Von Anfang an ist das Projekt der Gründung eines jüdischen Staates in Palästina mit Gewalt verbunden. Denn die jüdische Landnahme unter dem Schutz der britischen Welt-, Kolonial- und Mandatsmacht musste den Widerstand der nie befragten einheimischen Araber hervorrufen. Dennoch ist das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 in seiner Menschenverachtung beispiellos. Etappen auf einem so kaum vorhersehbaren Weg in die Katastrophe.
Es gibt Sätze, die versteckt in Archiven lagern und die doch Weltgeschichte geschrieben haben. Ein solcher stammt von Theodor Herzl, dem in Europa hoch angesehenen Begründer des neuzeitlichen säkularen Zionismus. In einer Tagebuchnotiz von 1895 schreibt Herzl: «Die einheimische arme (arabische, Anm. d. Verf.) Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchgangsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem Land jederlei Arbeit verweigern.»
Ein Jahr später, 1896, veröffentlicht Theodor Herzl sein Buch «Der Judenstaat». Um dem grassierenden europäischen Antisemitismus zu entkommen, fordert Herzl die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina. (Journal21 vom 23.08.2023). Die Besiedlung Palästinas sollte die europäischen Juden vom Antisemitismus erlösen. Erreichen wird Herzl aber das Gegenteil: Europa exportiert sein Antisemitismusproblem nach Nahost und kreiert dort neuen Antisemitismus. Herzl stirbt 1904 im frühen Alter von 44 Jahren. Die Folgen seines Handelns konnte er nicht einmal annähernd abschätzen.
Was tun mit diesen Menschen?
Palästina gehörte damals zum Osmanischen Reich. Der Sultan war keineswegs bereit, ein Stück seines Landes abzugeben. Und: In Palästina wohnten Araber, meist muslimischen Glaubens. Was tun mit diesen Menschen? Vertreibung lautet die Handlungsanweisung, die Herzl in seiner Tagebuchnotiz andeutet.
Abermals deutlich drückt Herzl seine Absichten gegenüber Cecil Rhodes, dem Begründer der britischen Siedlerkolonie Rhodesien (heute Zimbabwe) aus. Herzl äussert sich gegenüber Rhodes ganz im Geiste des europäischen Kolonialismus und Imperialismus des 19. Jahrhunderts, wenn er in einem Brief an Rhodes sein Palästinaprojekt ein «koloniales» Unterfangen nennt.
22 Jahre später, am 2. November 1917, ein Jahr vor Ende des Ersten Weltkrieges, schreibt der britische Aussenminister Arthur Balfour einen Brief, der eigentlich an die «Zionistische Weltorganisation» gerichtet, aber an den jüdischen Bankier Rothschild adressiert ist. In dem Schreiben erklärt Balfour, «die Regierung Seiner Majestät» sehe die Errichtung einer «Heimstatt» für das jüdische Volk in Palästina mit Sympathie. Allerdings dürfe nichts unternommen werden, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der einheimischen, «nichtjüdischen» Bewohner beeinträchtigen könne.
Vorposten gegen die Barbarei
Diese Beschwichtigung war allerdings nur für die Öffentlichkeit gedacht. In einem Memorandum für die britische Regierung vom 11. August 1919 schreibt Balfour: «In Palästina denken wir nicht daran, die Wünsche der gegenwärtigen Bevölkerung zu konsultieren … Die vier Grossmächte sind dem Zionismus verpflichtet. Und der Zionismus ist – zu Recht oder zu Unrecht – … in jahrhundertealten Traditionen verwurzelt.»
Mit der politischen Verbeugung vor der Zionistischen Weltorganisation verfolgte Grossbritannien vor allem strategische Ziele. Im Krieg gegen das zerfallende Osmanische Reich hatten britische Truppen Be’ersheva am 31. Oktober 1917 erobert, am 7. November fiel Gaza, am 16. November Jaffa, am 9. Dezember Jerusalem. In dem sich abzeichnenden britischen Einflussgebiet in Nahost war ein westlicher Verbündeter hochwillkommen.
Wie hatte doch Theodor Herzl in seinem Buch «Der Judenstaat» geschrieben? «Für Europa wären wir dort (in Palästina, Anm. d. Verf.) ein Stück des Walles gegen Asien, wir würden den Vorposten der Kultur gegen die Barbarei besorgen.»
