Sie ist das grösste Pop-Phänomen unserer Tage. Die US-amerikanische Singer-Songwriterin hat alle Rekorde des milliardenschweren Entertainment-Business gebrochen. In Serie füllt sie weltweit die grössten Arenen. Ihre Fans sind ihr bedingungslos ergeben.
Am Universum Taylor Swift lässt sich ablesen, wie Pop im Zeitalter von Social Media funktioniert. Über 280 Millionen Follower hat die Sängerin auf Instagram. Sie kommuniziert mit ihnen im Alltag auf dem Handy, ist ihnen virtuell nahe. Ihre Songs erzählen oft von ihr selbst. Die Fans sind Eingeweihte, Taylor Swift ist ihre grosse Schwester, vielfach wohl die wichtigste Person in ihrem Leben.
Der Besuch eines Live-Auftritts ist der absolute Höhepunkt im Leben der Swifties. Hier wird die lange eingeübte Intimität der Beziehung zum Idol endlich real zelebriert. Und wie die Kommunion mit dem Heiligen in der Religion der inneren und äusseren Vorbereitung bedarf, so auch die Begegnung mit der realen Taylor Swift: Man kleidet sich im Stil des Stars, trägt die Erkennungs-Embleme der Community, kann die Songs auswendig mitsingen und stimmt sich auf das Evangelium der Happyness ein.
Wenn Hunderttausend an den Zürcher Konzerten dabei sein können, so gehen Millionen zwar leer aus, sind aber darüber nicht unglücklich. Denn der Star ist in das kleine Land gekommen und hat sich herabgelassen, in der kleinen Stadt mit dem kleinen Stadion aufzutreten. Das Ereignis spiegelt sich auf den Handys aller Fans, strahlt aus ins Land und lädt die virtuelle Gemeinschaft auf mit der Wucht einer realen Präsenz.
Pop als Phänomen der Massenkultur ist zum Modell für Wirtschaft und Politik geworden. Bei Produkten, die zum «Kult» werden, scheinen die Bleigewichte des Markts gekappt zu sein. Sie lösen sich aus der Erdenschwere und ziehen aus ihrem Erfolg scheinbar unbegrenzte Kräfte. Etwas von dieser sich selbst potenzierenden Dynamik steckt auch in mitreissenden politischen Kampagnen. Das Phänomen Trump etwa beruht sicherlich nicht primär auf der Überzeugungskraft politischer Konzepte, sondern auf einem popkulturellen Komplex: ein Idol, eine Allerwelts-Message, eine Community.
Eine Zeitlang wurde gemutmasst, Taylor Swift könnte eine mehr oder weniger direkte Wahlempfehlung gegen Trump aussprechen. Bisher hat sie das vermieden, denn es gehört zu ihrem Erfolgsrezept, nirgends anzuecken. Doch allein die Gerüchte haben genügt, das Trump-Lager in Aufregung zu versetzen. Denn es ist klar: Taylor Swift ist in den USA – vielleicht neben Michelle Obama – die einzige Person, deren Starstatus mächtig genug ist, um Trump vom Pop-Olymp zu stossen.
Eine einzige entsprechende Bemerkung der Pop-Königin würde eine «Taylor Swift for President»-Manie auslösen, bei der es unerheblich wäre, dass es eigentlich «for President Biden» (oder vielleicht «for President Harris») hiesse. Der Wahlkampf bekäme jene selbstverstärkende Dynamik, die durchschlagenden Pop-Phänomenen eigen ist, indem die Aura der Taylor Swift mit jener des Kandidaten (oder der Kandidatin) verschmelzen würde.
Die Sängerin wird sich wahrscheinlich dazu nicht hergeben. Es wäre gegen die Gesetzmässigkeiten ihres Geschäfts. Doch der amerikanische Wahlkampf wird auch ohne ihren Einsatz nach den Regeln des Pop entschieden werden. Gewählt wird das strahlkräftigere Idol, die stärker mobilisierende Message, die eingängigere Symbolik. Den Sieg holt diejenige Seite, die sich als verschworene Community zu formieren vermag. Taylor Swift hat achtzehn Jahre daran gearbeitet, Trump acht. Die Demokraten haben jetzt noch vier Monate Zeit.