Édouard Philippe hatte den Job gemacht, drei Jahre lang und das nicht so schlecht, seriös und zuverlässig. Seit Beginn der Coronakrise waren seine Beliebtheitswerte sogar eher gestiegen und lagen deutlich über denen von Präsident Macron. Nun aber musste er seinen Hut nehmen. Beziehungsweise – wie es im geschliffenen Vokabular der 5. französischen Republik bei solchen Anlässen dann immer offiziel heisst –: er hat seinen Rücktritt eingereicht und der Präsident der Republik hat ihn akzeptiert.
Sachliche, inhaltliche Gründe für diesen erzwungenen Rücktritt von Édouard Philippe sucht man vergeblich.
Kommunalwahlergebnis
Natürlich war da die heftige Ohrfeige der Kommunalwahlen, bei denen Macrons Partei «La République en Marche» es letztendlich in keiner einzigen Stadt mit über 100’000 Einwohnern geschafft hat, einen Bürgermeistersessel zu erobern – nicht mal in den Städten wie Strassburg oder Bordeaux, wo man sich für die Stichwahl sogar mit den konservativen Republikanern verbündet hatte und trotzdem hinter den Grünen landete. Ganz zu schweigen von Lyon und Paris, wo die Kandidaten des Präsidenten gerade mal 17 bzw 13% erzielt hatten. Dieses Wahlergebnis war die perfekte Demonstration der Unfähigkeit von Macrons Partei, sich nach drei Jahren Präsidentschaft auch lokal zu verankern.
Doch Édouard Philippe, der nicht mal Mitglied der Präsidentenpartei ist, kann man für dieses undiskutable Wahlergebnis wahrlich nicht verantwortlich machen.
Symbol wofür?
Die Auswechslung eines Premierministers im merkwürdigen System der 5. französischen Republik mit seinen zwei Köpfen an der Spitze des Staates hat im Allgemeinen überwiegend symbolischen Charakter, soll etwas von Neuanfang und neuem Schwung suggerieren oder aber eine Neuausrichtung der Politik verkörpern.
Doch die Ernennung des 55-jährigen Spitzenbeamten Jean Castex, der in jüngster Zeit mit der Koordinierung der Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2024 befasst war und dann federführend die schrittweise Lockerung der Anticoronamassnahmen gemanagt hat, symbolisiert nichts von all dem.
Wenn sie ein Symbol ist, dann das für die absolute Allmacht des Staatspräsidenten. Einen weitgehend unbekannten Technokraten aus der höchsten Beamtensphäre und keinen gestandenen Politiker mit einer gewissen Hausmacht in einer Partei ins Hôtel Matignon zu berufen, signalisiert ganz klar: Präsident Macron übernimmt für die letzten zwei Jahre seiner Amtszeit und mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2022 sämtliche, aber wirklich sämtliche Schalthebel der Macht. Eine Art 2. Version von Jupiter.
«Emmanuel Macron hat Emmanuel Macron nach Matignon berufen», so ein bissiger Kommentar am Tag danach.
Brav verwalten
Jean Castex, ein traditioneller Konservativer, der früher Kabinettschef in meheren Ministerien war und unter Präsident Sarkozy auch im Élysée gewirkt hatte, wird tun, was er kann, nämlich möglichst brav verwalten und mehr nicht. Und er wird Macron nicht in die Quere kommen. Eine Wende aber, die eine stärker ökologisch orientierte Politik oder mehr Dezentralisierung beihalten könnte, sieht anders aus.
Und man darf jetzt schon prohezeien, dass Präsident Macron bei einer seiner weiteren Fersehansprachen in den kommenden Tagen vor dem Nationalfeiertag am 14. Juli die allergrösste Mühe haben wird, den Franzosen den Sinn dieser Regierungsumbildung und die Ernennung dieses Premierministers plausibel zu machen.
Jean Castex als Regierungschef bis 2022 signalisiert auf jeden Fall auch, dass nach drei Jahren Schluss ist mit der Devise Macrons, wonach seine Bewegung sowohl links als auch rechts sei. Der Macronismus ist endgültig rechts von der Mitte angekommen.