Zu unmündigen Menschen erklärt
Ganz ähnlich heisst es in dem Text, in welchem der auf der Friedenskonferenz von 1919 gegründete Völkerbund (Vorläufer der Uno) die Balfour-Erklärung verwirklichte. Dieser Völkerbund übertrug Grossbritannien und Frankreich das «Mandat» über Palästina, den heutigen Libanon, Syrien und den Irak. Begründung: Völker, die noch nicht imstande seien, sich selbst zu leiten, müssten an die Hand genommen werden, um sich besser zu entwickeln. Der beste Weg zu diesem Ziel, heisst es in Artikel 22 der Völkerbundsatzung, «ist die Übertragung der Vormundschaft über diese Völker an die fortgeschrittenen Nationen».
Um die geopolitischen Interessen besonders Grossbritanniens und Frankreichs zu kaschieren, wurden die Araber, die in den Mandatsgebieten wohnten, zu unmündigen Menschen erklärt. Diese allerdings wehrten sich – besonders die Araber Palästinas. Im «Grossen Arabischen Aufstand» von 1936 bis 1939 gegen die einwandernden Juden und die Mandatsmacht England fielen 5000 Araber; 463 Juden wurden getötet (Journal21 vom 13.11.2023)
«Juden sind willkommen»
Jedoch: Es hätte vielleicht friedlicher kommen können. Die Konflikte, die bis heute andauern, wären in dieser mörderischen Härte möglicherweise zu vermeiden gewesen.
Denn am 3. Januar 1919 hatten Chaim Weizmann (später Präsident des Zionistischen Weltkongresses und 1949 erster Präsident Israels) und Emir Faisal, Sohn des Sherifen Hussein, spiritueller und weltlicher Herrscher von Mekka, ein Abkommen geschlossen. Faisal forderte die Einlösung eines Versprechens, das die Alliierten im Weltkrieg gegeben hatten. Sie hatten den Arabern als Gegenleistung für ihren Kriegseintritt gegen das Osmanische Reich ein einiges Königreich versprochen. Sofern, argumentierte Faisal gegenüber Weizmann, die Alliierten dieses Versprechen einhielten, werde er als König der vereinten Araber den aus Europa einwandernden Juden, den Zionisten also, Land in Palästina zur Verfügung stellen, mithin die von Arthur Balfour versprochene jüdische «Heimstatt» verwirklichen. Arabische Zeitungen schrieben bereits, Juden seien willkommen.
Die britische Historikerin Barbara Tuchman scheibt in ihrem Buch «Bible and Sword – How the British Came to Palestine», Weizmann habe Faisal in dessen Wüstenhauptquartier in Amman aufgesucht und dort unter den Sternen «wurde die Basis für ein gemeinsames Übereinkommen gelegt». Es gibt sogar ein Bild, auf dem sich der Jude Weizmann neben dem Araber und Muslim Faisal stehend als Zeichen der Verbrüderung die traditionelle Kleidung der Araber übergeworfen hat.
Zionistischer Revisionismus
Allein – es kam anders. Die Gründung eines grossen, vereinten arabischen Reiches widersprach den Machtinteressen der westlichen Mächte. Diese zogen es vor, viele kleinere arabische Staaten zu gründen und diese zu überwachen. Ein neuer geopolitischer Konkurrent, wie es einst das Osmanische Reich gewesen war, kam für die westlichen Mächte nicht in Frage.
Die Konsequenzen erweisen sich bis heute als verheerend, denn die damals beginnende Spirale der Gewalt erreicht bis heute stets neue Höhen.
Zunächst einmal gewannen die radikalen Kräfte unter den Zionisten die Oberhand. Chaim Weizmann und seine Anhänger glaubten, die Araber sozusagen durch freundliche Worte besänftigen zu können. Diese Haltung fand in Wladimir Jabotinsky, einem aus Odessa nach Palästina eingewanderten Zionisten, einen heftigen Gegner. Er wollte die seiner Meinung nach zu friedliche Haltung Weizmanns «revidieren», gilt demnach als Begründer des zionistischen Revisionismus.
