
Die Gefahr ist gross, dass sich der amerikanische Präsident vom Kreml-Herrscher über den Tisch ziehen lässt. Putin sitzt am längeren Hebel und hat Zeit.
Die USA haben die Ukraine nach dem russischen Überfall mit fast 100 Milliarden Dollar unterstützt. Allein die Militärhilfe beläuft sich auf 60 Milliarden. Alles vergebens?
Deutschland, Grossbritannien, Dänemark, die Niederlande, Schweden und Frankreich haben Militärmaterial im Wert von insgesamt etwa 50 Milliarden beigesteuert. Alles vergebens?
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die Verluste der ukrainischen Streitkräfte auf 45’100 Gefallene beziffert. Für nichts gestorben? Gleichzeitig seien seit Kriegsbeginn 390’000 Soldaten verletzt worden. Jetzt wird über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandelt.
Während Jahren demonstrierten auf der Welt Millionen und Abermillionen Menschen gegen die russische Aggressionspolitik. Vergebens.
Putin ist ein notorischer Lügner. Er log, als die «grünen Männchen» die Krim überfielen, er log, als sich prorussische Kräfte Luhansk und Donezk aneigneten. Er log während des Genfer Gipfeltreffens im Juni 2021. Den Aufmarsch an der ukrainischen Grenze bezeichnete er als «Manöver». Er habe nicht die Absicht, die Ukraine anzugreifen, sagte er wenige Stunden vor dem Überfall. Die Welt schaut heute über diese Lügen hinweg.
Völkerrechtswidrig besetzt er Teile der Ukraine und begeht schwerste Kriegsverbrechen, indem er zivile Ziele bombardieren lässt. Die Welt hat sich daran gewöhnt.
Die Massaker in Irpin und Butscha, die Bombardierung des Bahnhofs von Kramatorsk, die Bombardierung des Theaters in Mariupol, die Bomben auf Charkiw, der Raketenangriff auf die Kinderklinik Ochmatdyt in Kiew, die Deportation Tausender ukrainischer Kinder nach Russland – alles weggewischt.
Und jetzt rollt der amerikanische Präsident diesem Lügner und Kriegsverbrecher den Roten Teppich aus. Trumps Politik kommt einer Rehabilitierung des Massenmörders Putin gleich.
Trump will sich als Friedensstifter in der Ukraine in Szene setzen. Doch er überschätzt sich, wenn er glaubt, er könne den Kreml-Herr mit einigen Konzessionen angeln.
Putin sitzt am längeren Hebel. Er hat immer wieder klipp und klar deutlich gemacht, dass er die ganze Ukraine will – oder sogar mehr.
Es gibt für Putin keinen Grund, von seinen Maximalforderungen abzuweichen. Wer kurz vor dem Sieg steht, streicht die Segel nicht.
Die russische Armee ist in der Ukraine auf dem Vormarsch. Fast täglich meldet sie Erfolge. Fast täglich brechen da und dort ukrainische Verteidigungsstellungen zusammen. Das russische Militär hat Wind in den Segeln: das berühmte «Momentum» auf seiner Seite. Die westliche Solidarität bröckelt. Je länger der Krieg dauert, desto stärker ist die russische Position. Desto weniger ist Putin bereit, Konzessionen zu machen.
Es gibt für Putin keinen Grund, von seinen Maximalforderungen abzuweichen. Wer kurz vor dem Sieg steht, streicht die Segel nicht.
Putin hat Zeit, er kann den Krieg hinauszögern, solange er will. Trump hat keine Zeit. Er hat sich weit hinausgelehnt und einen schnellen Erfolg versprochen. Einen solchen braucht er – er, der nach Erfolg, Macht und Publizität lechzende Cäsar im Weissen Haus.
Um ein Abkommen zu erreichen, muss Trump dem Kreml-Herrn Konzessionen machen, und zwar deftige. Bereits haben die USA damit begonnen. Washington verpflichtet sich, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen wird. Mehr noch: Trump will nichts mehr mit der Ukraine zu tun haben. Die Europäer sollen dem Land helfen, sagt er. «Macht euern Dreck alleene!» Im Klartext heisst dies: Die USA werfen die Ukraine den Russen zum Frass hin, denn ohne amerikanische Hilfe kann das Land nicht überleben – trotz europäischer Friedensinitiative.
Und: Eine Rückkehr zu den völkerrechtlich verbrieften Grenzen der Ukraine werde es nicht geben, sagte der neue amerikanische Verteidigungsminister. Also: Die Russen werden die Krim, den Donbass und die südliche Ukraine behalten.
Weitere Konzessionen werden wohl folgen. Dazu gehört, dass Washington die Sanktionen gegen Russland aufhebt – zumindest teilweise, zumindest schrittweise.
Zwar prahlt Trump – wie immer – mit kriegerischen Parolen. Er werde Putin zwingen, einem Abkommen zuzustimmen. Wenn Putin nicht mitmache, wolle er die Sanktionen gegenüber Russland verstärken, droht Trump. Solche Worte lösen beim Kreml-Chef ein müdes Lächeln aus. Mit Sanktionen hat Putin längst Erfahrungen. Während Trump faucht, poltert und irrlichtert, sitzt Putin an seinem Schreibtisch – mit stoischer Miene. Selbstsicher. Er wirkt fast emotionslos, ein Maskengesicht. Er wartet und wartet. Er kann warten.
In Riad haben jetzt die Aussenminister Rubio und Lawrow Gespräche begonnen. Bereits werden Erfolgsmeldungen verbreitet. Man komme sich näher, heisst es. Doch um die wirklich heissen Eisen geht es noch lange nicht.
Irgendwann vielleicht willigt Putin in einen temporären Waffenstillstand ein. Trump wird sich dann als Friedensstifter aufspielen und in die Welt hinausposaunen, dass er eben ein «Deal-Maker», ein Macher sei. Doch das wird kein nachhaltiger Frieden sein.
Das Hauptziel lässt Putin nicht aus den Augen. Eine Feuerpause? Wieso nicht, wird sich Putin sagen. Aber während der Feuerpause wird er sich sicher nicht zurückziehen. Und irgendwann nachher geht es weiter.
Erinnern wir uns: Putin hatte im Sommer 2022 anlässlich des 350. Geburtstages von Peter dem Grossen eine Rede gehalten. Im Grossen Nordischen Krieg (1700 bis 1721) hat Russland Gebiete rund um Sankt Petersburg erobert, die von den dominierenden Schweden erobert worden waren. Doch Peter der Grosse – so Putin damals – habe das Gebiet um St. Petersburg den Schweden «nicht weggenommen, nicht erobert. Er hat es zurückgeholt! So war es», sagte Putin. Denn: Auf dem Gebiet hätten «Slawen» gewohnt. «Allem Anschein nach fällt es auch uns heute zu, (Gebiete) zurückzuholen und zu stärken.»
Meint er mit «zurückholen» alle Gebiete, die einst zur Sowjetunion gehört haben? Die Ukraine, die baltischen Staaten, die Moldau, Armenien, Georgien und so weiter?
Ja, Putin hat Zeit. Trump steht unter Druck. Er kann den Kreml-Diktator nicht zwingen. Putin hat Trump in der Hand. Der amerikanische Präsident ist – trotz bombastischer Worte – dem Kriegsverbrecher Putin nicht gewachsen.