Das Wort ist so gebräuchlich, dass es 2013 im Duden Aufnahme gefunden hat. Erklärt wird es dort mit der possierlichen Umschreibung «Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äusserungen einhergeht».
Laut Wikipedia taucht der Ausdruck in der englischsprachigen Literatur erstmals 1940 auf und meint «eine gefährliche, unkontrollierbare Situation». 2011 war «Shitstorm» in Deutschland «Anglizismus des Jahres, 2012 in der Schweiz «Wort des Jahres» – inzwischen mit dem klaren Bezug zu den Sozialen Medien.
Wie ein Shitstorm funktioniert, hat dieser Tage der Fall der Influencerin Mirjam «Mimi» Jäger lehrbuchmässig aufgezeigt. Als Frau Jäger am vergangenen Samstag samt Partner mit dem Auto in der Stadt Zürich unterwegs war, blieb sie wegen BLM, der «Black Lives Matter»-Demo, im Stau stecken. Ihrem Ärger machte sie auf Instagram Luft mit dem Statement: «Ihr habt unsere Pläne ziemlich durcheinandergebracht, liebe Demonstranten. Jetzt habt Ihr dann langsam genug demonstriert.»
Sie hätte wissen müssen, wie unvorsichtig das war. Als Werbebotschafterin von Unternehmen wie Mobiliar, Philips und Die Post war sie exponiert – und ihre Auftraggeberinnen waren es gleich mit. Tatsächlich liessen die Schmähungen erboster BLM-Leute nicht auf sich warten. Mimi wurde in einer Flut wütender Posts als Rassistin niedergemacht. Ihr Image als Werbeträgerin – und damit ihre Geschäftsgrundlage – ist gründlich ramponiert.
Selbstverständlich ging der Sturm auch auf die auftraggebenden Firmen nieder. Dort beeilte man sich, zu Mimi auf Distanz zu gehen und sich bei den protestierenden BLM-Supportern kniefällig zu entschuldigen. Die Furcht, etwas von den eilfertig erhobenen Rassismusvorwürfen abzubekommen und bei der hochsensiblen Instagram-Generation in ein schiefes Licht zu geraten, scheint bei den involvierten Unternehmen jeden anderen Gedanken blockiert zu haben. Die Firmen zögerten denn auch nicht, ihre Geschäftsbeziehungen zur angeprangerten Influencerin pflichtschuldigst zu kappen.
Das Instrument Shitstorm ist für manche Aktivistinnen und Aktivisten nicht nur bei BLM zu einer mächtigen Waffe geworden. Abschreckend wirkt sie allein schon als stets lauernde Möglichkeit. Bereits das Wissen darum, dass bei bestimmten Themen unliebsame Äusserungen sogleich mittels Internetpranger abgestraft werden, sorgt für Zurückhaltung und Vorsicht.
Das Problematische an diesem Kommunikationsphänomen ist seine Unkontrollierbarkeit. Ob eine Anschuldigung begründet sei, interessiert im einmal losgelassenen Internet-Mob niemanden. Es genügt das Stichwort – hier Rassismus, ein anderes Mal Sexismus, Homophobie oder Anti-Islamismus. Der Shitstorm ist Ermittlung, Anklage, Verfahren, Urteil und Vollstreckung in einem. Und niemand trägt irgendwelche Verantwortung.
Interessant an der Verwendung des Wortes ist der Umstand, dass die Urheberinnen und Mitläufer solcher Abschlachtungen jeweils mit einem gewissen Stolz davon sprechen, ihre Opfer mit einem Shitstorm zu überziehen. Das bedeutet, dass sie recht gut wissen, was sie tun. Das Wort ist ja anschaulich genug. Doch eines ist ihnen vielleicht nicht klar: Wer mit Scheisse wirft, macht sich die Hände schmutzig.