Am Donnerstag wird Jimmy Carter in Washington beigesetzt. Unsere Autorin begegnete dem früheren US-Präsidenten zweimal, 2003 bei der Lancierung der Genfer Initiative, 2008 an einer Pressekonferenz in Jerusalem. Rück- und Ausblick einer früheren Nahostkorrespondentin.
Noch im alten Jahr ist der frühere US-Präsident Jimmy Carter 100-jährig gestorben. Unvergesslich das Bild vom 26. März 1979: Ein strahlender Carter als Mittler zwischen Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat und Israels Ministerpräsident Menachem Begin, die drei haben ihre Hände ineinander verwoben wie Kinder.
Der erste Friedensvertrag zwischen Israel und einem arabischen Staat war nach zweijährigem Ringen um Details zustande gekommen. In Camp David standen sich zuvor erbitterte Feinde gegenüber, in die Verhandlungen hatte sich Carter phasenweise persönlich eingemischt, er hatte gedroht, geschmeichelt und gelockt. Der Hardliner Begin willigte am Ende ein, die im Sechstagekrieg eroberte Sinai-Halbinsel an Ägypten zurückzugeben, zähneknirschend schluckte er das Versprechen, der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland und im Gazastreifen zunächst eine zeitlich beschränkte Autonomie und schliesslich ein vages Recht auf Selbstbestimmung einzuräumen. «In Camp David gründeten wir den palästinensischen Staat», jubelten die zuversichtlichsten unter Begins Beratern.
Ägyptisch-israelischer Friedensvertrag immer noch intakt
Der ägyptisch-israelische Friedensvertrag hält nach wie vor, die palästinensische Frage bleibt ungelöst. An Carter liegt es nicht. Solange er bei Kräften war, verwendete er sich für die Schwachen und Unterdrückten, auch für jene in Palästina. Für seinen unentwegten Einsatz für Menschenrechte, sozialen Ausgleich und Demokratie erhielt er 2002 den Friedensnobelpreis. Die Genfer Initiative, ein zivilgesellschaftliches Projekt, das die Schweiz mitfinanzierte, rühmte er 2003 als vielleicht letzte Chance für einen umfassenden und dauerhaften Frieden in Nahost.
In westlichen Hauptstädten herrscht oft betretenes Schweigen über die rapide Zunahme jüdischer Siedlungen jenseits der Grünen Linie, Carter prangerte diese Siedlungen stets als klaren Verstoss gegen das Völkerrecht an, als Hindernis auch für die vielgepriesene Zwei-Staatenlösung. Im Buch «Palästina: Frieden, nicht Apartheid» warf er Israel 2006 vor, in vier Jahrzehnten der Besatzung in den Palästinensergebieten Verhältnisse geschaffen zu haben, die jenen im Südafrika der Rassentrennung ähnelten.
Carter sprach auch mit Hamas-Führern
Als US-Präsident hatte er sich auf Begin eingelassen, die mentale Verfassung des einstigen Kommandanten der zionistischen Terrororganisation Irgun interessierte ihn. Warum sollte er sich als Elder Statesman nicht auch mit den politischen Vertretern der Hamas unterhalten, jener palästinensischen Bewegung, die 2006 in demokratischen Wahlen obenauf geschwungen hatte? Während einer neuntägigen Nahostreise 2008 traf Carter alle, die ihn treffen wollten. Am meisten Zeit aber verbrachte er mit Khaled Mashal, dem damaligen Hamas-Chef im syrischen Exil, mit Ismail Haniya, dem de-facto-Premier in Gaza, und deren Entourage.
Rund sieben Stunden habe er mit den Islamisten verbracht, sich ihre Darstellung der Geschichte angehört und ihre Kompromissbereitschaft ausgelotet, bilanzierte er danach vor der Presse in Jerusalem. Dass ihn die israelische Regierung deswegen schneide, kümmere ihn wenig, sagte der Friedensnobelpreisträger. «Das Problem ist nur, dass Israel und die Vereinigten Staaten jemanden nicht in die Konfliktlösung einbeziehen wollen, der einbezogen werden muss.»
Trump und Carter
Und heute? Innerhalb der Hamas hat der militante Flügel obsiegt, der den grauenvollen Angriff vom 7. Oktober 2023 plante. Als Reaktion darauf haben israelische Kampfjets den Gazastreifen dem Erdboden gleichgemacht. Im Brei aus Schutt und Abwasser siechen zwei Millionen Menschen dahin, unter ihnen immer noch Dutzende von israelischen Geiseln. Ein zusehends von national-religiösen Extremisten beherrschtes Israel setzt auf seine militärische Überlegenheit und degradiert die Bevölkerung ganzer Landstriche im Westjordanland, im Libanon und in Syrien zu Kollateralschäden seiner Strategie.
Noch in diesem Monat gelangt mit Donald Trump zudem ein US-Präsident an die Macht, der in seinem «Jahrhundertdeal» für eine Befriedung des Nahen Ostens bereits in seiner ersten Amtszeit vor allem der Siedlerlobby und den Ölbaronen am Golf zudiente. Ein politischer Geschäftemacher, der angeblich nicht einmal den eigenen Beratern länger als zwei Minuten zuhören kann – kein Lichtblick für die gebeutelte Region, letztlich wohl auch nicht für Israel selbst.