Das Morden in Myanmar/Burma geht weiter. Bisher hat die Militärjunta über 700 Menschen, Demonstranten, unbeteiligte Zivilisten und 50 Kinder, getötet. Viele fürchten, dass das Land einem Bürgerkrieg wie in Syrien zusteuert. Die Militärjunta, die sich am 1. Februar an die Macht putschte, scheint zu allem entschlossen zu sein – nur nicht zu einer friedlichen Regelung. Sie ist mit der Wirtschaft verbandelt und will ihre Einnahmequellen nicht preisgeben.
Doch auch die Demonstranten wollen nicht aufgeben. Das Land war nie eine geeinte Nation. Auf dem Flickenteppich leben 135 Ethnien. Viele sind verfeindet. Andere unterdrückt. Einige haben eigene Armeen oder Guerillaverbände und kontrollieren ihren Staat im Staat mit eigener Gesetzgebung. Viele lehnen bis heute die Vision einer burmesischen Nation ab. Es gibt Buddhisten, Christen, Moslems, Hindus und Animisten. Diese Heterogenität ist einer der Hauptgründe, weshalb das Land, das früher zu Indien gehörte, schwer regierbar ist. Die ewige Instabilität wird von der Armee erbarmungslos ausgenützt.
Das grausame Vorgehen der Junta schweisst die verschiedenen burmesischen Ethnien zusammen. Vor allem die junge Generation spielt eine wichtige Rolle – und das Internet, das es in Burma erst seit 2014 gibt. Viele Junge im ganzen Land haben sich, über die ethnischen Grenzen hinweg, zusammengefunden. Sie sind gut vernetzt, tauschen sich Fotos und Videos aus, die sie von den barbarischen Militäreinsätzen gemacht haben. Sie verabreden sich zu gemeinsamen Demonstrationen. Viele, so sagen Exilburmesen in Genf, haben begonnen, über den Tellerrand ihrer Ethnie hinauszuschauen. Die Birmanesen (Bamar) sind die grösste und dominierende Volksgruppe im Land; sie traten gegenüber den anderen oft arrogant auf. Doch selbst sie beginnen in dieser schwierigen Zeit die Rechte der anderen Ethnien zu respektieren. So sieht man an Protestaktionen plötzlich, wie Birmanesen, Shan, Karen, Padaung und Chin Schulter an Schulter demonstrieren.
Diese neue Solidarität und die Hartnäckigkeit der Demonstranten macht den Militärs zu schaffen. Noch sind die Manifestanten friedlich. Doch bereits hat man Waffenlager gefunden. Die Gefahr besteht, dass der Konflikt bald eskaliert, wie damals in Syrien. Die Militärs werden weiter morden, massakrieren und in die Menge schiessen.
Und die Welt schaut zu. Der EU, gepeinigt vom peinlichen Auftritt von EU-„Aussenminister“ Josep Borrell in Moskau und vom Sofa-Gate in Istanbul, fällt nichts anderes ein, als schüchtern zum Gewaltverzicht aufzurufen. Die EU-Botschaft lautet etwa so: „Seid doch wieder lieb zueinander.“ Und das war’s denn. Auch die Uno palavert. Natürlich blockieren Russland und China jene Uno-Resolution, die die Junta verurteilt. Die miserabelste Figur gibt der südostasiatische Staatenbund Asean ab, der vor jeder Kritik an den mordenden Militärs nicht nur zurückschreckt, sondern davor warnt.
Friedensinitiativen, wie sie einige ergreifen möchten, laufen bei erbarmungslosen Putschisten ins Leere. Über Gutmenschen lachen die Militärs nur. Da hilft nur Entschlossenheit und Härte, kein Palaver. Es gäbe durchaus Mittel, die Junta in Schranken zu weisen. Drastische Sanktionen wären nur das eine. Terese Gagnon von der New Yorker Siracuse-Universität, eine der besten Kennerinnen Burmas, schreibt jetzt: Die Uno und die Regierungen der Welt sollen endlich aufhören, „sich mit den Putschisten einzulassen“.
Und was tut Joe Biden? Er nannte Putin „einen Killer“. Damit hat er wohl recht. Warum nennt er General Min Aung Hlaing, den Chef der Putschisten, nicht das, was er ist: „einen Massenmörder“?