„Nun fingen gelbe Blumen zu herrschen an“. Wer schreibt so? „Das Bild hatte mich angemutet“.
So schreibt Goethe vor 225 Jahren. Sind das Sprachverrenkungen, ist das Sprach-Akrobatik? Heute mag das manchen so vorkommen.
„Regenwetter war eingefallen.“
„Wir standen im Begriff uns zu beurlauben, als er uns zu seiner Frau Mutter führte.“
Die Sprache entwickelt sich. Goethes oft blumige Prosa enthält Ausdrücke und Wendungen, die heute keiner mehr verwenden darf. Gerade deshalb bereitet es Vergnügen, einige dieser alten Perlen zu bestaunen. Hier Beispiele aus Goethes „Italienischer Reise“, die er 1786/87 unternahm. Der erste Teil des Werks erschien 1816.
„Drittens fehlt eine höchstnötige Bequemlichkeit, so dass man dem Naturzustand hier ziemlich nahe kömmt.“
„Das war die Summa meines Gesprächs mit meiner Wirtstochter in Bozen."
„Die Eva ist doch das schönste Weibchen auf dem Bilde und noch immer von alters her ein wenig lüstern.“
„Ein Gesicht von einem recht honetten Anstand.“
„Hier finde ich gar hübsche Wesen, besonders eine schwarzlockige Sorte, die mir einiges Interesse einflösst.“
„Ich bin gut logiert.“
„Übrigens hat Venedig nichts zu besorgen. Die Langsamkeit, mit der das Meer abnimmt, gibt ihr Jahrtausende Zeit."
„Er hat einen siebenjährigen Knaben, von dem er bänglich Nachrichten erwartet“.
„Heute frühe sieben Uhr deutschen Zeigers hier angelangt.“
„Darauf gewann eine Madonna meine Neigung.“
"Dieses Italien, von Natur höchlich begünstigt … blieb gegen alle Länder unendlich zurück."
„Wir wollen darüber nicht weiter grillisieren und rechten.
„Er hat sogar einige Monate bei Voltaire zugebracht, der ihn sehr in Affektion nahm“.
Hier gilt es nun *haushältig sein, wie wir es in Rom schon gelernt.*
„Das muss ich auf einem Blatt Papier befestigen“.
„Der Morgen war kalt und feuchtlich“.
"Die Kerle kann ich nicht ausstehen; die hucken unserem Hause täglich etwas ab."
„Die Gesellschaft anständig munter: „Operisten* und Tänzer, nach Palermo verschrieben.“
Zwei Stunden vor Nacht war der Vollmond eingetreten und verherrlichte den Abend unaussprechlich“.
„Vornehme Personen, welche sich zur Stadt hinaus begaben, um sich zu unterhalten und allenfalls zu courtoisieren.“
„Ich stand in der grossen Strasse auf den Trittsteinen.“
„Er war beschäftigt, das Küchengeschirr aufzuwaschen.“
„Ein grüner Vorhang trennte uns und unser Gepäck von den Hausgliedern, welche in dem grossen Zimmer Nudeln fabrizierten.“
„Ich genoss des herrlichen Morgens am Fenster.“
„Sie solle sich hinweg verfügen, hiess es.“
„Wir mussten verlangen, dass das hübsche Madamchen dabliebe.“
„Er setzte sich sogleich zu Maultier.“
„Auf Herders dritten Teil freu ich mich sehr. Hebet ihn mir auf …“
„Eine wohlgestaltete Dame von sehr zarter und sittlicher Unterhaltung.“
Beim Grafen Fries „fanden sich Literatoren…“
„Eigentlich ist es auch ein „Kolumbianisches Ei*.“
Hofrat Reiffenstein, welcher sein Amt … gehörig ausstudiert hatte, …"
„… die gewohnte Ausfüllung müssiger Stunden in einem fremden Land …“
„Wir sind jetzt in Negotiation wegen einer Villa begriffen.“
„… es ward rätlich gefunden, er solle selbst unverzüglich herankommen.“
„Indessen belohnte sich baldigst der Aufwand von Mühe…“
"Nun hatte die Kirche klüglich einen Mann in ihren Kreis eingeschlossen."
Die weiblichen Gestalten, die versuchen, "in einem niedlichen Offizier den Gegenstand seiner Sehnsucht zu entdecken."
Er fand „einen unwiderstehlichen Trieb, sich nach Rom zu verfügen.
"Wenn die galante Welt sich bin in den Morgen erlustigt."
"Bald sind die Pferde allem Nachschauen verschwunden."
„Lebt wohl und verzeiht die Eilfertigkeit dieser Zeilen.“
(hh)
Frühere Sprach-Kolumnen befinden sich in der Rubrik "Kultur". Oder klicken Sie untenstehende Titel an.
Sprach-Akrobatik [4] Eine Sprachverrenkung, keine Akrobatik, sind die weiblichen Wortendungen, die nur angefügt werden, um eine Verbeugung vor feministischen Ansprüchen zu machen. S.W.
Sprach-Akrobatik [3] Abzockerei auf der Teppichetage? Die Formulierung klingt flott und griffig. R.M.
Sprach-Akrobatik [2] Das Plappern unserer Zeit. S.W.
Sprach-Akrobatik [1] Kreatives aus dem Zürcher Wald. Schreiende Unke. (hh)