Revisionisten wurden zu Terroristen
In seinem Aufsatz «Die Eiserne Mauer» aus dem Jahre 1923 schreibt er: «Das einzige Mittel, mit ihnen (den Arabern, Anm. d. Verf.) zu einem Übereinkommen zu gelangen, ist durch eine eiserne Mauer, d. h. durch die Errichtung einer Macht in Palästina, welche in keiner Weise durch arabischen Druck beeinflusst wird.»
Die Revisionisten wurden zu Terroristen. 1946 attackierte ein bewaffnetes jüdisches Kommando unter Menachem Begin (später israelischer Ministerpräsident) das King David Hotel in Jerusalem, den Sitz der britischen Mandatsverwaltung. Etwa 90 Menschen (manche Quellen gehen von mehr aus) starben, darunter einige britische Juden.
1948 drangen zionistische Terroristen der jüdisch-nationalistischen Terrorgruppe «Irgun Zwai Leumi» in das arabische Dorf Deir Jassin bei Jerusalem ein und ermordeten etwa 200 Palästinenser. Die Botschaft: Wer sich den jüdischen Siedlungsbestrebungen widersetzt, dem ergeht es so wie den Bewohnern von Deir Jassin.
700’000 Palästinenser vertrieben
Für die Palästinenser ist die Gründung Israels im Mai 1948 die «Nakba», die grosse nationale Katastrophe. Etwa 700’000 Palästinenser wurden vertrieben, über 500 palästinensische Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Auf den Territorien vieler von ihnen blühen heute schöne Parks, sie sollen die Vertreibung der Palästinenser vergessen machen.
Manche Wissenschaftler folgern aus diesen Ereignissen und aus der Vorgeschichte, Israel sei eine «koloniale Gründung». Wer so spricht, hat Argumente auf seiner Seite. Auf keinen Fall aber ist eine solche Beurteilung mit Antisemitismus gleichzusetzen.
Zudem muss man in Rechnung stellen, dass der zukünftige Staat Israel Zufluchtsort von Juden wurde, die vor dem Holocaust flüchteten. Auf der Wannseekonferenz vom Januar 1942 hatten die Nazis die Vernichtung der europäischen Juden beschlossen. Im Mai 1942 trafen sich unter der Leitung von Ben Gurion im New Yorker Biltmore Hotel Vertreter der Zionisten.
Ermordnung Graf Bernadottes
Angesichts des Massenmordes an den europäischen Juden forderten die Delegierten eine verstärkte Einwanderung von Juden nach Palästina. Die Delegierten lobten die Erfolge der bisherigen jüdischen «Kolonisation» in Palästina. Diese Erfolge kämen auch den Arabern zugute. In durchaus patriarchalischem, überlegenheitsgeprägtem, dem Text des Völkerbundmandats von den unmündigen Völkern ähnelndem Ton formulierten die Delegierten: «An den so geschaffenen neuen Werten», heisst es in dem Text, «haben auch die arabischen Nachbarn ihren Anteil. Angesichts ihrer eigenen Anstrengung nach nationaler Erlösung heisst das jüdische Volk die ökonomische, landwirtschaftliche und nationale Entwicklung der arabischen Menschen und Staaten willkommen.» In dem Text heisst es weiter, die Delegierten drückten «die Bereitschaft und den Wunsch des jüdischen Volkes nach voller Kooperation mit seinen arabischen Nachbarn» aus.
Es kam wieder einmal anders. 1948 ermordeten jüdische Extremisten den von der Uno eingesetzten schwedischen Vermittler Graf Folke Bernadotte. Weil sich Bernadotte nach der Staatsgründung 1948 für die Rechte der Palästinenser eingesetzt hatte, wurde er am 17. September 1948 von der jüdischen Terrorgruppe «Stern» erschossen. «Stockholm gehört euch, Jerusalem ist unser» lautete der Schlachtruf der jüdischen Terroristen. (Journal vom 11.09.2018)
Der jüdische Staat war geschaffen – die Gewalt aber hörte nicht auf. Immer wieder drangen Palästinenser aus der Westbank (die damals zu Jordanien gehörte) nach Israel ein und töteten Einwohner des neuen Staates. 1951 wurden 137 Israeli, meistens Zivilisten, von palästinensischen Eindringlingen ermordet. Im folgenden Jahr lag die Opferzahl bei 162. 1953 wurden 160 Israeli getötet.
