Gemäss der Formel für Unternehmensbewertungen entspricht der wirkliche Wert eines Unternehmens dem Barwert aller künftigen Cash-Flows, also aller Zahlungsströme. Die Teilnehmer am Börsenmarkt gehen bei den gegenwärtigen astronomischen Börsenwerten von enormen Cash-Flow-Zahlen der Big Tech aus. Nur so lassen sich die heutigen Börsenwerte erklären.
Sind die Börsenwerte der Big Tech gerechtfertigt?
Die Börsenzahlen der Big Tech verheissen die Fortsetzung des exorbitanten Wachstums dieser Gesellschaften. Bei fortgesetzter Globalisierung sprechen der überragende Intelligenzpool, die wachsende Finanzmacht, ihr Einfluss auf die neue Medienwelt für die Fortsetzung der Bonanza. Die einzigen, die sich zögerlich gegen die langen Arme der grossen Tech-Konzerne zu wehren beginnen, sind Staaten, die sich in ihrer Souveränität eingeengt fühlen. Die grosse Frage lautet, ob es den Staaten gelingen wird, die Macht der Technoriesen in Zukunft einzuschränken oder nötigenfalls gar lahmzulegen. Ob die Staaten in der Lage sind, ihre Souveränität im Technologiebereich einigermassen zu halten bzw. zurückzuerobern, ist offen.
Einzigartiger Innovationspool
Big Tech verfügt über einen einzigartigen Intelligenzpool an Humankapital. Dies ist ein wichtiger Faktor für die weitere Entwicklung; dank ihm werden die Produkte noch besser, noch raffinierter und weltweit noch vernetzter. Die Intelligentesten der Intelligenten werden ausgewählt. Wie beim Schachspiel spielen nicht nur Kultur, Wille und Ausbildung eine entscheidende Rolle, sondern aussergewöhnliche genetische intellektuelle Voraussetzungen. Die geballten imposanten intellektuellen Fähigkeiten der innovativen Belegschaft sind ein ausschlaggebender Erfolgsfaktor.
Finanzimperien dank Big Tech
Das Aufkommen des Computers mit all seinen Verästelungen in alle Lebensbereiche hat uns eine völlig neue Bankenwelt beschert, die mit der alten wenig gemeinsam hat. Heute spielen die Big-Tech-Gesellschaften bei allen technologischen Entwicklungen dank ihrer Vernetzung und ihrer Innovationskraft eine wesentliche Rolle. Ob bei Börsenaufträgen, beim Hochfrequenzhandel oder beim Cloud-Banking, in fast allen Bereichen des Bankwesens haben die Big Tech ihre Finger drin.
Es ist ein von der Realwirtschaft unabhängiges Finanzreich entstanden, das laufend grösser wird. Grosse Teile der Finanzwelt haben sich weitgehend in eine virtuelle, elektronische und eigenständige Welt verselbständigt, die mit der realen Welt wenig oder nichts zu tun haben. Teil der Finanzwelt sind die zahlreichen Schattenbanken, welche von Regulierungslücken profitieren. Sie übernehmen Schritt für Schritt Dienstleistungen von den stark regulierten Banken, die noch immer diesen Namen tragen. Einerseits erfolgt eine Abspaltung von Geschäften, die den Universalbanken noch vor einigen Jahren vorbehalten waren – in Zweckfirmen wie z. B. Zahlungsvermittlern. Andererseits vergrössern sich Finessen im Bankgeschäft bei digitalen und virtuellen Produkten wie z. B. Börsen- und Termingeschäften, Optionen und anderen Derivaten aller Art.
Big Tech revolutionieren Zahlungssysteme
Die grossen Technologiefirmen profitieren von umfangreichen Adressdateien aus ihrem angestammten Geschäft, die sie für Bankdienstleistungen einsetzen.
Facebook bietet über seine Messenger-Dienste Bezahlfunktionen an. Über die Nachfolgerin des ursprünglichen Libra-Projektes will Facebook weltumspannende Zahlungs-Dienstleistungen zur Verfügung stellen.
