Das Auge geht über. Die Revue des verblüffenden Staunens beginnt vor dem Eingang mit dem Kopf der Tunnelbohrmaschine, setzt sich fort mit der Coronado und dem U-Boot „Auguste Piccard" im Innenhof, in den Hallen mit den Flugzeugen, Autos, Motorrädern und Schiffen und will sich nochmals steigern im Planetarium mit der Reise ins All und um Milliarden Jahre zurück bis zur Entstehung der Erde.
Patriotisch geadeltes Ziel
Junioren, Senioren, Vereine und Familien in der Drei-Generationen-Formation – jährlich eine Million Personen – machen aus dem Verkehrshaus Luzern das populärste Museum der Schweiz. Obwohl nicht der Billige Jakob die Eintrittspreise kalkulierte, obwohl die Architektur mit der Ansammlung von Alt- und Erweiterungsbauten mehr das Improvisationsgeschick verrät als die Leidenschaft für Design.
Jahre nach dem letzten Besuch zog es uns wieder hin an den „spannenden und erlebnisreichen Ort der Entdeckung – inmitten von originalen Zeitzeugen der Verkehrsgeschichte“. Pilatus, Rigi, Vierwaldstättersee, Rütli und seit 1959 das Verkehrshaus sind so etwas wie patriotisch geadelte Ziele und verbinden sich mit Erinnerungen an Schulreisen. Einerseits.
Anderseits sieht sich das Verkehrshaus nicht nur im Dienste der schönen Nostalgie, sondern will dem Morgen zugewandt Entwicklungen abschätzen mit Hinweisen „auf zukünftige Herausforderungen in Sachen Verkehr, Mobilität und Kommunikation“. Da stehen uns radikale Umbrüche bevor. Prognosen wecken Neugier.
Geschichte und persönliche Geschichten
Sagen wir es gleich: Der Blick in die Vergangenheit ist wesentlich nachhaltiger als die mutmassende Deutung des teils erhofften, teils befürchteten Wandels.
Fliegende, fahrende und schwebende Objekte, gerade solche aus der Zeit unmittelbar nach ihrer Erfindung, faszinieren. Der Besucher kommt auf seine Rechnung. Bei den älteren kehren die Gedanken zu den Tagen zurück, als Fliegen und Fluglärm noch keine Synonyme waren, als sich die Automarken in Form und Farbe stolz voneinander unterschieden, als sich Seilbahnen und Skilifte mehr oder weniger mit der Natur arrangierten und weder Waldschneisen noch Geländeverschiebungen bedingten. Und die jüngeren Besucher fragen sich kopfschüttelnd, wie es in den historischen Vehikeln um die Bequemlichkeit und die Geschwindigkeit bestellt war.
Das Verkehrshaus veranschaulicht in Hülle und Fülle die Geschichte, die wiederum dazu ermuntert, sich selber und anderen Geschichten von damals zu erzählen. Ein durchaus dialogisches Konzept, wie es die moderne Museumsdidaktik empfiehlt.
In die Jahre gekommen
Insgesamt jedoch hält es das Verkehrshaus vorzugsweise mit dem Infotainment bis hin zur Show, wirkt mit den Präsentationen zuweilen antiquiert und blendet die längst zur Banalität gewordene Tatsache aus, dass sich jedem von uns die Welt und das Wissen digital und wischend mit einer immer raffinierteren Anschaulichkeit erschliessen.
Auf einer Galerie rund um ein Luftbild der Schweiz spazieren und seinen Wohnort suchen? Knisternd aufregend ist das nicht. Auch nicht sonderlich innovativ, per Knopfdruck eine Hebebühne zu bewegen, die aus einem Riesengestell ein ausgewähltes Auto im Massstab 1:1 vors Publikum schiebt. Denn in Bälde steuern die Parkhäuser mit unsichtbarer Zauberhand die Autos vom Eingang aufs Parkfeld und von dort zur Ausfahrt.
Die Wege im Verkehrshaus erscheinen als endlos. Rolltreppen gibt es wenige, Rollbänder keine. Jeder grössere Flughafen ist komfortabler ausgestattet. Warum ein auch an der künftigen Mobilität interessiertes Museum seine Besucher nicht futuristisch erleben lässt, wie geradezu spielerisch sich die Fortbewegung von Personen organisieren lässt, ist gewiss keine zentrale, aber doch eine berechtigte Frage am Rande.
Sphärenmusik und Wortschwall
Dem „State of the Art“ genügt auch das Planetarium nicht mehr, das Weltraumspaziergänge bietet. Wir sahen – angenehmerweise auf guten Plätzen – „Stella nova“ und liessen uns während einer halben Stunde unsere Herkunft und die Evolution der Materie erklären. Action-Kino von einst. Es explodierte, zischte und krachte im All, sphärische Musik untermalte den Wortschwall. Mehr eindruckschindend als eindrucksvoll.
Ermattet von Tönen, vom Recken des Halses und vom Lesen informativer Texte, atmeten wir im ruhigen Restaurant mit seinem verführerischen Buffet durch und wählten als Abschluss die Kunst im Hans Erni gewidmeten Museum. Auf uns wirkte es wie eine aseptische Bildergalerie in einer Ärztezentrale. Wir begnügten uns mit einem raschen Augenschein.
Abwechslungsreich und vordergründig
Wenn das Verkehrshaus eine Antwort auf die Frage sein will, wie sich die Mobilitätstechnik in einer bunten, abwechslungsreichen und populär unterhaltenden Ausstellung zeigen lässt, dann gelingt dies respektabel.
Aber der Einwand ist erlaubt, dass der Segen der Technik einen Tribut verlangt. Er verändert die Gesellschaft oft umwälzender und nachteiliger als erwünscht. Die Rückseite der Medaille bleibt verborgen. Vielleicht – möglicherweise auch nicht – reagiert die künftige Technik auf die bedrückenden Aspekte klug und entwickelt zur olympischen Devise „schneller, höher, stärker“ bahnbrechende Alternativen. Zu Perspektiven äussert sich das Verkehrshaus lediglich marginal. Da herrscht Stau.