Das tönt doch gut: «Mehr bezahlbaren Wohnraum». Natürlich gerne, das wünschen wir uns doch alle! Wer sich näher mit dieser Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands befasst, stellt bald einmal fest, dass sich zwischen Verpackung und Inhalt dieser planwirtschaftlich angehauchten Forderung neben widerlegbaren Behauptungen auch unrealistische Erwartungen und ideologische Staatsgläubigkeit verstecken.
Zahlen und Fakten
Es kann nicht schaden, beim Studium des Initiativtextes diesen mit belegbaren Fakten, die im Widerspruch zur suggerierten Notstandssituation stehen, zu vergleichen. So bleibt z.B. schwer nachvollziehbar, was etwa die geforderte 10-Prozent-Staatsquote für gemeinnützigen Wohnungsbau beispielsweise in der Stadt Zürich bringen soll, wenn hier deren Anteil schon heute 27 Prozent beträgt. Und wieweit die Mieten tatsächlich teurer geworden sind, können Interessierte selber berechnen: In den letzten 10 Jahren ist das allgemeine Mietpreisniveau gemäss amtlichen Statistiken um 9 Prozent gestiegen, die Einkommen haben um 6 Prozent zugenommen, der Anteil der Mietausgaben an den Haushalteinkommen ist trotzdem konstant geblieben.
Die Behauptung des Mieterverbands, «die Entwicklung der Mietpreise in der Schweiz kenne in den letzten Jahren nur eine Richtung und zwar nach oben», ist sehr tendenziös. Tatsächlich sind die Mieten, die in Inseraten ausgeschrieben werden, seit 2015 am Sinken.
Was viele nicht wissen: Der Mietpreisindex (MPI) umfasst Alt- und Neubauwohnungen. Das Bauen ist jedoch innert 10 Jahren spürbar teurer geworden. Damit drücken die Neubauwohnungen den Index in die Höhe. Das heisst nichts anderes, als dass die Altbauwohnungen (Bestandesmieten) innert 10 Jahren gesunken sind (Einfluss der Koppelung an den Referenzzinssatz). Davon verlieren die Initianten der Initiative natürlich kein Wort.
Unklare Forderungen der Initianten
Bei Annahme der Initiative sollen diese drei Massnahmen in der Bundesverfassung verankert werden:
A. Gemeinnützige Wohnbauträger sollen gesamtschweizerisch mindestens zehn Prozent der neuen Wohnungen erstellen,
B. Kantone und Gemeinden sollen Vorkaufsrechte zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus einführen können,
C. Subventionen für energetische Massnahmen sollen nur noch gewährt werden, wenn keine luxuriösen Sanierungen erfolgen und die Mieter/innen in der Wohnung bleiben können.
Auch da stellen sich Fragen über Fragen, bevor überhaupt mit ja oder nein argumentiert werden kann.
A. Was passiert in den Gemeinden, die bereits heute diese Quote überschreiten?
B. Und was passiert mit privaten Interessenten, vielleicht langjährige Nachbarn des betroffenen Grundstücks?
C. Wer entscheidet, was eine luxuriöse Sanierung von einer normalen unterscheidet und was, wenn diese dann zu einer Mietpreiserhöhung führt, die bisherige Mieter nicht zu zahlen bereit sind?
Beweggründe des Initiativkomitees
Laut dem Initiativkomitee gibt es in der Schweiz zu wenig bezahlbare Wohnungen. Grund für steigende Mieten sei, dass die Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer immer höhere Renditen anstrebten. Auch bauten sie nur noch Luxuswohnungen, lautet der Vorwurf.
Wer im Land entscheidet darüber, was eine bezahlbare Wohnung kosten darf? Kein Wort natürlich über die Tausenden von privaten Immobilieneigentümern, die in den letzten 15 Jahren aufgrund der neuen Vorschriften (Mietkoppelung an Referenzzinssatz) ihren Mieterinnen und Mietern spürbare Mietzins-Senkungen zugestehen mussten, obwohl sie die betroffenen Mietobjekte ohne Hypotheken besitzen und somit einfach eine sinkende Rendite erwirtschaften?
Die Behauptung, es entstünden so mehr bezahlbare Wohnungen, ist aus der Luft gegriffen. Alle neu erstellten Wohnungen kosten im Jahr 2020 deutlich mehr als solche, die vor 10, 20 oder 30 Jahren gebaut wurden. Auch bei seriöser Kalkulation (auch das gibt es!) würden somit neue Wohnungen Mietzinse erfordern, die entsprechend höher liegen – sind solche dann «bezahlbar»?
Nur mehr Luxuswohnungen würden gebaut? Wer sich vertieft mit den Mieter-Ansprüchen an neue Wohnungen auseinandersetzt, realisiert bald einmal, dass letztere einen sehr hohen Ausbaustandard aufweisen müssen, um von den Wohnungssuchenden überhaupt in Betracht genommen zu werden (Studierende/Lehrende ausgenommen).
Bundesrat und Parlament sagen Nein zu Initiative
Für Bundesrat und Parlament ist klar: Es gibt ausreichend Mietwohnungen zu tragbaren Preisen. Schon heute garantiert die Bundesverfassung die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus – ohne starre Quote. Die bisherige Wohnraumförderung hat sich bewährt. Die Umsetzung der Initiative würde unverhältnismässig viel kosten (admin.ch/bezahlbare-wohnungen).
Aus dem staatlichen «Fonds de Roulement» wurde in den letzten 17 Jahren der Bau von ca. 1500 günstige Mietwohnungen pro Jahr ermöglicht. Wird diese Initiative abgelehnt, stellt der Bundesrat eine Aufstockung dieses Fonds um 250 Millionen Franken in Aussicht. Im Übrigen ist der Bundesrat der Meinung, die in der Initiative vorgeschlagenen Instrumente und Ziele stellten einen unangemessenen und unnötigen Eingriff in die insgesamt gut funktionierende Wohnungsversorgung dar.
Leerwohnungen zuhauf
Seit Jahren gibt es in der Schweiz immer mehr leerstehende Wohnungen. Rund 75'000 sind es momentan, eine Höchstmarke seit 20 Jahren. Diese alarmierende Situation (Blasenrisiko für Eigentümer und Banken) ist entstanden, weil Investoren die Situation entweder falsch beurteilen oder auf Teufel komm raus weiterbauen, weil sie das als das kleinere Übel im Vergleich zu den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank betrachten. Es ist zu befürchten, dass bei Annahme der Initiative zukünftig ebenfalls dort gebaut würde, wo überhaupt Land zu verkaufen wäre. Experten sind überzeugt, dass auch in diesem Fall am falschen Ort zur falschen Zeit gebaut würde. Zusätzliche Wohnungen wären dort erwünscht, wo Wohnungsnot besteht. Unabhängig vom Ausgang dieser Abstimmung kann an dieser Ausgangslage nichts geändert werden.
Fazit
«Mehr bezahlbare Wohnungen» ist verfänglicher Aufhänger – eine verführerische Politmarketing-Idee. Bei näherer Betrachtung ist ein links-ideologischer Hintergrund unübersehbar. Das Komitee gegen diese Vorlage umfasst deshalb Vertreter und Vertreterinnen der SVP, FDP, GLP, CVP, BDP, EVP und 16 Verbänden.