Heimlich der Hamas angeschlossen
Am 12. Oktober 1953 wurden bei einem Überfall von Jordanien aus eine unbewaffnete jüdische Mutter und ihre zwei Kinder in der israelischen Stadt Jehud im Schlaf ermordet.
Israels Antwort war verheerend. Unter Befehl von Ariel Scharon drangen israelische Truppen in den palästinensischen Ort Qibya ein und zerstörten 45 Häuser, eine Schule und eine Moschee. Dabei kamen 69 Palästinenser, darunter 42 Dorfbewohner, ums Leben. Die USA waren entsetzt, der Weltsicherheitsrat verurteilte die Aktion.
Das Massaker hat sich tief in das Gedächtnis der Menschen von Qibya eingegraben. Im Jahr 1998 besuchte der Autor dieser Zeilen Qibya. Immer wieder erzählte man von Suleyman Mustafa Hassan, den die Dorfbewohner respektvoll Scheich Suleyman nannten. Das Massaker habe seine Vorstellungswelt geprägt, erzählte seine Mutter. Auf Dorffesten sei das Pogrom nachgestellt worden. Suleyman habe einen Israeli gespielt, der Palästinenser tötet. Heimlich habe sich Suleyman der Hamas angeschlossen. Und heimlich habe er eines Tages einen Peugeot 505 Kombi mit einer Ladung Sprengstoff vor die israelische Siedlung Beit El bei Ramallah gesteuert. Er habe möglichst viele Israeli töten und sich selber dabei in die Luft sprengen wollen. Das Unternehmen schlug fehl. «Nur» ein Israeli starb, sechs andere wurden verletzt, Suleymans Leben endete unter den Kugeln israelischer Soldaten.
Kaum ein Mensch wird als Terrorist geboren
Besatzung ist Gewalt. Gewalt erzeugt Gegengewalt, wie das Beispiel von Suleyman zeigt. Die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konfliktes hat zahleiche Beispiele für diese Spirale von Katastrophe zu Katastrophe. Im Mai 2002 besuchte der Autor dieser Zeilen zusammen mit der Kollegin Astrid Frefel vom Tages-Anzeiger das palästinensische Flüchtlingslager Dschabalia in Nordgaza. Heute liegt es im Bombenhagel der israelischen Luftwaffe. Aus Nordgaza, auch aus Dschabalia, kamen jene Hamas-Terroristen, die in einem Massaker bis dahin ungeahnten Ausmasses 1200 Israeli, darunter Frauen, Kinder, Babies ermordeten, über 200 Geiseln nahmen, Frauen vergewaltigten.
Eine Entschuldigung dafür gibt es nicht. Dennoch: Kaum ein Mensch wird als Terrorist geboren. Wie aber wird ein Mensch zu einem solchen zynischen Massenmörder? Beim Betreten des Lagers wurden wir sofort von aggressiven Jugendlichen umringt. Für sie kamen wir aus einer Welt, die für sie niemals erreichbar war. Ein Palästinenser, ein Lehrer, wie er von sich sagte, kam uns zu Hilfe. «Ich muss mich für diese jungen Leute entschuldigen», bedeutete er uns. Schliesslich, am Ende des Spiessrutenlaufes durch die Menge verzweifelter junger Leute trafen wir Abu Rokba. Ein Leben lang hat der Alte im Camp verbracht. Als er die Fremden sah, brach es aus ihm heraus: «Was für ein Leben ist das.» 1948 wurde Abus Rokba aus dem heutigen Israel nach Gaza vertrieben. Man lebe hier, sagt er später, wie die Tiere. Aber, sagt er, «was wir am wenigsten brauchen, ist Krieg».
Später erfuhren wir, was nachts im Flüchtlingscamp Dschabalia passiert. Israelische Soldaten kämen, um nach «Terroristen» zu suchen, erklärte man uns. Hamas-Kämpfer legten zuvor Minen, um die Israeli in Schach zu halten. Alltag im Flüchtlingslager.
Einreise verweigert
Nun, mehr als zwei Jahrzehnte später, herrscht wieder einmal Krieg. Verheerender und zerstörerischer als alle Gazakriege zuvor.
