Waldbrände von Sibirien bis Seattle (USA), von Griechenland über Italien, Spanien bis Portugal. Allein in Kalifornien 18 verheerende Buschfeuer, die schlimmsten in der Geschichte des Staates. Die Hitze war so gross, dass sie die Wetterlage bestimmte. Solche Kalamitäten – einst als Jahrhundertfeuer bezeichnet – sind mittlerweile jährliche Routinevorfälle. Haben wir den Kampf gegen die Klimaerwärmung bereits verloren, fragte der Economist im August 2018?
Was wir sagen und was ist
„Wir müssen etwas tun gegen den Klimawandel.“ Der Klimawandel ist eine grosse Bedrohung.“ So und ähnlich sagen wir. Weltweit bei Umfragen in demokratischen Ländern tönt es ähnlich. Auch in der Schweiz, vom einfachen Mann auf der Strasse bis hinauf zur zuständigen Bundesrätin ist man theoretisch einer Meinung. „Wir sind dabei!“ bei den Bestrebungen, die Klimaerwärmung zu verringern. Und was tun wir? Am nächsten Tag buchen wir den Ferienflug nach Übersee. Bei der Wahl eines neuen PWs entscheiden wir uns für einen prächtigen, steppengängigen SUV, je grösser, je besser.
Tatsächlich sind Schweizerinnen und Schweizer Tourismus-Weltmeister, was den Ausstoss an Emissionen pro Kopf beträgt, knapp vor den Amerikanern und weit vor Chinesen oder Indern. Und dies, obwohl längst klar ist, dass der globale Tourismus viel mehr zum Klimawandel beiträgt, als noch vor kurzem angenommen. Genau viermal mehr, bestätigen Studien in „Nature Climate Change“. Ging man früher von 1,1 bis 1,3 Gigatonnen Kohlendioxid (CO2) aus, sind es effektiv bis zu 4,5 Gigatonnen. Der Tourismus ist ein sehr treibhausgasintensiver Wirtschaftssektor, sagt Ralph Winkler vom Volkswirtschaftlichen Institut und dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern (nicht an diesen Studien beteiligt).
Düster sieht es auch aus bei den Personenwagen. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen sinken in der Schweiz gar nicht mehr, da der Anteil an SUV bei den Neuzulassungen laufend steigt. So lassen sich die vielbeschworenen Klimaziele von Paris für 2021 gar nicht mehr erreichen.
Ade Gletscher
1850 betrug die Gletscherfläche in der Schweiz 1735 km2. Seither belief sich der Flächenverlust (Gletscherschwund) 845 km2. Die Hälfte ist also weg. Im Moment schmilzt das Eis so schnell wie noch nie in den letzten 800’000 Jahren. Der Wasserhaushalt wird gemäss dieser Entwicklung prekär. Gletscher sollten im Winter Wasser speichern, um es im Sommer freizugeben. Ganz Europa ist bei dieser Betrachtung betroffen: Die grossen Flüsse entspringen ja den Alpen und werden im Sommer von den Gletschern gespeist. Die beschleunigte Abschmelzrate der Gletscher ist Folge des Ausstosses von Treibhausgasen durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas.
Und was sagen Menschen dazu? „Es gibt solche Wetterkapriolen und Hitzeperioden seit jeher“, hört man oft. Ein Schwyzer Bauer und SVP-Mitglied kann dem derzeitigen Gejammer um Hitze und Klimawandel nicht viel abgewinnen. Er äusserte sich im August 2018 im TA: „Ich lebe lieber in wärmeren Zeiten. Es ist menschlich, dass immer Schuldige gesucht werden. Früher waren die Götter verantwortlich oder der sündige Lebenswandel der Bewohner. Jetzt soll es einzig der Mensch sein.“
Ungemütliche Entwicklung
Während Politikerinnen und Politiker beschwichtigen, abwiegeln, Hoffnung verbreiten, tönt es aus dem Lager der Forschung ganz anders: „Je länger wir warten, die Emissionen zu reduzieren, desto weniger Optionen bleiben uns letztlich noch übrig, um die Erwärmung zu bremsen. Und das ist mit Sicherheit die teuerste Variante.“ Dies meint die Geophysikerin Sonia Seneviratne im TA.
Christian Pfister, der 73-jährige Klimahistoriker sagt: „Ich bin über das bisherige Jahr sehr erschrocken.“ Gemeint ist die extreme Regenarmut und Rekordwärme des Jahres 2018. Der Forscher hat 312 schriftliche Quellen aus Klimaarchiven in vielen europäischen Ländern ausgewertet.
Der Weltklimarat publizierte vor wenigen Wochen einmal mehr einen aufrüttelnden Bericht zur aktuellen Situation. Er fordert unmissverständlich „noch nie dagewesene Anstrengungen“, um wenigstens das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Doch es ist zu befürchten, dass auch diesmal der politische Willen fehlen wird, auf die dramatische Situation mit drastischen Eingriffen zu reagieren. Sowohl in der Schweiz als auch anderswo.
Hoffnungsschimmer
Nicht alle Wissenschaftler sehen das so skeptisch. Wenn es nicht gelingen will, den CO2-Ausstoss massiv zu verringern, sehen Spezialisten eine faszinierende andere Möglichkeit: Kohlendioxid muss aus der Atmosphäre „abgesaugt“ werden. Die Idee, von der die Rede ist, stammt aus Schweden, wo dieses Jahr ein neues Gesetz verabschiedet wurde, das dem Land (also sich selbst) vorschreibt, dass bis 2045 keine Netto-CO2-Emission mehr tolerierbar ist. Das ambitiöse Programm basiert u. a. auf der Idee und der bereits bestehenden Technologie, in grossen Plantagen mit Turbinen Kohlendioxid aus der Luft abzusaugen, um so das Klimaziel von Paris zu erreichen. Der Nachteil: solche Anlagen sind extrem teuer.
Ausgerechnet aus den USA, wo Trump mit dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen „brillierte“, kommen „good news“. Kalifornien war schon immer Pionier auf dem Gebiet des Klimaschutzes und der Staat denkt nicht daran, sich von Trump dreinreden zu lassen. Jerry Brown, Kaliforniens Gouverneur, eröffnete im September 2018 den Climate Action Summit in San Francisco. Dort trafen sich Vertreter einzelner Städte, Unternehmer, Vertreter von Regionen und Bundesstaaten, die beim Klimaschutz vorpreschen. Etwa die Global Convenant of Mayors, in der sich 9000 Bürgermeister zusammengeschlossen haben. Oder die Initiative RE 100, in der 2000 Unternehmen aus der ganzen Welt versprochen haben, im Jahr 2050 ihren Strom zu 100 Prozent aus nicht fossilen Quellen zu beziehen. Solche freiwilligen Initiativen sind, wenn sie weltweit Nachahmer finden, Vorzeigeprojekte, die beweisen, dass – wenn man nur will – Klimaziele durchaus in Reichweite liegen. DIE ZEIT titelte diesen ausführlichen Beitrag „Die Mutmacher“.
Mut machen lohnt sich auch in der Schweiz. Im Kleinen insbesondere: Die Menge installierter Photovoltaik-Panels steigt rapide an, seit neuerdings auch Fassaden genutzt werden. Dann ist es nicht mehr weit zur Stromlagerungsbatterie in der eigenen Garage, gespiesen aus selbsterzeugtem Strom, um das Elektroauto über Nacht ökologisch aufzutanken.