Zum Lebensinhalt eines an gesellschaftlichen Phänomenen und Entwicklungen interessierten Zeitgenossen gehört es gegenwärtig, sich kontinuierlich mit der Flüchtlingsproblematik zu beschäftigen. Was nicht leicht fällt. Zum einen ist das Problem überaus komplex und infolge dessen denkbar ungeeignet, um in absehbarer Zeit, mit schnell greifenden Massnahmen gelöst zu werden. Das wissen alle. Zum andern überbieten sich Politikerinnen und Politiker aller Couleur darin, abstruse Lösungsvorschläge machtvoll in die Welt hinauszuposaunen, Wunschvorstellungen zumeist, die mit der Wirklichkeit wenig bis nichts zu tun haben, was einem Teil der Posaunisten durchaus bewusst sein wird.
Was dabei erstaunt und schwer zu verstehen ist: Alle Statistiken zeigen, dass wir es mit dem, was in den Medien als „akute Flüchtlingskrise“ bezeichnet wird, gar nicht zu tun haben. Die Zahl der Menschen, die nach Europa flüchten, nimmt markant ab, die brutalen, teilweise menschenverachtenden Massnahmen, die zu diesem Ergebnis führen, scheinen zu greifen. Was die Vertreter der CDU und der CSU in Deutschland nicht daran hindern konnte, sich über der nicht akuten Flüchtlingsproblematik derart in die Haare zu geraten, dass sie darob das Regieren vergassen. Es ist, als ob die Hysterie in der öffentlichen Auseinandersetzung umgekehrt proportional zu den belegten Fakten steigen würde.
Was weiter auffällt, ist der Eifer, mit dem die Classe politique sich müht, laufend neue Begriffe zu finden, um das, was sie anordnen möchte, schönzureden. So sollen die Gebäude in Deutschland, in denen Grenzüberquerer überprüft werden und die je nach demjenigen, der sie propagiert, mehr einem Ferienlager oder mehr einem Gefängnis gleichen, nach jüngster Sprachregelung „Transferzentren“ heissen, was harmlos tönt, an Fussballtrainingslager denken lässt.
Man spürt beim Versuch, sich ein Bild zu machen, die Informationen zu sortieren, dass man selber die banalsten, die einfachsten Tatsachen aus den Augen zu verlieren droht. Mag es auch pathetisch tönen, man muss es sich doch stetig wieder sagen: Wer da zu uns kommt, als Flüchtling, Migrant, Asylsuchender, Zugewanderter oder wie immer er bezeichnet wird, ist unseresgleichen, ein Mensch, dem mit Respekt zu begegnen ist.