Man denke etwa an das Bild der kleinen Kim Phuc, das Nick Ut auf der Strasse nach Tay Ninh gemacht hat und das mit dazu beigetragen haben soll, den Vietnamkrieg zu beenden.
Wie man messen will, ob ein Pressebild wirklich eine solche Wirkung entfalten kann, sei einmal dahin gestellt, doch dass Machthaber (und unter ihnen speziell die Militärs) generell Angst vor Bildern haben, für die sie sich nicht selber in Positur stellen, ist bekannt. Weshalb sie denn auch versuchen, so gut es eben geht, die Bilder zu kontrollieren.
Nun sind Bilder veröffentlicht worden, für die sich Politiker in Szene gesetzt haben, und trotzdem gibt es eine Kontroverse darüber, dass sie medial verbreitet worden sind: US-Präsident Donald Trump empfing den russischen Aussenminister Sergej Lawrow und den russischen Botschafter Sergej Kisljak, der im vergangenen Jahr wiederholt mit Trump-Mitarbeitern im Kontakt stand, im Oval Office. Von diesem Treffen waren Journalisten ausgeschlossen, nur ein Hausfotograf des Weissen Hauses sowie ein Fotograf der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass waren zugelassen.
Dass die Fotos an die Öffentlichkeit gelangten, war den Russen zu verdanken. Das Weisse Haus war wütend darüber, denn der Zeitpunkt der Veröffentlichung hätte ungünstiger kaum sein können. Kurz zuvor hatte der amerikanische Präsident nämlich FBI-Direktor James Comey gefeuert, unter anderem, wie Trump zugab, wegen „this Russia thing“. Man übte sich in Schadensbegrenzung: Via Trump-Twitter versuchte die Propaganda-Abteilung des Weissen Hauses der Geschichte einen anderen Dreh zu geben und veröffentlichte Fotos, die Trump einmal mit Lawrow und ein andermal mit dem Aussenminister der Ukraine, Pavlo Klimkin, zeigten und angeblich eine Aufforderung zum Frieden-Machen hätten sein sollen.
Etwas lahm für den Meister des Agenda-Setting, auch natürlich, weil man sich den Reality-TV-Star als Friedensbringer irgendwie schwer vorstellen kann. Verglichen mit den Russen sind die Trump-Amateure in Sachen Propaganda die reinsten Waisenknaben.
Doch weshalb eigentlich so ein Getue um ein paar Pressefotos? Kaum jemand wird sich damit lange aufhalten. Schon gar nicht in den extra-hektischen, impulsgesteuerten Zeiten von Trump, in denen Medienbeobachter kaum mehr zum Schnaufen kommen.
Weil wir auf Bilder emotional reagieren, wir sie selten befragen. Wir gehen davon aus, dass Pressefotos uns die Dinge zeigen, wie sie vorgefunden wurden, wir glauben, dass, was uns gezeigt wird, wahr ist – und zwar so lange, bis jemand kommt und uns das Gegenteil beweist: dann fühlen wir uns getäuscht, betrogen, hintergangen.
Sehen wir Trump, Lawrow und Kisljak zusammen im Oval Office, geht uns fast unweigerlich „this Russia thing“ durch den Kopf. Und wenn sich die drei dann noch angeregt (für die Kameras) unterhalten, dann ist dieses Bild genauso emotional konnotiert, wie die Russen es verbreitet haben wollten: Die Nähe zu Trump ist für alle ersichtlich. Die Geschichten (es ist immer mehr als nur eine) hinter den Bildern interessieren höchstens ein paar Akademiker.
Die Angst der Regierenden vor den Bildern ist berechtigt. Denn sie fürchten, dass, wenn uns ein Foto erreicht – wie zum Beispiel dasjenige der kleinen, nackten, schreienden, vor einem Napalm-Angriff davonrennenden Kim Phuc im Vietnamkrieg – , wir kein Foto, sondern die schreiende, kleine Kim Phuc sehen.