Amazon erteilt Kredite an Händler und versucht, seinen Marktanteil mit weiteren Dienstleistungen im Zahlungsverkehr zu vergrössern.
Apple drängt jedem iPhone-Benützer das Zahlungssystem Apple-Pay auf, im Kreditkartengeschäft spannt es mit Goldman Sachs zusammen.
Google fördert Google-Pay.
Staaten und Zentralbanken werden Mühe haben, über gesetzliches Regelwerk das neue weltweite Netz von Zahlungssystemen zu überwachen und im Griff zu behalten. Zahlungsströme werden heute nicht besteuert. Früher oder später werden Staaten merken, dass sie auf einem riesigen Steuerreservoir sitzen und es nicht nutzen.
Green Energy und Big Tech
Die Silicon-Valley-Gesellschaften fördern grüne Energie aus praktischen Gründen. Politisch hat sich Big Tech geschickt der Politik des New Green Deal angeschlossen. Sie tun dies nicht nur aus ethischen Gründen, sie sind auf Energie existentiell angewiesen für den Unterhalt ihrer riesigen Datenzentren. Amazon, Google, Microsoft und Apple zusammen verbrauchen pro Jahr 45 Terawatt-Stunden, was fast dem jährlichen Stromverbrauch der Schweiz entspricht.
Sie haben beträchtliche Investitionen getätigt und sind inzwischen dominante Käufer von Windkraftanlagen. Ihr Energiebedarf wächst, weil die Relevanz von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen ständig zunimmt.
Big Tech dominieren Kommunikations- und Medienwelt
Vor einem Jahr hat Australien ein neues Mediengesetz vorgestellt, das zurzeit im Parlament verhandelt wird. Google und Facebook sollen verpflichtet werden, Verleger zu entschädigen für lokale Nachrichten, die über die technologischen Plattformen verbreitet werden. Google und Facebook betrachten dies als Affront und einen staatlichen Eingriff in die Medienfreiheit. Mit fast 95 Prozent Marktanteil ist Google die wichtigste Suchmaschine in Australien. Facebook verdrängt aufgrund seiner Werbeinnahmen kleinere Zeitungen. Zahlreiche lokale Betriebe mussten das Handtuch werfen. Werbeausgaben gehen immer weniger an traditionelle Medien; Facebook und Google sahnen ab.
Ziel der australischen Regierung ist es, die erheblichen Einkommensverluste traditioneller Medien wettzumachen, indem sie die technologischen Plattformen zwingen, Entgelte für die Newsinhalte zu zahlen. Der Qualitätsjournalismus als Pfeiler der Demokratie stehe zur Debatte.
Australien wagt den Kampf gegen die Mediengiganten. Mitten im Verhandlungspoker mit der Regierung hat Facebook seine Medienmacht mit einem überheblichen Schachzug demonstriert. Es hat schlagartig alle über Facebook laufenden Nachrichten aus dem Netz genommen und damit „Verleger und Bewohner Australiens“ von diesem Sozialen Netzwerk abgeschnitten. Australien war schockiert. Facebook hat auch die Verbreitung australischer Nachrichten und Sender in die weite Welt blockiert. Einige Seiten von Gesundheits- und Feuerwehrbehörden mit Corona-Relevanz waren nicht mehr aufrufbar. Der Aufschrei der Medien war bis nach Zürich zu hören. Inzwischen hat sich Facebook mit der Regierung geeinigt.
Australien ist der Winkelried für andere Staaten, die sich unwohl fühlen im Lotterbett mit Facebook und Google. Weltweit beobachten Regierungen, wie lokale Medien Mühe haben mit der wachsenden Medienmacht der Big Tech. Souveräne Staaten stehen der Übernahme im Medienbereich durch die Tech-Giganten bisher wehrlos gegenüber. Letztlich geht es darum, ob Staaten wenigstens Teile ihrer Souveränität bewahren können.
