Der ägyptische Geistliche Abu Osama al-Masri soll Organisator des Attentats sein. Dies will die britische Zeitung Sunday Times aus Geheimdienstkreisen erfahren haben. al-Masri führt die islamistische Miliz "Ansar al Beyt al Maqdis", die seit Jahren im Sinai operiert. Er soll sich im vergangenen Jahr dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen und sich dem IS-„Kalifen“ Abu Bakr al Baghdadi unterworfen haben.
al-Masri soll in einer Audio-Botschaft als erster die Verantwortung für den Absturz übernommen haben. Der britische Geheimdienst glaubt, seine Stimme erkannt zu haben.
Komplize am Flughafen
Laut Sunday Times bestätigen britische Geheimdienstkreise, dass Grossbritannien Russland und Ägypten helfen wolle, in einer „Kill-or-capture-Mission“ al-Masri zu töten oder festzunehmen. Das würde nach Informationen der Zeitung den Einsatz der britischen SAS-Spezialeinheit (Special Air Service) bedeuten.
Die Sunday Times will auch erfahren haben, dass al-Masri einen Komplizen unter dem Personal des Flughafens in Scharm el-Scheich angeheuert hat. Diesem sei es gelungen, eine Bombe in das Flugzeug zu bringen, möglicherweise versteckt in einer Sauerstoffflasche für Taucher.
Britische Hintermänner?
Gemäss dem britischen „Independent on Sunday“ seien am Flughafen von Scharm el-Scheich zwar Kameras installiert, die das Personal beim Verladen des Gepäcks und die Check in-Schalter überwachen. Doch die Monitore, die die Bilder der Kameras übermitteln, würden zur Hälfte nicht kontrolliert. Manchmal würden sie überhaupt nicht überwacht, erklärte ein Angestellter dem Independent. Zudem seien einige Kameras defekt.
Der Sunday Telegraph seinerseits hat in Erfahrung gebracht, dass möglicherweise britische Jihad-Kämpfer, die sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen haben, für den Absturz mitverantwortlich sind. Der Geheimdienst habe Jihadisten-Kanäle abgehört, auf denen Botschaften über das Attentat ausgetauscht wurden. Da seien Männer mit Londoner und Birmighamer Akzent zu hören gewesen.
"Explosionsgeräusch"
Wenige Sekunden vor dem Absturz des russischen Ferienfliegers sei „ein Geräusch“ auf dem Stimmenrekorder zu hören. Dies erklärt das ägyptische Untersuchungsteam. Der französische Fernsehsender France 2 will aus Ermittlungskreisen erfahren haben, dass es sich um „ein Explosionsgeräusch“ handle.
Ayman al-Muqaddam, der Leiter der ägyptischen Untersuchungsbehörde, sagte in Kairo, in spezialisierten Labors werde jetzt „eine spektrale Analyse“ durchgeführt. So hoffe man, das Geräusch näher identifizieren zu können.
"Keine voreiligen Schlüsse"
Russische und ägyptische Behörden warnen vor voreiligen Schlüssen über die Absturzursache. Britische und amerikanische Regierungskreise hingegen gehen davon aus, dass der Absturz des Metrojet Flug 9268 durch eine Bombe an Bord verursacht worden war.
224 Menschen, vorwiegend russische Touristen, die vom ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich nach St. Petersburg zurückfliegen wollten, kamen bei dem Unglück am 31. Oktober ums Leben.
Auf 13 Kilometer verstreut
Wegen schlechten Wetters auf der Sinai-Halbinsel werden zurzeit die Untersuchungen am Absturzort verzögert. Ziel ist es, die Trümmer des abgestürzten Flugzeuges, eines Airbuses 321, so rasch wie möglich nach Kairo zu bringen. Dort sollen sie von Spezialisten untersucht werden.
Die Überreste des Flugzeugs sind auf einer Länge von 13 Kilometern verstreut. Laut Ayman al-Muqaddam sind noch immer Teile der abgestürzten Maschine nicht gefunden worden.
Kritik am Westen
58 Experten sind dabei, der Absturzursache auf den Grund zu gehen, unter ihnen 29 aus Ägypten. Zum Untersuchungsteam gehören auch Spezialisten aus Russland, Frankreich (wo sich der Hauptsitz von Airbus befindet), Deutschland (wo er zum Teil zusammengesetzt wurde) und Irland (wo er registriert war).
Der ägyptische Aussenminister Sameh Shoukry kritisierte westliche Kreise, die schnell von einer Bombe als Absturzursache sprechen. Noch sei überhaupt nichts klar. Und wenn jemand etwas wisse, sagte der Minister, wäre es von Vorteil, die ägyptischen Behörden zu informieren, statt die Informationen den Medien zu liefern.
Repatriierung
Inzwischen haben russische Flugzeuge damit begonnen, die gestrandeten russischen Feriengäste in Scharm el-Scheich nach Hause zu fliegen. Russisches Armee-Personal organisiert am Flughafen des Badeortes die Repatriierung und kontrolliert das Gepäck. Etwa 80'000 russische Feriengäste halten sich zurzeit in Ägypten auf. Die meisten befinden sich in Hurghada und Scharm el-Scheich.
Gemäss der ägyptischen Zeitung al-Ahram haben neben Russland auch Grossbritannien, Deutschland und Italien leere Flugzeuge nach Scharm entsendet, um ihre Landsleute abzuholen. Bereits sind mehrere hundert Russen in ihr Land zurückgebracht worden. Italienische Maschinen haben in der Nacht zum Sonntag die ersten 200 gestrandeten Italiener heimgeflogen.
Zwischenfall am 23. August
Spekulationen gibt es nach wie vor über einen Zwischenfall am 23. August. Beim Landeanflug auf Scharm el-Scheich war eine Maschine der britischen Fluggesellschaft Thomson Airways nur knapp von einer Rakete verfehlt worden. Dies berichtete der britische „Guardian“.
Ägypten versuchte von Anfang an, den Zwischenfall herunterzuspielen, um nicht noch weitere Touristen abzuschrecken. Das Verteidigungsministerium erklärte, die Rakete sei irrtümlich während eines ägyptischen Militärmanövers abgeschossen worden. Sie hätte aber das Flugzeug nie gefährdet. Demgegenüber erklärten die Piloten, nur dank einem Ausweichmanöver im letzten Moment, sei ihre Maschine mit über 180 Menschen an Bord nicht getroffen worden.
Jetzt erklärt das ägyptische Verteidigungsministerium die Rakete sei eine Boden-Boden-Rakete und keine Boden-Luft-Rakete gewesen. Die britischen Behörden seien im Voraus über die Manöver informiert worden. Gemäss dem Sunday Telegraph sei nichts von einer solchen Information bekannt.
J21/Agenturen/Sunday Times/Sunday Telegraph/Independent/France 2/Guardian