Das Tourismusland Schweiz gilt als horrend teuer, extrem unfreundlich und von Personal beherrscht, das in den hiesigen Sprachen kauderwelscht. In diesem die Nörgler provozierenden Land, dem unsrigen, verbrachten meine Frau und ich ferienhalber eine Winterwoche. Aus völlig freiem Entschluss. Wir entschieden uns erstmals für Grindelwald und dort für ein familiengeführtes Mittelklasshotel.
Weder Schnäppchenland noch Hochpreisinsel
Auf alles waren wir gefasst. Nur nicht auf positive Überraschungen bereits vor der Ankunft. Bei der telefonischen Hotelreservation wurden wir auf Bärntütsch zuvorkommend beraten. Der Preis fürs Doppelzimmer samt Halbpension entsprach – fünfe gerade sein lassend – jenem vergleichbarer Häuser in Deutschland und Österreich.
Weil die Skimiete per Internet wegen einer Panne beim Kreditkartenunternehmen nicht klappte, wandten wir uns telefonisch an ein örtliches Sportgeschäft, das sich für unsere vergeblichen Mühen im Netz entschuldigte, unseren Aufttrag umstandslos notierte und von sich aus erklärte, uns den Internetrabatt zu gewähren. Allerdings: Im Kleinwalsertal wäre die Rechnung einen Drittel und im Montafon 15 Prozent günstiger gewesen.
Dennoch: Nirgendwo gewannen wir den Eindruck, von Hammerpreisen erschlagen zu werden. Ein Café crème kostete im Dorf und im Skigebiet vier Franken. In den Berggasthäusern mit ihrem vielfältigen und anmächeligen Angebot reichten pro Person zwanzig Franken aus, um sich über Mittag mit einer Suppe oder einer Wurst, mit einem Mineralwasser und einem Kaffee zu verpflegen. In unserem Hotel war eine Flasche guten Weins für wenig mehr als vierzig Franken zu haben.
Leichte Trübung
Schwierig ist der Preisvergleich bei den Skipässen, weil die Pistenlängen und die Anzahl der Bahnen und Lifte sowie die saisonalen und altersbezogenen Rabatte zu unterschiedlich sind. In der attraktiven Jungfrau-Region kostet das Sechstage-Abo für einen Erwachsenen 291 Franken. Das ist wohl ein Stück teurer als in den uns bekannten ausländischen Skigebieten. Dafür sind die Berge grandioser.
Als störend empfanden wir, Pässe nur für den ganzen oder den halben Tag ab zwölf Uhr kaufen zu können, nicht aber für frei wählbaren Stunden. Dies wäre gerade bei ungünstiger Witterung ein Dienst am Kunden. Wir benutzten die rege verkehrenden Gratisskibusse und mussten uns, was wir sonst getan hätten, über die satten Parkgebühren bei den Bahnstationen nicht ärgern.
«Einen schönen Tag!»
Aus welchen Gründen auch immer, trafen wir in den Hotels und Restaurants mehrheitlich auf fremdsprachiges Personal. Es ersetzte die fehlenden deutschen Worte mit sympathischem Lächeln und ermunterte uns, die Bestellung halt langsam zu wiederholen. Sie wurde richtig und schnell erledigt. Ein babylonisches Problem erlebten wir nie.
Punkto Freundlichkeit muss Grindelwald in Österreich liegen – es sei denn, die Österreicher hätten von Grindelwald gelernt. Die Chauffeure der Skibusse warteten mit Engelsgeduld, bis der letzte Sportler seine Ausrüstung in den Wagen gehievt hatte, baten höflich ums Aufrücken und verabschiedeten sich von den Aussteigenden mit einem Dank und dem Wunsch für einen schönen Tag oder Abend. Das nämliche Lob gilt dem Personal der Bahnen.
Kompetent und aufmerksam
Ob grösserer oder kleinerer Einkauf oder nur Herumschnuppern: Die Verkäuferinnen und Verkäufer sparten nicht mit der Höflichkeit. Für die meiner Frau entwendeten Skistöcke stellte das Sportgeschäft sofort Ersatz mit der Bemerkung: «Machen Sie sich keine Sorgen, die diebische Elster muss ein Wanderer gewesen sein.» Beim Umtausch meiner als zu langsam eingeschätzten Mietskis erhielt ich nach kompetenter Abklärung meiner Pistenkünste perfekte Bretter aus der Top-Kollektion – ohne Aufpreis.
Als Trost fürs schlechte Wetter anerbot sich das Hotel, uns ohne Aufschlag in einem komfortableren Zimmer unterzubringen. Die Geste passte zur übrigen Aufmerksamkeit und Zuvorkommenheit.
Probleme lösen statt jammern
Nach allem, was wir über das schreckliche Ferienland Schweiz lasen und hörten, rieben wir uns immer wieder angenehm verdutzt die Augen. Auch deshalb, weil unsere Gastgeber auf die Frage, wie sich der Wechselkurs aufs Geschäft auswirke, nicht jammerten, sondern meinten: «Widrigkeiten gehören zu unserem Beruf. Mal kämpfen wir an der Devisenfront, mal macht uns Petrus zu schaffen. Wir müssen die Herausforderungen innovativ und engagiert meistern.»
Dieser Bericht bezieht sich auf die Zeit von Ende Februar und Anfang März und aufs Hotel Gletschergarten. Er ist subjektiv und nicht repräsentativ. Genau wie die Leserbriefe, die unseren Tourismus nach Strich und Faden zerpflücken, bloss Preise und nicht auch Leistungen miteinander vergleichen und die Dauerhöflichkeit im Land der Handküsse für ein Geschenk Gottes halten. Dabei beruht sie auf einem Dekret des Kaisers.