Der ukrainische Präsident Janukowitsch hat die für Ende November in Riga geplante Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens mit der EU abgesagt. Um diesen Vertrag wurde während Jahren verhandelt. Er sollte das flächenmässig grösste Land innerhalb Europas enger an die Brüsseler Gemeinschaft anbinden. Nun ist Janukowitsch in letzter Minute von diesem Schritt zurückgeschreckt.
Dies keineswegs nur, weil ihm die von der EU geforderte Ausreisebewilligung für die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko zur medizinischen Behandlung Bauchschmerzen bereitete. Russlands Machthaber Putin agitierte heftig gegen die EU-Annäherung seines früheren Protégés in Kiew. Um ihn zur Umkehr zu bewegen, drehte er ein wenig an den Daumenschrauben, die Moskau gegenüber der Ukraine zum Einsatz bringen kann – zum Beispiel in Sachen Gas-Abhängigkeit.
Doch die Ukraine wird sich mit Sicherheit nicht exklusiv an Putins Gängelband bewegen. Die einstige Zaren- und Sowjetprovinz ist seit 22 Jahren ein eigener Staat und entwickelt ein vertieftes Selbstbewusstsein. Zwar ist die vor neun Jahren ausgebrochene „orange Revolution“ vorerst gescheitert, nicht zuletzt am Egoismus Timoschenkos. Doch ein grosser Teil der Ukrainer ist von Europas „Softpower“ ungleich stärker angezogen als von Russlands „gelenkter Demokratie“ und seinen hegemonialen Reflexen. Die Verbindung Kiews mit Brüssel mag im Moment etwas winterlich verdunkelt sein. Der nächste Frühling kommt bestimmt.