Apple zahle auf die in eine Tochtergesellschaft auf der Kanalinsel Jersey transferierten Auslandsgewinne von 250 Milliarden Dollar null Steuern, heisst es. Die „Süddeutsche Zeitung“ und die „BBC“ haben es berichtet. Über das raffinierte Steuerumgehungs-Konstrukt von Nike hat der „Tages-Anzeiger“ anschaulich informiert.
Dies nur zwei Beispiele aus der Auswertung der am 5. November veröffentlichten Paradise Papers. Sie haben eine Empörungswelle ausgelöst. Ob darüber hinaus die Enthüllung der skandalösen Steuervermeidung mächtiger Konzerne und superreicher Personen dazu führen wird, dass solche Praktiken eingedämmt werden? An Absichtserklärungen fehlt es derzeit nicht.
Doch nicht alle regen sich auf. Der Wirtschaftschef der „NZZ“ hat sogleich beschwichtigt: Es handle sich bei den skandalisierten Praktiken mehrheitlich um juristisch unbedenkliche und wirtschaftlich sinnvolle Vorgänge. Den enthüllenden Journalisten unterstellt er, es gehe ihnen primär um Profilierung im umkämpften Medienmarkt. Und überhaupt sei Steuerwettbewerb grundsätzlich ein Segen.
Dass die meisten Tricks, Milliardengewinne und -vermögen am Fiskus vorbeizuschleusen, legal sind, ist ja gerade das Problem. So wie das Denken in nationalökonomischen Kategorien durch die Globalisierung von Finanzwelt und Wirtschaft obsolet geworden ist, greifen auch die herkömmlichen staatlichen Regeln der Besteuerung ausgerechnet bei den ganz grossen Fischen zu kurz. Solche Missstände aufzudecken, ist eine klassische Aufgabe kritischer Medien. Kollegenschelte seitens derer, die halt nicht dabei waren, hat einen schalen Beigeschmack.
Auch das Loblied des Steuerwettbewerbs wirkt in diesem Zusammenhang deplatziert. Zwar ist zu begrüssen, dass Staaten die Einwohner und Firmen nicht als Subalterne behandeln können, sondern sich bei ihnen um Akzeptanz bemühen müssen – also im Wettbewerb mit anderen Gemeinden, Kantonen und auch Staaten stehen. Steuern sollen durchaus Teil dessen sein, was sie in die Waagschale zu werfen haben. Aber: Aggressive Tief- oder gar Nullsteuerpolitik ist kein tolerierbares Konkurrenzverhalten. Es erfordert strukturelle Gegenmassnahmen.
Im nationalen Rahmen sind solche Korrekturen mittels Finanzausgleichs wenigstens ein Stück weit möglich. Auf internationaler Ebene muss die notwendige Remedur gegen mächtige und undurchsichtige Player erst noch erzwungen werden. Das wird ein harter Kampf sein; aussichtslos ist er nicht.