Es gibt ausser hartgesottenen Rechthabern nicht mehr viele Zeitgenossen, die behaupten, die vom damaligen Präsidenten George W. Bush durchgepaukte Irak-Invasion im Frühjahr 2003 sei richtig gewesen. Zwar kann man noch lange darüber diskutieren, wie denn die Lage im Irak und im Nahen Osten aussehen würde, wenn der blutige Diktator Saddam Hussein nicht gestürzt worden wäre.
Viele liessen sich täuschen
Doch der britische Chilcot-Report lässt nach siebenjähriger Untersuchung keine Zweifel darüber offen, dass die Entscheidung der damaligen Regierung Blair, an der Seite Amerikas im Zweistromland einzumarschieren, viel zu wenig seriös durchdacht und die möglichen negativen Folgen sträflich ignoriert wurden. Dass der Iran durch eine schiitisch beherrschte Regierung in Bagdad der eigentliche machtpolitischer Gewinner dieses Feldzuges werden könnte, das scheint in London und in Washington überhaupt niemandem in den Sinn gekommen zu sein.
Im Nachhinein ist man immer klüger. Der Schreibende muss hier einräumen, dass er vor 13 Jahren als Kommentator im damaligen heftigen Meinungsstreit Verständnis für die Irak-Invasion zum Ausdruck gebracht hat, wenn auch mit beträchtlichen inneren Zweifeln. Immerhin hatte ja auch die Mehrheit des US-Kongresses (inklusive der damaligen Senatorin Hillary Clinton) und des britischen Parlaments für diese Entscheidung gestimmt.
Als Kommentator vertraute ich bei meiner damaligen Stellungnahme in erster Linie dem britischen Labour-Premier Tony Blair. Er schien von der akuten Gefahr von Massenvernichtungswaffen in den Händen Saddams ernsthaft überzeugt. Blair, der Inspirator von „Cool Britannia“, machte nicht den Eindruck, dass er mit dem Sturz dieser Diktatur weiter ausgreifende machtpolitische Ziele im Auge hatte – was man Bush junior und seinen ideologischen Einflüsterern schon eher zutrauen konnte. Deshalb schien mir der Schimpfname „Bush’s Poodle“, den ihm seine Kritiker anhängten, unfair und übertrieben.
Blairs Reue und Rechthaberei
Wie hat Blair auf den Chilcot-Report reagiert? Enttäuschend. Zwar hat der Ex-Premier an einer Pressekonferenz mit der bei ihm gewohnten Emotionalität und Eloquenz zu dem für ihn verheerenden Bericht erklärt, er anerkenne „ohne Ausnahme oder Ausrede die volle Verantwortung“ für die damalige Einmarsch-Entscheidung und ihre Konsequenzen. Für all die sektiererisch-religiöse Gewalt, die durch und nach der Besetzung das irakische Volk heimgesucht habe, empfinde er „mehr Trauer, Bedauern und Reue als man je wissen oder glauben“ könne.
Auf die Frage, was er denn heute bedaure und bereue, sagte Blair, er hätte erstens dem Kabinett eine „Options-Vorlage“ zur Kriegsentscheidung vorlegen, zweitens die US-Regierung zu einer besseren Planung für die Zeit nach der Invasion drängen und drittens den Ratschlag des Generalstaatsanwalts (der starke Bedenken gegen die damalige Kriegsentscheidung formulierte) mit seinen engsten Ministern gründlicher diskutieren sollen.
„I will be with you, whatever“
Doch bei all seiner eloquent vorgetragenen Zerknirschung beharrte Blair darauf: „Ich habe das Land nicht in die Irre geführt. Ich habe die Entscheidung im besten Glauben gefällt und ich denke, dass es besser war, jene Entscheidung zu treffen.“ Irak, betonte er weiter, wäre ohne den damaligen Sturz Saddams heute vielleicht in einem schlimmeren Zustand als das jetzige Syrien.
Wie gesagt, über diesen letzteren Punkt kann man lange streiten, aber nichts beweisen. Sicher ist aber so viel: Den Schimpf, bei der schicksalsschweren Entscheidung zur Irak-Invasion als „Bushs Pudel“ agiert zu haben, wird er wohl nie mehr loswerden. Denn der Chilcot-Bericht bestätigt schwarz auf weiss, dass er sich bei diesem Unternehmen vollständig in die Abhängigkeit des US-Präsidenten begeben hatte. Schon im Jahr vor dem Beginn des Einmarsches hatte er Bush die schriftliche Versicherung geschickt: „I will be with you, whatever.“