Im Sport würde man das Pressing nennen. Wohl noch nie hat Bundesbern einen solch konzentrierten Angriff einer Branchenlobby erlebt. Umso wahrscheinlicher es wird, dass morgen der Nationalrat Nein zum «Ermächtigungsgesetz für Banken» sagt, umso unverhüllter wird alles mobilisiert, um die Volksvertreter noch umzustimmen.
Einflüsterer und Mietmeinungen
In höchster Not hat die Schweizerische Bankiervereinigung die vor den Parlamentariern antrabenden Bankvertreter auf Linie gebracht. Nicht zuletzt mit dem neckischen Argument, dass jede Bank, die sich gegen die Kapitulationsurkunde ausspricht, damit möglicherweise auf dem Radarschirm der Supermacht USA auftauchen könnte. Und dass die keine Gefangenen machen und sich nicht an rechtsstaatliche Gepflogenheiten halten, sondern reine Erpressung anwenden, ist bekannt.
Bankenbüttel Prof. Kunz macht Überstunden und trompetet auf allen Kanälen, dass alle Alternativen zum Kniefall und der Annahme des Gesetzes des Teufels seien. Als «unabhängiger Wissenschaftler» natürlich, dabei hat er ein Parteiengutachten für das Finanzdepartement verfasst. Der Präsident der Schweizer Nationalbank Thomas Jordan behauptet, dass die SNB nicht den logischen Schutzschirm Dollar-Clearing aufspannen werde, «das wollen wir nicht, das dürfen wir nicht, das werden wir nicht tun». Unglaublich, wie sich der Vertreter der eigentlich unabhängigen SNB in eine politische Debatte einmischt. Mark Branson, Ex-UBS-Kader und möglicherweise vom Libor-Skandal berührt, behauptet in seiner Funktion als Finma-Zuständiger für Grossbanken, dass eine Aufspaltung von Kantonalbanken im Fall einer Anklage durch die USA nicht möglich sei. Ungeheuerlich, was sich da ein Staatsbeamter erlaubt.
Vor und hinter den Kulissen
Heerscharen von PR-Fuzzis, Spin Doctors, Beeinflussern und Apokalyptikern bearbeiten, bereden, massieren die Nationalräte und bombardieren sie mit E-Mails. Sie bieten Guetzli und Versprechungen, wie wäre es mit einem kleineren oder grösseren Beratungsmandat, muss ja nicht immer so in die Hose gehen wie beim BDP-Präsidenten. Auch der frühere Nationalbankdirektor Niklaus Blattner taucht aus der Versenkung auf und wirbt für eine Annahme des Deals, «es ist die beste Lösung», behauptet er im «SonntagsBlick».
Überhaupt die Sonntagspresse. Eine grössere Breitseite, zwei Tage vor der Abstimmung, hat man noch nie gesehen. Die «Schweiz am Sonntag» raunt, dass ihr ein «Insider» verraten habe, dass die USA eine «Todesliste» von fünf Banken haben, die bei Ablehnung sofort angeklagt würden. In der «Ostschweiz am Sonntag» darf sich «Wirtschaftsjurist» Prof. Kunz austoben. Und die «NZZamSonntag» beruhigt, dass die USA keinesfalls willkürlich hohe Bussen verhängen würden, sondern streng nach Vorschrift und völlig rechtsstaatlich Tabellen zum Einsatz brächten. Wer wie ich ein freches Widerwort wagen wollte, wird im letzten Moment mit einem längst vereinbarten Kommentar rausgekübelt. Mit der kühnen Begründung, dass ja nun wirklich alles zum Thema gesagt sei. Obwohl die gesamte Sonntagspresse kein anderes Thema kennt.
Steigerungsfähig
Was lassen sich die Banker noch einfallen, um heute Montag richtig Gas zu geben? Vielleicht blubbert ein Darth Vader durch die Wandelhalle des Nationalrats und warnt mit tiefer Stimme vor der dunklen Seite der Macht der USA, falls das Gesetz abgelehnt würde. Vielleicht lässt man einen Ballon in Form des Star-Wars-Todessterns über der Bundeshauskuppel steigen. Vielleicht schwärmen Lobbyisten mit Aktenköfferchen aus, prallvoll mit Dollarscheinen. Sicherlich wird allen Bankräten von Kantonalbanken nochmal kräftig eingeheizt. Die bekamen im Parteienschacher diese Pfründe zugeteilt, hätten aber niemals gedacht, dass sie vielleicht für üppige Entschädigungen, Sitzungsgelder und Spesen auch mal Verantwortung übernehmen müssten.
Am liebsten wird natürlich die gute alte Waffe Verwirrung angewendet. Gibt es nun einen Plan B bei Ablehnung oder nicht? Bedeutet Ablehnung den Weltuntergang für den Finanzplatz oder werden im schlimmsten Fall einfach ein paar Banken angeklagt? Haben Koryphäen wie Prof. Schweizer und Prof. Janssen unrecht, wenn sie das Gesetz als «unhaltbar» bezeichnen, so der Verfassungsrechtler Schweizer, oder naheliegende Alternativstrategien aufzeigen, wie Prof. Janssen? Kann man die FDP noch zum Kippen bringen, zusammen mit der SP, die ja schon im Ständerat dem Gesetz zur nötigen Mehrheit verhalf? Bange Fragen, in der Chefetage der Credit Suisse wird an den Fingernägeln geknabbert.
Verdribbelt
Und dann noch die parteitaktischen Schlaumeiereien. Für ein Mal hat sich der grosse Stratege, SP-Präsident Levrat, ins Abseits taktiert. Er meinte, machen wir es doch wie bei der Lex UBS. Zuerst ein kräftiges Nein, während SVP und FDP zähneknirschend dafür sind, und dann lassen wir uns ein Ja durch kräftige Gegenleistungen abringen. Aber die SVP rückt nicht von ihrem Nein ab, und zum grossen Frust der SP die FDP auch nicht. Dumm gelaufen für die SP.
Nichts ist unmöglich, dieser schöne Spruch aus der Autowerbung gilt auch im Nationalrat. Allerdings: Die Bankenlobby hat, wie bis heute im Geschäftsmodell Schweizer Grossbanken üblich, jedes Mass verloren. Das weckt, hoffentlich, den Widerstandsgeist von noch Unentschiedenen, die zwar den Überblick verloren haben, aber mit gesundem Menschenverstand sich sagen: Also als verantwortlicher Volksvertreter entscheide immer noch ich. Dann reicht’s locker für ein Nein. Und versprochen, auch am Mittwoch wird wieder die Sonne aufgehen. Über einer rechtsstaatlich gefestigten Schweiz.