Seit Jahren predigt der ehrenwerte Nobelpreisträger für Ökonomie Paul Krugman in der New York Times, dass der Staat in Krisenzeiten Geld ausgeben müsse, um die Wirtschaft am Leben und die Menschen in Arbeit zu halten. Umgekehrt sind die Staatsschulden explodiert. Die Schiffe treiben dem Abgrund zu, auch wenn niemand auf den Meter genau weiss, wo der Sturz beginnt.
Egal, was geschieht, es ist falsch. Geld ausgeben führt zu mehr Schulden und damit in den Abgrund der Staatsbankrotte oder der Hyperinflation oder in beides. Geld sparen produziert Elend ohne Ende. Entsprechend haben die Politiker keine Texte mehr, sondern üben sich in Improvisation. Ohne Texte aber gibt es keinen Sinn.
Stumme Bilder, drängende Fragen
Schaltet man als Laie einmal den Ton aus, der die Fernsehbilder begleitet, kommen Fragen. Was verbindet die ratlosen Gesichter der Politiker mit der Wut der randalierenden und plündernden jungen Leute in England? Was verbindet die friedlich demonstrierenden arbeitslosen jungen Menschen in Spanien mit den noch nicht demonstrierenden Alten?
Unsere Gesellschaft hat einen Knacks. Sie funktioniert nicht mehr. Ein Knacks ist ein Knacks: Am Anfang nimmt man ihn kaum wahr, die Maschine läuft noch, dann wird sie heiss und beginnt zu stottern. Und irgendwann stellt sie ganz ab. Das kann schnell gehen oder länger dauern. Am Anfang werden die meisten Mitfahrer nicht wahr haben wollen, dass die Maschine nicht mehr so läuft wie früher. Wenn sie steht, muss auch der Fahrer aussteigen und die Motorraumhaube öffnen.
Wenn man den Ton der Medien abstellt, kann man als Laie auch einmal fragen: Ist es nur der Finanzmarkt, der die Staaten unter sich begräbt? Oder ist der Knacks dadurch provoziert worden, dass den Finanzen und ihren Jongleuren einfach zu viel zugetraut wurde? Hat man sich politisch in einer Leichtbauweise eingerichtet, in der das Politische immer leichter und die Ökonomie immer schwerer wurde?
Falsche Codes
Als Laie kann man auch fragen: Was soll es, sich das Theater auf der politischen Bühne immer weiter anzusehen? Ist es nicht Zeit, auf andere Programme umzuschalten, ganz andere Denkmuster zu erproben? Aber das erfordert viel. Nur die Not kann die Energie freisetzen, die dazu nötig ist.
Aber die Energie ist da. Mag auch die Schicht der demotivierten und unzureichend Ausgebildeten stärker werden, so überwiegt immer noch die Zahl der hoch motivierten gut Ausgebildeten – bei Jung und auch bei Alt. Beide haben aber gemeinsam, dass sich ihnen nur dann eine Chance bietet, wenn sie bestimmten Codes entsprechen: Angebot und Nachfrage, Altersbegrenzungen. Diese Codes werden von der Wirtschaft und der Politik geschrieben. Sie haben ihren Sinn, aber sie sind nicht die einzigen.
Vom Mittel zum Zweck
Es gibt nämlich auch andere Codes: Selbstachtung und Wertschätzung, Sinn und Sinnlosigkeit. Wenn alle Codes nur an das Geld gebunden werden, geschieht etwas Sachfremdes im menschlichen Leben: Aus einem Mittel zum Vergleich und Austausch materieller Werte wird der höchste immaterielle Wert. Das Mittel ist zum Zweck geworden. Da muss man sich nicht wundern, dass in unserer Zeit des drohenden Kollaps dieses Mittel auf der einen Seite hypertroph zunimmt und auf der anderen Seite so fehlt, dass auch bislang funktionierende Staaten unregierbar werden.
Empörung läuft leer, Fantasie ist gefragt. Social Networks könnten auch dazu genutzt werden, um Menschen zusammen zu bringen, die von sich aus hier und jetzt gemeinsam eine begrenzte Aufgabe erledigen wollen. Das können Arbeiten sein, für die die Kommunen kein Geld mehr haben oder andere zwischenmenschliche Hilfe. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, aber sie muss herkömmliche Denkmuster sprengen: Alle Menschen können etwas leisten, ohne dass der Staat oder eine lahmende Ökonomie sie jedes Mal an die Hand nimmt. Hiess es nicht einmal: Small is beautiful?
Das Schicksal des Fragenden
Das ist etwas anderes als die Horrorbilder aus England, die im Grunde doch nur zur Rechtfertigung einer fantasielosen Horrorpolitik dienen. Als Laie kommt man zu einem ganz einfachen Schluss: Wenn uns die Politiker erzählen, dass immer mehr Geld ausgegeben, aber zugleich immer mehr gespart werden muss, dann können sie sich zwischen Gaspedal und Bremse nicht mehr entscheiden, drücken beide und halten das Steuer nur verkrampft fest. So etwas brauchen wir nicht.
Ist der Laie an diesem Punkt, erheben sich sogleich warnende Stimmen: Wo kommen wir denn hin, wenn sich spontan Gruppen organisieren und womöglich immer mehr an Einfluss gewinnen? Könnten daraus nicht politische Bewegungen entstehen, deren Vorläufer wir aus den Horrorkabinetten des 20. Jahrhunderts kennen? Ja, das ist wirklich eine Gefahr. Aber der Laie kann auch fragen, ob die jungen Greise, die heute die politischen Karriereleitern erklimmen und die Vorstandsetagen der Banken und Konzerne füllen, nicht weniger Horror verbreiten, allerdings gedämpft durch Langeweile.
Hier hält der Laie erschreckt inne. Wo ist er bloss gelandet? Aber er weiss: Jede ernsthafte Frage führt auf unsicheres Terrain. Das ist seit jeher das Schicksal der Fragenden. Und warum nehmen sie es an? Weil die bekannten Antworten keine Antworten mehr sind.