Jedermann und jedefrau nutzt Big Tech
Die grossen sozialen Medien bringen den Menschen aller Altersklassen und in fast allen Lebenslagen individuell und kollektiv Vorteile und Erleichterungen, die gerne entgegengenommen werden. Die Leistungen von Big Tech sind grossartig. Die Nachfrage nach weltweiten Informationen, Dienstleistungen jeglichen menschlichen Bedarfs im Internet steigt und wird auch befriedigt. Aber: „There is no such thing as a free lunch.“ Nicht alle Nutzer realisieren die damit verknüpften Abhängigkeiten. Nutzer bezahlen oft nicht mit Geld, sondern mit Daten, welche die Tech-Giganten für Werbezwecke verkaufen.
Lokale Medien, denen die Werbeeinnahmen wegbrechen, leiden nicht nur in Australien.
Die Big Tech verweisen gerne auf die Wichtigkeit demokratischer Strukturen für ihren Erfolg. Viel wichtiger sind Innovationskraft und Auswerten ihres genialen Intelligenzpools. Das Beispiel China zeigt, dass auch autokratische Gesellschaftsmodelle im Wirtschaftswettbewerb mithalten können.
Die optimale Besteuerung von Big Tech noch nicht gefunden
Die Finanzindustrie generiert mit ihren hervorragenden Tech-Produkten wachsende Zahlungsströme, die nicht besteuert werden. Big-Tech-Gesellschaften übernehmen dank ihren Kundendaten Schritt für Schritt den herkömmlichen Zahlungsverkehr, der dem Fiskus nichts abliefert. Wer die vordergründig oft unentgeltlichen Angebote der modernen Social Media geniesst, stellt keine Fragen, schon gar nicht solche der Besteuerung.
Die richtige Antwort aus Sicht des Staates müsste die Einführung einer Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr sein. Globalisierung fordert auch im Steuersektor eine globale Antwort. Aber: den einzelnen Staaten und ihren Exponenten fehlen Durchblick und Einsicht. Sie merken noch immer nicht, dass die Wirtschaftswelt nicht eine Scheibe ist, sondern eine ganze Sternenwelt.
Big Tech – die neuen Zensoren?
Social Media betonen, sie förderten die Medienfreiheit im Interesse aller und müssten sich gegen Unwahrheiten, die auf ihren Plattformen verbreitet werden, zur Wehr setzen. Die Tech-Giganten verweisen auf ethische Grundsätze, die sie zwängen, unwahre Berichterstattung zu bekämpfen. Es geht weniger um ethische Grundsätze als um die Verbesserung der Ertragssituation, also um wirtschaftliches Wachstum, in dem Machtausübung und schlichte Hab- und Geldgier zuvorderst stehen.
Die Wahrheit hat bekanntlich verschiedene Gesichter, je nach Sichtweise und Kultur sieht sie anders aus. Sollen die mächtigen privaten Social Media sich als Zensoren gebärden und entscheiden dürfen, ob eine Nachricht richtig ist oder falsch und wer im Medienspiel mitmachen darf und wer nicht?
Wachsende politische Macht der Big Tech
In ärmeren Ländern sind die Tech-Giganten praktisch mit dem Internet identisch. Dort ist die Abhängigkeit von Google, Facebook und Apple fast total. Die Big Tech bzw. ihre Gründer, Führungsleute und CEOs bestimmen ihre eigenen politischen Prioritäten, die mit den Zielsetzungen der Regierungen nicht identisch sein müssen. Big Tech wird dank ihrer finanzieller Potenz, der weltweiten Verbreitung und Einfluss auf die Medienwelt auch politisch ihren Einfluss vergrössern. Dieser dürfte inzwischen so gross sein wie derjenige der NGOs. Sie werden unwillkommene Stimmen zum Schweigen bringen, was gelegentlich heute schon der Fall ist. Vielleicht werden sie bald in der Lage sein, Regierungen zu portieren, ein- und abzusetzen. Eine Übertreibung? Die Zukunft wird zeigen, was von unserem Idealbild einer Demokratie übrigbleibt.