Den Vereinten Nationen war diese brisante, für Palästinenser unerträgliche Lage stets bewusst. Sie ernannten einen Sonderbeauftragten für die palästinensischen Gebiete. Am 19. Dezember 2008 kam Richard A. Falk, Jude, Juraprofessor an der Princeton Universität, Sonderberichterstatter der Uno für die palästinensischen Gebiete, mit gültigem Visum am Flughafen Ben Gurion an. Er habe (nachzulesen auf Wikipedia) eine Mission geleitet, welche Israels Befolgung von Menschenrechtsstandards überprüfen sollte.
Allein, Falk wurde die Einreise verweigert. Und dann: «Ich wurde aufgefordert, alle meine Koffer und mein Mobiltelephon in ein Zimmer zu legen, dann wurde ich in einen kleinen Raum, der nach Urin und Filz stank eingesperrt.» 15 Stunden habe er, schreibt Professor Falk, so zubringen müssen. Sein Aufenthalt sei ein «Lehrstück über die Misere eines Gefängnislebens» gewesen.
Vor allem war Falks Sistierung eine israelische Provokation gegenüber der Uno. Die Vereinten Nationen hatten schliesslich 1947 den jüdischen Staat ins Leben gerufen – und in ihrem viel zitierten Teilungsplan den Juden 55,5% des Territoriums gegeben, obwohl diese den Palästinensern zahlenmässig unterlegen waren und nur etwa sieben Prozent des Landes besassen. Israels Ziel mit dieser Aktion: Niemand, auch die Uno nicht, schon gar nicht ein Jude wie Professor Falk, solle untersuchen, welche Auswirkung die Besatzung auf die einheimischen Palästinenser hat.
Katastrophe für Israeli und Palästrinenser zugleich
Was wird aus jungen Menschen wie denen aus Dschabalia, die ausschliesslich ein Leben voller Verzweiflung und Gewalt kennen und denen die Fürsorge der Vereinten Nationen verweigert wird? Radikalisierung ist eine eher milde Beschreibung der Entwicklung unter solchen Lebensbedingungen.
Und nun das das Pogrom der Hamas vom 7. Oktober 2023. Die Katastrophe schlechthin – für Israeli und Palästinenser zugleich: Die israelische Armee abwesend; manche Einheiten dabei, im Westjordanland aggressive israelische Siedler zu schützen; Warnungen vor einem Hamasüberfall wurden von höchster Stelle ignoriert; der israelische Gegenschlag verheerend; die Universität von Gaza zerstört; Bauten, heute Moscheen, die auf byzantinische Zeiten zurückgehen, dem Erdboden gleichgemacht; Friedhöfe von israelischen Panzern eingeebnet, ein Angriff auf die palästinensische Kultur: So sieht es jedenfalls Nesrine Malik in ihrer Kolumne im britischen «Guardian» vom 18.12.2023.
«Netanjahu sollte im Gefängnis sitzen»
Was sagt ein Berufener, etwa der britisch-israelische Friedensaktivist Gershon Baskin? Baskin hat jahrelang mit Vertretern der Hamas und der Israeli über die Freilassung des von der Hamas gefangen gehaltenen Soldaten Gilad Shalit verhandelt. In einem Interview mit der Internetplattform «Zenith» vom Dezember 2023 beklagt Baskin die Untätigkeit von Amerikanern und Europäern, welche die Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel jahrzehntelang geduldet hätten. Hier liege eine Ursache der Katastrophe. Über Premierminister Benjamin Netanjahu sagt Gershon Baskin: «Netanjahu sollte im Gefängnis sitzen – verurteilt wegen Korruption und Betrug – und weil er uns dahin geführt hat, wo wir heute stehen. Aber lassen Sie mich», sagt er abschliessend, «Folgendes hinzufügen: Die gesamte internationale Gemeinschaft trägt die Verantwortung für das, was geschehen ist.»
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Quellen:
Theodor Herzl: Der Judenstaat. 1896
Theodor Herzl: Briefe und Tagebücher, Band 2, S. 332 ff.
Theodor Herzl: Zionistisches Tagebuch, S. 367 f.
Barbara Tuchman: Bible and Sword. How the British Came to Palestine. 1956
Palestine Documents. The Institute of Islamic and Arab Studies. Neu Delhi 1993
Petra Wild: Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina, 2013
Reportage über Qibya: Süddeutsche Zeitung vom 13.05.1998
Reportage über Dchabalia: Süddeutsche Zeitung vom 14.05.2002