Das syrische Regime wurde von den beständigen Sicherheitsratsmitgliedern Russland und China in Schutz genommen, und auch seine unmittelbaren Nachbarn wie Libanon, die Türkei, Jordanien und Irak neigen dazu, in Syrien zu vermitteln. Sie vermeiden daher, einseitig für die protestierenden Volksgruppen einzutreten und die Regierung für ihr blutiges Vorgehen gegen diese zu verurteilen.
Der fünfte Nachbar Syriens, Israel, wird in Damaskus als ein feindliches Regime eingestuft, mit dem ein Waffenstillstand, aber kein Frieden besteht, solange bis die Syrer die von Israel besetzen Golan Höhen (syrisch: die Provinz von Kuneitra) zurückerhalten.
Der Kern der syrischen Aussenpolitik: kein Nahostfrieden ohne Syrien
Es ist die Frage des seit 1967 besetzten Golans, die Syrien seither immer veranlasst hat, einer Politik der Pax Americana für den Nahen Osten entgegenzutreten. Eine solche hätte bedeutet, dass Syrien seine Aussicht, den Golan je zurückzugewinnen, endgültig hätte aufgeben müssen. Seitdem Ägypten 1979 mit Israel Frieden schloss und schon in den vorausgehenden Jahren nach dem Krieg von 1973, hat der Vater des heutigen Präsidenten, Hafez al-Asad, eingesehen, dass er alleine nicht direkt gegen Israel vorgehen könne, um sein Ziel, die Rückgabe des Golan zu erreichen. Doch er setzte immer darauf und sorgte nach Vermögen dafür, dass ohne Syrien keine Nahostlösung zustande komme.
Im Zuge dieser Politik hat Syrien stets gute Beziehungen zu den Kräften unterhalten, die einer amerikanischen Ordnung im Nahen Osten entgegentraten. Die Russen waren Waffenlieferanten und zeitweise enge Verbündete Syriens bis zum Oktoberkrieg (in Israel Yom Kippur Krieg) von 1973. Iran war und bleibt ein enger Verbündeter Syriens seit der Vertreibung des Schahs durch Khomeini von 1979
Gegen Israel via Libanon
Syrien sorgte seit dem Krieg von 1973 immer dafür, dass der Nahostkonflikt nicht in Vergessenheit gerät, indem es den Gruppen, die bereit waren, von Libanon aus gegen Israel zu kämpfen, Unterstützung gewährte. Dies waren zuerst die palästinensischen Kampfgruppen, die in Libanon von 1970 an das damals Fatah-Land genannte Gebiet organisierten, um von dort aus nach Israel zu infiltrieren. Syrien diente dem Fatah-Land als Hinterland, und die Fatah erhielt aus Syrien politische und finanzielle Rückendeckung und Nachschub an Waffen.
Als Israel 1982 durch seine Invasion Libanons dem Fatah-Land ein blutiges Ende bereitete, fand Syrien mit iranischer Hilfe einen Ersatz und Nachfolger in der schiitischen Hizbullah Bewegung. Diese setzte sich ebenfalls den Kampf gegen Israel und "die Befreiung von Jerusalem" zum Ziel, wirkte aber gleichzeitig auch als eine libanesische politische Bewegung, die sich der Anliegen der zuvor stark vernachlässigten und marginalisierten schiitischen Gemeinschaft in Libanon annahm.
Russland und China schützen Damaskus
In der Gegenwart kann Syrien die Früchte seiner langjährigen Politik ernten. Seine alten politischen Freunde, all jene Mächte, die einer amerikanischen Vormundschaft über den Nahen Osten entgegentreten und zu diesem Zweck seit Jahrzehnten mit Syrien zusammenarbeiten, weigerten sich im Sicherheitsrat, Massnahmen gegen die syrische Regierung zuzustimmen - Russland und China, ständige Ratsmitglieder, in erster Linie.
Diesen beiden Staaten missfällt ohnehin der Gedanken eines Eingreifens des Sicherheitsrates aus humanitären Gründen in die inneren Angelegenheiten von Staaten. Sie wissen, ohne je darüber zu sprechen, dass eine vergleichbare Lage, ein Volksaufstand gegen die absolut herrschende Regierung, auch bei ihnen eintreten könnte. - Im Falle von Libyen hatten sie sich dennoch bewegen lassen, der Resolution gegen Libyen nicht entgegenzutreten. Doch Russland hat später die Nato Staaten kritisiert, sie hielten sich nicht genügend an die Resolution, indem sie nicht nur für humanitären Schutz der Bevölkerung wirkten, sondern auf Absetzung des Regimes hinzielten.
Stabilität unter Missachtung der Menschenrechte?
Im Falle der Diskussion über Syrien lautete das Argument der Russen gegen ein Einschreiten der Uno, die gegenwärtige Lage in Syrien gefährde den Weltfrieden nicht. Das dürfte zutreffen. Falls es tatsächlich zu einem Sieg der Aufstandsbewegung und zum Sturz des Regimes käme (was mindestens für die nächsten Wochen unwahrscheinlich sein dürfte), müsste man mit eine Periode der Unruhen in Syrien rechnen, die dem Weltfrieden leicht gefährlicher werden könnte als die heutige Lage.
Über die Menschenrechtslage ist damit allerdings gar nichts gesagt. Die Zahl der vermutlichen Todesopfer in Syrien dürfte gegenwärtig bereits höher liegen, als sie in Ägypten oder in Tunesien während der ganzen dortigen Protestperioden zu stehen kam. Angesichts des Armeeeinsatzes mit Tanks und scharfer Munition ist zu befürchten, dass sie in Syrien noch weit höher ansteigen wird.