In seiner Selbstbeschreibung rühmt sich der Verlegerverband VSM, rund 100 Unternehmen zu vertreten, „die zusammen über 300 Zeitungen und Zeitschriften“ herausgeben. Er sitze als Mitglied in den beiden medienethischen Selbstkontrollgremien Presserat (für publizistische Inhalte) und Lauterkeitskommission (für Werbung) ein. Diese Mitgliedschaften, die das stets gefährdete Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien stärken sollen, sind letzte Woche geschwächt worden. Der VSM hat der Lauterkeitskommission gekündigt und seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Presserat für drei Jahre ausgesetzt, allerdings ohne auszutreten. Das ist ein klarer Rechtsbruch.
Langwieriger Weg zur Zusammenarbeit
Der Schreibende hat sich als Präsident des Presserats, einer Stiftung mit dem „richtenden“ Gremium von 15 Medienschaffenden und sechs Publikumsvertretern, sieben Jahre lang für den Zuzug der Verlegerschaft eingesetzt – in der Überzeugung, dass die scharfsinnigsten medienethischen Argumente letztlich nicht tragen, wenn die Verlegerschaft sie nicht stützt. Das heisst: dass die Verleger den Presserat hausintern (Pflicht zum Abdruck der Rügen) wie materiell (als mitfinanzierender Verband) sichern hilft.
Bis eine verpflichtende Vereinbarung mit den vier bislang allein verantwortlichen Journalistenverbänden 2008 zustande kam, mussten Widerstände überwunden werden, hatte der VSM doch 2004 den Gesamtarbeitsvertrag mit den Medienschaffen gekündigt und Neuverhandlungen verweigert. Der Verlegerschaft wiederum passten einzelne Bestimmungen des „Journalistenkodex“, der medienethischen Charta des Presserats, nicht. Der Presserat legt seinen Beschwerde-Entscheiden ausschliesslich den „Journalistenkodex“ – und nicht etwa die staatlichen Gesetze – zugrunde.
Nicht mehr zahlen, aber doch dabei sein
Die Vereinbarung regelte 2008 auch das Finanzielle und die Besetzung des Stiftungsrats im System Presserat, dem sich zuletzt auch die SRG anschloss: Verlegerverband und SRG bezahlen jährlich CHF 36‘000, die vier Journalistenverbände leicht abgestufte Beiträge zwischen CHF 48‘000 und 24‘000. „Die vereinbarte Höhe der Zuwendungen“ kann jeweils alle zwei Jahre per 30. Juni erfolgen, und zwar auf Ende der nächsten Zweijahresperiode. Ansonsten läuft die Vereinbarung weiter.
Eine solche Reduktionserklärung ist per 30. Juni nicht eingetroffen. Der Verlegerverband erklärt die dreimalige Aussetzung der Beitragspflicht mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Verbands und seiner Mitglieder – sowie mit dem Verbandsaustritt des Grossmitglieds Ringier – , will aber seine Mitgliedschaft im Stiftungsrat weiter wahrnehmen. Nicht mehr zahlen, aber weiter dabei sein: eine seltsame Vertragsauffassung!
„Nur jetzt kein Protestgeschrei“
In der Tat sind Ertragssäulen der Printverlage eingebrochen (Inserat- und Abonnemenserlöse), wobei die grossen Häuser ihre Aktivitäten so aktiv in den Internet-Rubrikenbereich ausgedehnt haben, dass sie stattliche Unternehmensgewinne erzielen. Auch wenn die grossen Verlage mehr und mehr Konglomeraten ähneln und deren Topvergütungsskalen übernehmen, bleiben sie Verleger. Sie verpflichten sich auf „Fairness in der Publizistik“ (Leitbild des VSP wie auch Kernsubstanz des Presserats) und wollen bei der „Service Public“-Debatte lautstark mitreden.
Streit zwischen zwei Verlagen, Ringier und Tamedia, entbinden die übrigen natürlich nicht von den Verbandspflichten gegenüber dem Presserat. Der Direktor des Presseverbands wiegelt verlegen ab: „Wir werden dem Presserat nächstens Gespräche vorschlagen und werden ihm bei der Suche nach Unterstützern helfen; nur jetzt kein Protestgeschrei bei den Journalistenverbänden!“ Bereits protestierend gemeldet hat sich der mitgliedstärkste Berufsverband „Impressum“. Er fordert Rücknahme des widerrechtlichen Entscheids.
*Peter Studer war Chefredaktor und später Präsident des Presserats (2001 bis Ende 2007). Er schreibt über Medienrecht und Medienethik.