Die syrische Regierung beteuerte am Montag, dass sie ihre C-Waffen nie gegen Zivilisten und nur zur Verteidigung gegen ausländische Aggressoren anwenden würde. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte, dass Israel »handeln« müsse, um zu verhindern, dass chemische Waffen in die Hände der libanesischen Hezbollah oder "anderer Terroristengruppen" gelangen.
Syrien, Israel, Ägypten
Damit ist eine explosive Lage entstanden, die leicht ausser Kontrolle geraten könnte. Neben Syrien besitzen auch Israel und Ägypten C-Waffen. Neben vier anderen Staaten - darunter Nordkorea - sind die drei Nahostländer die einzigen, die nicht der internationalen Konvention von 1993 über ein Verbot der Anwendung, Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer Kampfstoffe beigetreten sind. Über diesen Vertrag war zwanzig Jahre lang an der Genfer Abrüstungskonferenz verhandelt worden. Wie bei anderen Rüstungskontrollabkommen machen Syrien und Ägypten ihren Beitritt von der Haltung Israels abhängig.
Das Genfer Giftgasprotokoll von 1925
Eigentlich ist die Anwendung von chemischen Kampfstoffen schon durch das Genfer Giftgasprotokoll aus dem Jahre 1925 verboten. Dieser Vertrag entstand unter dem Eindruck der Leiden, die der massive Einsatz tödlicher Chemikalien im Ersten Weltkrieg verursachte. Rund 100.000 Soldaten waren damals unter dem Sprühregen von Senfgas und »Gelbkreuz« qualvoll gestorben. Im Zweiten Weltkrieg setzten weder Hitler-Deutschland noch die westlichen Alliierten oder die Sowjetunion C-Waffen ein.
Doch die Entwicklung weit wirksamerer Nervengase wie Tabun und Sarin (Deutschland) sowie VX (USA und Grossbritannien) ging weiter. Bis sich schliesslich die Erkenntnis durchsetzte, dass diese Kampfstoffe nicht nur unmenschlich, sondern auch von zweifelhaften militärischen Wert sind.
Giftas-Einsätze nach dem Ersten Weltkrieg
Als Mindestmenge für einen Grosseinsatz braucht es gemäss den Experten 20 000 Tonnen chemischer Giftstoffe. Diese volatilen oder eingedickten Substanzen müssen in Artilleriegeschosse, Bomben und Raketenköpfe abgefüllt werden. Solche enorme Bestände sind ein leichtes Ziel der gegnerischen Luftwaffe und würden in einem Krieg die eigenen Soldaten gefährden. Ein weiterer Nachteil ist, dass ein mit Nervengasen besprühtes Gebiet von den eigenen Truppen nicht besetzt werden könnte. Chemische Waffen sind Monstren aus einer anderen Zeit. Den Grossmächten fiel es daher nicht allzu schwer, kollektiv darauf zu verzichten.
Dennoch gab es immer wieder Verstösse gegen das Genfer Giftgasprotokoll und die C-Waffen-Konvention. Mussolinis Truppen setzten Giftgas im Abessinien-Feldzug ein, die Ägypter bei ihrer Militärintervention im jemenitischen Bürgerkrieg 1962-1970. Massiv angewendet wurden chemische Waffen von den Irakern im Krieg gegen Iran (1980-1988). Gegen Ende dieses Kriegs griff Saddam Hussein im eigenen Land die kurdische Ortschaft Halabscha, deren Einwohner mit den Iranern kollaboriert hatten, mit chemischen Kampfstoffen an. Dabei kamen nach unbestätigten Berichten bis zu 5000 Menschen ums Leben.
Unklarheit über Syriens Potenzial
Bemerkenswert ist, dass die Ausgangsstoffe für die irakischen C-Waffen illegal von deutschen Firmen geliefert wurden. Nach dem ersten Golfkrieg (1991) wurden die gesamten Bestände im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens unter Aufsicht der UNO vernichtet.
Wie viele C-Waffen Syrien besitzt, ist nicht öffentlich bekannt. Das Arsenal soll aus Senfgas, Sarin und möglicherweise VX bestehen. Hergestellt werden die Kampfstoffe seit 1980, wobei seit einigen Jahren angeblich Iran die Grundsubstanzen und technische Expertise liefert.
Als Träger stehen Kurzstreckenraketen der Typen Scud-B und Scud-C bereit, die Syrien in Russland und Nordkorea gekauft hat. Laut Geheimdienstberichten haben die Syrer die Ausrüstung von Scud-Raketen mit chemischen Gefechtsköpfen 2007 nach einem Unfall gestoppt. Nach den Erkenntnissen westlicher Fachleute verfügt die syrische Armee über eine »bedeutende taktische C-Waffen-Fähigkeit« in Form von Artilleriegranaten und Kleinraketen.
Hochgefährlicher Umgang mit dem Teufelszeug
Der Umgang mit chemischen Waffen ist äusserst gefährlich. Schon ein Tropfen der hochgiftigen Substanzen führt zum Tod. Man kann sich also schwer vorstellen, was die syrischen Rebellen mit diesem Teufelszeug anfangen sollen, falls es ihnen in die Hände fällt. Von politischer Brisanz ist die Sache aber allemal.