Die AARP, die American Association for retired persons, schickt jede Woche Tausende von Testpersonen in Supermärkte, Restaurants, auf Ämter, zu Autoverkäufern und in Banken. Und immer soll getestet werden, wie die älteren Leute behandelt werden. Die Testberichte werden an Medienkonferenzen vorgestellt und ins Internet gestellt. Die AARP mit ihren über 30 Millionen Mitgliedern hat Gewicht. Kritisiert sie diesen oder jenen Betrieb, laufen ihm oft die Kunden davon.
Auch in der Schweiz gibt es jetzt solche Scouts. 23 ältere Leute wurden in diesem Sommer in Bankfilialen geschickt. Sie verwickelten die Anlageberater in ein längeres Gespräch. Ziel war es, herauszufinden, wie weit die Banker auf die Bedürfnisse der älteren Generation eingehen.
Eine Stunde lang eine Rolle gespielt
Getestet wurden – nach dem Zufallsprinzip – 69 Filialen der drei Regionalbanken Clientis, Raiffeisen und Valiant. Man beschränkte sich bewusst auf gesamtschweizerisch tätige Regionalbanken, da man der Ansicht ist, dass vor allem sie es sind, die Kunden mit kleineren Vermögen betreuen. Auf Kantonalbanken verzichtete man, da die einzelnen Institute nicht gesamtschweizerisch organisiert sind.
Die Scouts meldeten sich bei den Bankfilialen unter ihrem richtigen Namen zu einem Beratungsgespräch an. Alle erklärten, sie möchten 100‘000 Franken anlegen. Alle gaben auch gleiche Vermögensverhältnisse an. Eine Stunde lang spielte dann jeder eine zuvor eingeübte Rolle.
Auf die Idee, eine solche Studie durchzuführen, kam man aufgrund einer Untersuchung der Stiftung Warentest bei deutschen Banken. Die meisten dort getesteten Institute schnitten schlecht ab. Die Berater interessierten sich kaum für ältere Leute mit kleinen Vermögen. Oft fehlte es den Bankern an Sachkenntnissen. Der „Spiegel“ spricht von einem „jämmerlichen Niveau“.
Die jetzt in der Schweiz durchgeführte Studie, deren Ergebnisse am Montag in Zürich vorgestellt wurden, steht in krassem Widerspruch zur deutschen Untersuchung.
Nicht immer ernst genommen
Zwar wird auch in der Schweiz die kaufkräftige ältere Generation von den getesteten Regionalbanken nicht immer ernst genug genommen. Die spezifischen Bedürfnisse der Generation 50+ werden bei Anlageberatungen zu wenig berücksichtigt. Doch die fachliche Qualität der Anlagevorschläge wird als gut beurteilt.
In Auftrag gegeben wurde die schweizerische Studie von der „terz-Stiftung“ und der Stiftung spirit.ch. Beide Organisationen setzten sich für eine bessere Respektierung der älteren Leute ein.
Die Ergebnisse der Studie sind wissenschaftlich nicht repräsentativ. Dafür ist die Zahl der untersuchten Filialen zu klein. Doch „die Tendenzen werden richtig abgebildet“, sagt Andreas Giger, Präsident und wissenschaftlicher Leiter der Stiftung spirit.ch. „Hätte man statt 69 mehrere hundert Filialen besucht, wären kleinere Verschiebungen möglich gewesen – doch die Tendenz wäre die gleiche“.
Bemängelt wird vor allem, dass die Anlageberater die konkreten Lebensumstände der älteren Leute zu wenig berücksichtigen. So hat man in den allerwenigsten Gesprächen das Alter der Kunden wissen wollen.
Kritisiert wird auch, dass die älteren Personen nicht gefragt werden, in welchen Branchen sie ihr Geld anlegen wollen.
Gutes Gesamturteil
Vermisst wird das Eingehen der Banken „auf jene immateriellen Werte, die der Generation der über 50Jährigen besonders wichtig sind“. Dazu gehöre etwa die Bewahrung der Natur für alle nachkommenden Generationen. „In diesem Bereich könnte sich für die Banken ein interessantes Geschäftsfeld öffnen.“
Im Gesamturteil liegen die drei getesteten Regionalbanken sehr eng beieinander. So ist es – wegen der kleinen Zahl der getesteten Filialen – wenig sinnvoll, eine Hitparde der Institute aufzustellen. Die Scouts gaben an, dass drei Viertel der Erwartungen bei allen drei Banken erfüllt worden seien.
Gelobt wird das freundliche und menschliche Klima bei den Gesprächen. Die Berater wiesen zudem eine hohe Kompetenz auf und könnten Risiken sowie Gewinn- und Ertragserwartungen realistisch einschätzen.
Die beiden Stiftungen haben bereits das Gespräch mit den Direktionen der getesteten Banken aufgenommen. Ziel der Studie war es nicht, die Banken an den Pranger zu stellen. „Wenn wir das Sensorium der Banken für die ältere Kundschaft schärfen konnten“, erklärt einer der Scouts, „dann haben wir für die nachfolgende Generation einen wichtigen Beitrag geleistet“.