruen sein literarisches Engagement verstärkt. Er engagiert sich beim P.E.N-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland (www.exilpen.net), dessen Vorstand er mehrere Jahre angehörte. 2007 veröffentlichten Gertrud Seehaus und Finkelgruen ihr autobiografisches Kinderbuch Opa und Oma hatten kein Fahrrad (vgl. Tribüne H. 187, S. 184). Die Finkelgruens blicken auf ihr Leben zurück. Sie schreiben in kindgemässer Weise über die traumatischen Erlebnisse, die Peter mit Glück überlebte. Sie geben ihr biografisches Erbe an die junge Generation weiter. 2011 schloss Finkelgruen einen noch unveröffentlichten Roman ab: Shanghai - Hotel Ozean.
Es gibt noch Erfreuliches nachzutragen: An seinem Geburtstag, dem 9. März, ab 15 Uhr, wird in einer öffentlichen Zeremonie vor seiner Kölner Wohnung auf dem Sülzgürtel ein Baum gepflanzt, in Erinnerung an seinen ermordeten Grossvater. Hierzu haben zahlreiche Kölner sowie internationale Organisationen eingeladen.
Zeitgleich ruft der deutsche Ableger des Jüdische Nationalfonds JNF-KKL zu einer Spendenaktion auf: In Nordisrael soll zu Ehren von Martin Finkelgrün und Peter Finkelgruen ein Hain gepflanzt (Stichwort: „Finkelgruen Hain“) werden. Ebenfalls an seinem Geburtstag veröffentlicht das deutsch-jüdische Internetmagazin haGalil (www.haGalil.com) einen umfangreichen Themenschwerpunkt zu Peter Finkelgruens Wirken. Ein Brückenschlag scheint gelungen - von Shanghai über Prag und Israel nach Köln.
Literatur
Finkelgruen, Peter (1992): Haus Deutschland. oder Die Geschichte eines ungesühnten Mordes. Hamburg (rowohlt).
Finkelgruen, P. (1997): Erlkönigs Reich. Die Geschichte einer Täuschung. Hamburg (Rowohlt).
Finkelgruen, P. (2002): Kleine Festung Theresienstadt. Oder wie man Geisel der Verhältnisse bleibt. Protokoll einer Scheidung. In: Behrens, K. (Hg.) (2002): Ich bin geblieben – warum? Juden in Deutschland – heute. Giessen (Psychosozial Verlag).
Finkelgruen, P./G. Seehaus (2007): Opa und Oma hatten kein Fahrrad. Norderstedt (Books on Demand).
Finkelgruen, P. (2011): Shanghai - Hotel Ozean, Roman (unveröffentlicht).
Finkelgruen, P. (2012): Israel - freiwillige Geisel?. In: Kaufhold, R. & B. Nitzschke (Hg.) (2012): Jüdische Identitäten. Nach dem Holocaust in Deutschland. In: Psychoanalyse - Texte zur Sozialforschung, Heft 1/2012. Schubert, Dietrich (1997): Unterwegs als sicherer Ort. Dokumentarfilm, Deutschland.