Die Huthis wollen die Macht in Jemen nicht nur de facto, sondern auch offiziell ausüben. De facto regieren sie seit September in der Hauptstadt Sanaa.
Allen politischen Parteien und Gruppierungen des Jemens hatten die Huthis ein Ultimatum gestellt. Verlangt wurde, dass sich die Parteien innerhalb von drei Tagen mit den Huthis verständigen. Die Frist verstrich offenbar ergebnislos. Daraufhin riefen die Huthis zu einer Grosskundgebung vor dem Präsidentenpalast in Sanaa auf und erklärten das bisherige Parlament für aufgelöst.
Fünfköpfiger Präsidialrat
Im Weiteren gaben sie die Bildung eines Präsidialrates bekannt, der aus fünf Personen gebildet wird. Dieser Rat werde die Macht in den nächsten zwei Jahren ausüben. Zudem werde ein „Revolutionskomitee“ gebildet, eine Versammlung von 551 Personen. Dieses Komitee habe die Funktion eines Parlaments.
In allen Teilen des Landes, die sie beherrschen, haben die Huthis Revolutionskomitees gebildet. Das sind lose Gruppierungen von Huthi-Anhängern.
Als Vorsitzender des Präsidialrates trat Muhammed Ali al-Huthi in Erscheinung, ein Verwandter des Huthi-Führers Abdel Malek al-Huthi. Im Fernsehen wurde die Bevölkerung aufgefordert, die Machtübernahme der Huthis mit Feuerwerk zu feiern. Daraufhin stiegen über der Stadt Feuerwerksraketen auf. Der bisherige Präsident, al-Hadi, stehe unter Hausarrest, hiess es. Er wollte den Huthis nicht länger als Galionsfigur dienen.
Proteste von vielen Seiten
Zahlreiche politische Parteien und Gruppierungen haben gegen den „Coup“ protestiert. In allen grösseren Städten, in Sanaa, Aden, Taez und Hodeida fanden Protestdemonstrationen statt.
Scharf verurteilt wurde die „Machtusurpation“ von Islah, der einflussreichen Partei, die den Muslimbrüdern nahe steht. Auch die jemenitischen Baathisten, die Nasseristen, die Sozialistische Partei und die "Jugendräte" der Nobelpreisträgerin Tawakkol Karman machten Front gegen den Huthi-„Coup“ – ebenso die Organisatoren der grossen Protestbewegung von 2011 gegen Altpräsident Ali Abdullah Saleh. Auch die Vereinigung aller Stämme der Erdölprovinz Marib verurteilte den "Staatsstreich".
Lebenswichtige Hilfsgelder eingestellt
Der Sicherheitsrat der Uno warnte, er werde Sanktionen ergreifen, wenn die Huthis nicht sofort mit den andern Parteien wieder verhandelten. Die Golfstaaten einschliesslich Saudi-Arabien erklärten sich beunruhigt. Der Vertreter der Uno in Jemen, Jamal Benomar, der die „Nationale Dialog-Konferenz“ von 2013-14 begleitend geleitet hatte, ist sofort nach dem Ablauf der Dreitagefrist nach Saudi-Arabien geflogen, um dort über die Jemen-Frage zu verhandeln.
Saudi-Arabien hat die Zahlungen seiner versprochenen Hilfsgelder eingestellt, was bedeuten könnte, dass in Sanaa zahlreiche Staatsangestellte nicht mehr bezahlt werden können. Schon gegenwärtig beklagen sich viele, dass sie seit sechs Monaten keine Löhne mehr erhielten. Jemen ist so sehr auf die Hilfe der Saudis und der anderen Golfstaaten angewiesen, dass diese mit ihren Geldern über ein starkes Druckmittel verfügen. Ob und wie es eingesetzt werden soll, dürfte eines der wichtigsten Gesprächsthemen Benomars in Riad sein.
Die USA wollen sich auf AQAP konzentrieren
Die Amerikaner vermeiden es, die gegenwärtige Entwicklung als einen Staatsstreich zu bezeichnen. Dies hat legale Gründe. Sie wären nach dem Gesetz verpflichtet, ihre Hilfe und Zusammenarbeit mit Jemen einzustellen, wenn dort ein "Coup" stattgefunden hätte. Für Washington hat die Bekämpfung von AQAP (al-Qaeda in the Arabian Peninsula) Vorrang. Die amerikanischen Militärs und politischen Verantwortlichen sagen, sie müssten sich auf diese Aufgabe konzentrieren. Bekämpft wird al-Qaeda vor allem mit Drohnen.
AQAP erklärte, die Huthis, bittere Feinde von AQAP, seien zu Freunden und Dienern der Amerikaner geworden. Die amerikanischen Sprecher geben zu, dass sich die USA in "indirektem" Kontakt mit den Huthis befänden. Sie wollen vermeiden, dass die Lage noch mehr angeheizt wird, sollte es zu Zwischenfällen zwischen den Huthis und amerikanischen Kräften kommen.
Die Freunde der Huthis schweigen
Von den Iranern und von Altpräsident Ali Saleh Abdullah und seiner Partei, GPC (General People`s Congress) war bisher nichts zu vernehmen. Iran und der Altpräsident stehen den Huthis nahe, obwohl sie das beide dementieren. Offenbar warten sie ab, ob sich die Huthis an der Macht halten können und ob, wie es nun schwer zu vermeiden scheint, ein voller Bürgerkrieg im Lande ausbrechen wird. Die Armee Jemens scheint so stark unter dem Einfluss des Ex-Präsidenten zu stehen, dass sie sich bisher ebenfalls weder hören noch sehen lässt.