Nach der Pleite ist vor der Pleite. Zum zweiten Mal seit 2001 bedient das Land seine Schuldendienste nicht. Die Regierung schimpft auf «Geier-Fonds», die sie mit geldgierigen Forderungen daran hinderten, der eigentlich vorhandenen Zahlungswilligkeit nachzuleben. Die Wahrheit ist etwas komplizierter.
Selber schuld
Argentinien verknüpfte vor seiner vorletzten Staatspleite seine Währung mit dem US-Dollar. Der daraus resultierende Griechenland-Effekt war einer der vielen Gründe für den finanziellen Zusammenbruch des Landes. Zudem begab das Gaucho-Land Staatsschuldpapiere in US-Dollar und nach amerikanischem Recht. Mit der verständlichen Absicht, damit deren Stabilität sowie Seriosität zu unterstreichen – und somit weniger Zinsen zahlen zu müssen.
Schulden machen ist der einfache Teil. Das geliehene Geld wertschöpfend zu verwenden – statt es sinnlos zu verrösten –, um es samt Zinsen zurückzahlen zu können, der schwierige. 2001 zahlte das Volk die Zeche. Nach den fragwürdigen offiziellen Statistiken brach damals die Wirtschaft um 21 Prozent ein, Massenarbeitslosigkeit, Hungerrevolten, Chaos. Daraus hätte die Regierung lernen können, dass man mit so Sachen weder spielt noch pokert.
In zähen Verhandlungen verabschiedeten sich die Gläubiger seither von über 70 Prozent ihrer Forderungen. Genauer gesagt 93 Prozent aller Kreditgeber. Andere verscherbelten ihre Forderungen für ein Trinkgeld, weil sie nicht den Atem hatten, das Ergebnis der Umschuldung abzuwarten. Diese wurden teilweise von Hedge Fonds aufgekauft, die seither auf einer Auszahlung zum Nominalwert beharren.
It’s the law
Wer den Rechtsstand USA für seine Staatsschuldpapiere akzeptiert, kann sich nicht darüber beschweren, wenn der dann auch gilt. Weltweit gilt zudem, dass es keine Gläubigerbevorzugung geben darf. Also ein Schuldner kann nicht beschliessen, nur solche Kreditgeber zu bedienen, die auf einen Grossteil ihrer Forderungen verzichtet haben. Das war Argentinien seit vielen Jahren bekannt. Aber die Regierung pokerte – in der Annahme, dass doch wohl kein US-Gericht daran schuld sein wolle, dass das Land wieder pleite gehe.
Gestern mussten die Karten auf den Tisch gelegt werden, und nun gibt es nur Verlierer. Argentinien ist wieder offiziell zahlungsunfähig. Die Hedge Fonds bekommen weiterhin keinen Cent, obewohl sie Millionen in jahrelange Rechtshändel investierten. Auch die übrigen Gläubiger werden nicht bedient. Und der argentinischen Bevölkerung stehen wieder elende Zeiten bevor.
Der Kirchner-Clan
Nach dem Politclown Carlos Menem, der das Land in den vorletzten Staatsbankrott führte und einigen Übergangspräsidenten übernahm 2003 Néstor Kirchner die Präsidentschaft. Seit 2007 ist seine Witwe Cristina Fernández de Kirchner Präsidentin Argentiniens. Wie schon bei ihrem Vorgänger Menem ist die gesamte Amtszeit dieses Duo Infernal von einer Reihe von Korruptionsskandalen überschattet, von massiven Vorwürfen der Beteiligung an Waffen- und Drogenhandel sowie Geldwäscherei.
Auf die Frage, wie die Präsidentin denn die Herkunft ihres hübschen Privatvermögens von (soweit öffentlich bekannt) 400 Millionen Dollar erkläre, antwortete sie, dass sie eben früher als Anwältin sehr erfolgreich gewesen sei. Das ist eine putzige Auskunft, denn sie entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Tatsächlich verdienten die Kirchners als Anwälte sehr viel Geld damit, zu Zeiten der argentinischen Militärdiktatur klamme Immobilienbesitzer dazu zu zwingen, ihnen ihre Immobilien zu einem Spottpreis abzutreten.
Sie verwendeten also genau die Methode, die Fernández de Kirchner nun US-«Geierfonds» als typischen Ausdruck des Gringo-Imperialismus vorwirft. Denen sei es egal, dass ihre Geldgier und ihr Profitstreben ein ganzes Land in den Abgrund führe. Damit kann die Präsidentin natürlich populistisch punkten. Verlumpende Argentinier demonstrieren mit selbstgebastelten Geiern und schimpfen auf die in ganz Lateinamerika verhassten Gringos.
Düstere Zukunft
Wie immer in komplizierten Verhältnissen zwischen Schuldner und Gläubiger ist natürlich noch nicht aller Tage Abend. Auf der einen Seite droht die sogenannte Cross-Default-Klausel. Sie bedeutet, dass theoretisch alle Gläubiger Argentiniens nach dem Ausfall der Zinszahlung auf der vollständigen Bedienung der Schulden bestehen könnten. Dafür müssten sich aber mindestens 25 Prozent von ihnen zusammenfinden, ausserdem hätte diese Forderung höchstens einen theoretischen Wert.
Auf der anderen Seite bleibt Argentinien weiterhin von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen, denn welcher vernünftige Kreditgeber würde einem Land Geld leihen, das innerhalb von 13 Jahren zwei Mal Bankrott erklären musste. Und drittens bleibt es in absehbare Zukunft so, dass das Land im besten Fall noch jahrelang Altschulden abtragen muss, wobei es auch nur von theoretischer Bedeutung ist, ob die mehr als 100 Milliarden oder nur 30 Milliarden betragen.
So oder so wird die Zeche die argentinische Bevölkerung zahlen. Sie wird von ihrer eigenen Regierung rasiert werden, die die Druckerpresse anwirft. Damit inflationiert sie Sparguthaben und Rentenanwartschaften weg. Die Ergebnisse jahrelangen Arbeitens und Sparens lösen sich in Luft auf.
Das Demokratie-Problem
An der Schuldenlast ist natürlich genau diese Bevölkerung nicht ganz unschuldig. Schliesslich hat sie den Politclown Menem zweimal und den Kirchner-Clan insgesamt dreimal gewählt. Schliesslich hat sie hingenommen, dass in den letzten 25 Jahren Multimilliarden an Krediten nicht nur sinnlos verröstet wurden, sondern zu einem guten Teil in die Taschen einer durch und durch korrupten Polit- und Machtoligarchie wanderten. Schliesslich hat sie Beifall geklatscht, als die Kirchner-Regierung die Investitionswilligkeit ausländischer Kapitalgeber durch absurde Verstaatlichungen auf nahe Null senkte.
Nun brennt die Lunte am Pulverfass. Für Menem, den Kirchner-Clan und viele andere gibt es zwei mögliche Perspektiven. Sie werden ihre zusammengerafften Multimillionen in Argentinien selbst oder im Exil geniessen können. Oder sie werden durch die Strassen gejagt und aufgeknüpft. Bedauerlicherweise wird beides die argentinische Tragödie nicht zu einem Happyend führen.