Heisst es übrigens „deutsch“ sprechen oder „Deutsch“ sprechen?
Die Sprache ist im Fluss. Wir alle, die schreiben, zweifeln immer wieder. Schreibt man etwas gross oder klein, gibt es einen Bindestrich oder keinen, schreibt man etwas zusammen oder getrennt?
Die Rechtschreibereform hat zusätzliche Unsicherheit geschaffen. Viele schreiben heute zur Hälfte nach den neuen und zur andern Hälfte nach den alten Rechtschreiberegeln.
Natürlich gibt es den Duden. Der passt sich laufend den gesellschaftlichen Veränderungen an. Und er ist tolerant geworden. Wörter stehen heute im Duden, die Deutschlehrer vor wenigen Jahren noch rot durchgestrichen haben.
Auch das Internet hilft bei der Rechtschreibung. Viele, die zweifeln, geben das fragliche Wort in eine Suchmaschine ein und erhalten meist die korrekte Antwort.
Es gibt viele Bücher („Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“) und viele sehr gute, gute und schlechte Websites, die sich um die Sprache kümmern.
… und jetzt gibt es - ganz neu - die 13. Auflage des „Vademecum“ der Neuen Zürcher Zeitung. Vorbild des jetzt 176 Seiten dicken Bändchens ist das „Style Book for Writers and Editors“ der New York Times.
Diese NZZ-Sprachbibel bietet eine fast unterhaltsame Lektüre. Immer wieder blättert man darin, bleibt hängen, staunt, ist überrascht. So macht Sprache Freude.
Hunderte Beispiele werden aufgezeigt. Manche der Sprachbilder, die wir heute gebrauchen, sind verzerrt und unlogisch. Es ist kein Büchlein für Oberlehrer. Auf die Rechnung kommen jene, die die Sprache lieben, ihre Wandlungen wahrnehmen, sich Fragen stellen.
Heisst es „im“ Iran oder „in“ Iran? Es heisst „in Iran“ (Iran immer ohne Artikel), aber „im Irak“ (Irak immer mit Artikel).
„Auf einen kurzen Nenner gebracht“. Falsch, richtig heisst es: „Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht“.
„Bis auf Weiteres“ oder „bis auf weiteres?“ (bis auf weiteres); „seit kurzem“ oder „seit Kurzem“ (seit kurzem); UNO oder Uno? (Uno); NATO oder Nato? (Nato), AIDS oder Aids (Aids).
Das Essen „warm halten“, sich jemanden „warmhalten“. Ladys oder Ladies (heute: Ladys); „richtig stellen“ oder „richtigstellen“? (richtigstellen); „Pleite gehen“ oder „pleitegehen“? (pleitegehen).
Ein „nicht öffentliches“ Archiv oder ein „nichtöffentliches“ Archiv? (beides ist richtig). Eine „17Jährige“ oder eine „17-Jährige“? (17-Jährige), G8 oder G-8 (G-8).
Da werden die gängigen Pleonasmen aufgezeigt: „Vordemonstrieren“, „vorwarnen“, „schlussendlich“, „vorprogrammieren". Kann man etwas „nach-programmieren“? Weitere Pleonasmen: „Die Erlaubnis, etwas tun zu dürfen“. „Die Pflicht, etwas tun zu müssen“. „Das unüberhörbare akustische Geräusch“. „Die tribalen Stammesunruhen“.
„Überwiegende Mehrheit“ – gibt es eine Mehrheit, die nicht überwiegt? Also: „grosse Mehrheit“, „bedeutende Mehrheit“.
Die Atomstromlobby schrieb früher den Redaktionen böse Briefe, wenn sie AKW statt KKW schrieben. Das Wort "Atom" wirkte offenbar abschreckend. Jetzt heisst es im Vademecum „Die Abkürzung KKW verwenden wir nicht mehr. Wir schreiben AKW.“ Ein Schlag für die KKW-Lobby.
Volkswirtschaftler oder Volkswirtschafter? Wissenschaftler oder Wissenschafter? Die NZZ empfiehlt die Schreibeweise ohne – l.
Die Prognose „nach oben anpassen“, „Prognose erhöhen“. Falsch. Prognosen können nur geändert oder veröffentlicht werden. Montblanc oder Mont Blanc oder Mont-Blanc? (Montblanc).
Merkel hat „einen Entscheid gefasst“ – richtig: einen Entschluss fassen. „Das macht keinen Sinn“ oder „das ergibt keinen Sinn“? To make sense heisst auf Deutsch „ergibt“ Sinn.
Das Unwort „US-amerikanisch“ wird durch „amerikanisch“ ersetzt. Wenn nicht die USA gemeint sind, wird das ja klargestellt.
„Emailen, geemailt „ist nicht zu verwenden“. „Zwischenzeitlich“ ist hässlich, besser ist „unterdessen“.
Alt-Bundesrat oder Altbundesrat oder alt Bundesrat?
Eine Politik „führen“ oder „betreiben“?
Und vieles, vieles mehr.
Das Büchlein kann sogar eine vergnügliche Bettlektüre sein, für all jene, denen die deutsche Sprache nicht ganz egal ist.
(hh)
"Vademecum", Der sprachlich-technische Leitfaden der "Neuen Zürcher Zeitung", NZZ libro, 13. überarbeitete Auflage, Zürich 2013