Der Vermittler der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga im Syrienkonflikt, Lakhdar Brahimi, hat sich wegen des Scheiterns seiner Mission zum Rücktritt entschlossen. Dies verlautet aus seiner engsten Umgebung. Am Freitag informierte Brahimi UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon über seine Absichten. Am 13. Mai wird er voraussichtlich zum letzten Mal dem Weltsicherheitsrat einen Bericht über den Stand der Genfer Syrienkonferenz unterbreiten, die Mitte Februar nach zwei ergebnislosen Runden auf unbestimmte Zeit vertagt wurde.
Den Ausschlag für Brahimis Entscheidung hat die Ankündigung des syrischen Regimes gegeben, am 3. Juni Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Der schwer angeschlagene Staatschef Baschar Al-Assad bewirbt sich um eine dritte Amtsperiode. Wahlen in einem Land, das die Regierungstruppen nur teilweise kontrollieren und in dem 6,5 Millionen Menschen auf der Flucht vor den Kämpfen ihre Heimstätten verlassen haben, sind eine Farce. Brahimi hat mehrmals darauf hingewiesen, dass die Wiederwahl Assads unter diesen Umständen das Ende der Friedensverhandlungen bedeuten würde. Erklärtes Ziel der Genfer Syrienkonferenz ist die Bildung einer breiten Übergangsregierung (Transitional Governing Body), die eine nationale Versöhnung und freie Wahlen in die Wege leiten soll.
Verhärtete Haltung Russlands
Brahimi feierte am 1. Januar seinen 80. Geburtstag. Die langen Sitzungen und vielen Reisen als Syrienvermittler setzten ihm sichtbar zu. Der Hauptgrund seines erwarteten Rücktritts ist aber die Erkenntnis, dass die syrische Regierung die „Genf II“ genannte Konferenz torpediert. Vor dem Weltsicherheitsrat und der UNO-Generalversammlung machte er Damaskus für den Stillstand der Verhandlungen verantwortlich. Brahimi hatte versucht, die Assad-Regierung und die Opposition in vier Punkten zu gleichzeitigen Fortschritten zu bewegen: 1. Ende der Gewalt und des Terrorismus, 2. die Bildung einer Übergangsregierung, 3. der Wiederaufbau der staatlichen Institutionen, 4. Wiederversöhnung und eine nationale Debatte über die Zukunft des Landes.
Die syrische Regierungsdelegation wollte aber in Genf nur über die Beendigung des „Terrorismus“ reden, unter dem sie die „Freie Armee Syriens“ und die dschihadistischen Gruppen versteht. Es ging ihr darum, die Einstellung der Militärhilfe für die Opposition vonseiten des Westens und einiger arabischen Staaten zu erreichen. Im Weltsicherheitsrat unterstützen Russland und China die Haltung der syrischen Regierung. Die beiden Vetomächte widersetzen sich jeglichen Massnahmen, die sie als einen Versuch des Westens beurteilen, rund um die Welt unliebsame Regime zu stürzen. Die Vorgänge in Kiew, wo am 22. Februar mit westlicher Unterstützung ein „Regimewechsel“ stattfand, verhärteten die Haltung Russlands im Syrienkonflikt.
Politische Leichen
Der erste gemeinsame Syrienvermittler der UNO und der Arabischen Liga, Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan, hatte bereits im August 2012 das Handtuch geworfen, als begriff, dass nicht alle fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats hinter ihm standen. Annan vertrug auch nicht die Herablassung, mit der ihn seine Gesprächspartner in Damaskus begegneten. Brahimi meinte, dank seiner langen Erfahrung als algerischer Aussenminister und Unterhändler in zahlreichen Konflikten im Dienste der UNO einen Durchbruch im Syrienkonflikt bewirken zu können. Er musste aber feststellen, dass nicht nur der Weltsicherheitsrat, sondern auch die Arabische Liga in dieser Frage tief gespalten ist. So stehen sein Heimatland Algerien und der Irak hinter der syrischen Regierung, während Saudi-Arabien, Katar und andere Golfstaaten die Opposition unterstützen. Mit Iran hatte es sich Brahimi verdorben, als er die Einladung der Islamischen Republik zur Genfer Syrienkonferenz auf Druck der USA widerrufen musste.
Brahimi hat Ban Ki-Moon angeblich versprochen, seinen Rücktritt erst nach der Nominierung eines Nachfolgers bekannt zu geben. Als neue Vermittler gehandelt werden der frühere australische Premierminister Kevin Rudd, ein Sozialdemokrat, der frühere britische Spitzendiplomat Michael Williams, der tunesische Ex-Aussenminister Kamel Morjane und der ehemalige Nato-Generalsekretär und EU-Aussenbeauftragte Javier Solana. Allen diesen Namen hängt das Omen an, politische Leichen zu sein.