In Deutschland streitet man sich wegen des Ukraine-Krieges. Die Wogen gehen hoch. Glaubt man den jüngsten Umfragen, ist unser Nachbarland in Fragen und Entscheidungen, die sich in Zusammenhang mit dem Krieg stellen, tief gespalten.
Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, ein Mann penibel abgewogener Worte, ein Bedenkenträger, manchmal auch ein Zauderer, dass also ausgerechnet dieser Scholz mit dem von ihm im Februar lancierten Begriff der «Zeitenwende» die an Heftigkeit und Leidenschaft kaum zu überbietende Debatte angestossen hat.
Es geht, vereinfacht gesagt, um das Mass an Engagement, das sich Deutschland in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine leisten will. Soll man sich mit den Sanktionen begnügen, finanzielle und humanitäre Hilfe leisten oder muss man Waffen liefern, direkt oder über Umwege, auch sogenannte «schwere Waffen»? Kann man den Krieg, seine Dauer, beeinflussen? Gibt es überhaupt Möglichkeiten Wladimir Putin, den Agressor, an einen Verhandlungstisch zu bringen?
Gestritten wird in der Öffentlichkeit, in Talkshows und natürlich in den sozialen Medien auf (dort manchmal auch unter) jedem Niveau. In den tonangebenden Zeitungen und Zeitschriften, wo die Debatte von Schriftstellern, Wissenschafterinnen, Journalistinnen und Politikern geführt wird, hat sie eine Dringlichkeit erreicht, der man sich als Leser nicht entziehen kann. Das Thema, der Krieg, bringt in seinen sprachlichen Abbildern, in den zahllosen Artikeln und Essays, eine Streitkultur hervor, die dem Leser alle nur denkbaren Argumente für und gegen ein entschiedenes Engagement Deutschlands liefert. Sei es nun der von Alice Schwarzer und einer Reihe von prominenten Erstunterzeichnern publizierte Aufruf an die Regierung, keine schweren Waffen zu liefern und stattdessen einen «Kompromiss» mit Putin zu suchen, oder die Antwort des Publizisten Ralf Fücks, der in einem ebensolchen, von Prominenten mitunterschriebenen Aufruf Kanzler Scholz auffordert, die Ukraine mit schwerem militärischem Material zu munitionieren: die scharf zugeschnittenen Argumente helfen einem beim Mit- und Nachdenken, selbst dann, wenn sie einander unversöhnlich gegenüberstehen.