Business as usual! In einem der reichsten Länder der Welt diskutieren, argumentieren, polemisieren und streiten Fachleute, Laien, Politiker, Politikerinnen und Publicity liebende Selbstdarsteller um ein Geschäft, das einfach nur der Sicherheit des Landes in einem Krisenfall dienen soll: Die Beschaffung von 30, vielleicht 35 neuen Kampfflugzeugen, die in spätestens zehn Jahren unsere der Pensionierung entgegenfliegenden 30 F/A-18 Hornet ersetzen sollen.
Diese sind dann über dreissig Jahre alt – technisch veraltet, altersschwach. Doch die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), unterstützt von der SP Schweiz und den Grünen Schweiz, hat bereits ein Referendum gegen die Abstimmung für einen Sechs-Milliarden Kredit für die Flugzeugbeschaffung (voraussichtlich im September) angekündigt. Sie möchte das Geschäft platzen lassen.
Mit VW-Käfer ein F1-Rennen gewinnen
Balthasar Glättli, Nationalrat und Fraktionschef der Grünen, unterstützte die potenziellen Armeeabschaffer (GSoA) kürzlich in einer Pressemeldung mit dem Argument: «Zur Erfüllung des Luftpolizei-Auftrags genügen die vorhandenen F/A-18 längst, zumal wir von Freunden umgeben sind.» Acht bis zehn dieser angejahrten Jets genügen laut Glättli völlig.
Eine Mini-Luftwaffe mit acht bis zehn Jets? Sollte das GSoA-Referendum bei der Abstimmung Erfolg haben, könnte unsere Armee in zehn Jahren nur noch einige wenige Kampfjets besitzen, für die nach 2030 nur noch ein Vergleich gelten kann: Mit einem VW-Käfer ein Formel-1-Rennen gewinnen wollen. Für die paar Northrop F-5 Tiger, die noch als Kunstflugformation «Patrouille Suisse» bei unserer Luftwaffe sind, gilt das schon heute.
Übe 500 Düsen-Kampfjets
Doch Themawechsel jetzt. Eigentlich ist es mir ein Anliegen zu zeigen, was wohl viele Schweizer und Schweizerinnen nicht wissen; nämlich wie gross, kampfstark und stolz unsere Luftwaffe einmal war. Als ich 1961 in Payerne (VD) in die Fliegertruppen-Rekrutenschule 230 einrückte, hatte die damals noch ganz offiziell Flugwaffe genannte Armeeeinheit rund 500 Jet-Kampfflugzeuge im Einsatz. Eine der stärksten Flugwaffen Europas.
Da waren die schon seit 1949 im Einsatz stehenden, zwar schon etwas angejahrten, aber absolut noch kampftauglichen 75 DH-100 Mk 6 Vampire. Von der Firma De Havilland in Hatfield GB gebaut und die ganze Flotte von Hatfield nach Emmen LU überflogen, ganz ohne Zwischenfälle, trotz eher knapper-Reichweite dieser Flugzeuge von nur 600 km.
Holzvogel Vampire
Eine ganz besondere Eigenheit dieser Briten-Jets war, dass ihr Rumpf aus Pressholz gefertigt war, mit Blech ummantelt. Deshalb wurden die Vampire liebevoll auch «wooden bird», Holzvogel genannt. «Nach einem Unfall muss man damit zum Schreiner», scherzten die Flugzeugwarte gerne.
«Wooden bird», hätte wohl auch dem damaligen Basler Nationalrat Felix Moeschlin (LdU) besser gefallen. Vampire, Blutsauger sei kein schöner Begriff für die Schweiz, soll er 1947 in der Debatte um die Vampire-Beschaffung gesagt haben. Der «Holzvogel» aus England verfügte jedoch bereits über eine rudimentäre Nachtflugausrüstung und war bei einem Kampfgewicht von 5800 kg mit Kanone, Bomben oder Raketen für Jagd- und Erdkampf bestückt.
Die Piloten liebten dieses erste Düsenflugzeug unserer Flugwaffe. Es war relativ leicht zu fliegen. Zuvor mit Propellermaschinen geflogene Militärpiloten brauchten laut dem damaligen Staffelkommandanten Arthur Bill im Durchschnitt nur 27 Flüge, um die Vampire sicher operieren zu können. Nicht zuletzt deshalb wurde ab 1951 eine stolze Hunderterserie von bereits modernisierten DH-100 MK 6 Vampire eingeführt. Neben verbesserter Nachtflugausrüstung besassen sie ein für diese Zeit akzeptables Blindflugsystem. Und ab 1960 waren alle mit einem Schleudersitz ausgerüstet. Das maximale Kampfgewicht war gegenüber der ersten Vampire-Serie vergrössert und die Höchstgeschwindigkeit leicht auf 820 km/h erhöht. Der Rump jedoch war weiterhin aus Pressholz gefertigt. Bewaffnung weiterhin Kanone, Bomben oder Raketen.
Jetzt «made in switzerland»
Eine grosse, für die Schweizer Wirtschaft erfreuliche Entwicklung war, dass die zweite Serie Vampire zwar auch in England entwickelt worden waren, jedoch in der Schweiz in Lizenz gebaut werden durfte. Die Hauptakteure dabei waren die Flugzeugwerke Emmen, die Dornier-Werke Altenrhein (Do-Flug AG) sowie der Flugzeugbauer Pilatus AG Stans. Dies war ein so umfangreicher Lizenzbau, wie er heute nicht mehr möglich wäre, wie die Flugzeughersteller ihn nicht mehr erlauben würden.
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass in den modernen Militärjets extrem viel geheime Hightech, modernste Elektronik, Datenmaterial etc. steckt, welches die Hersteller keinesfalls zwecks Lizenzbau weitergeben, ja verraten mögen.
Nur die Strahltriebwerke der zweiten Generation Vampire wurden weiterhin von De Havilland gebaut und mit Ju-52-Maschinen der Schweizer Flugwaffe von Hatfield nach Emmen geflogen. Rund 20 Jahre lang standen die «Vämpi» im Dienste der Schweiz. Doch schon Jahre zuvor war es Zeit, sich um ein neues, moderneres Fluggerät zu kümmern.
Die Venom kommen
Ab 1954 stiegen zusätzlich zu den Vampiren die optisch sehr ähnlichen Venom in den Schweizer Himmel. 126 Exemplare des DH-112 Mk 1 Venom wurden beschafft. Bei ihnen war alles Technische ein Stück besser als bei den Vampire: Kampfgewicht nun 7100 kg, Höchstgeschwindigkeit 920 km/h, 700 km Reichweite.
Ab 1956 folgten weitere 100 Kämpfer des Typs DH-112 Mk 4, ausgerüstet mit verbesserten Zielgeräten für den Bombenweitwurf, mit Druckkabine, Feuerlöschanlage, Blind- und Nachtflugausrüstung sowie einer von den Piloten sehnlichst erwarteten Neuheit: Servosteuerung. Auch diese Serie Venom wurde in Lizenz in Emmen, Altenrhein und Stans gebaut. Selbst die Düsentriebwerke durften jetzt von der Gebr. Sulzer AG Winterthur gefertigt werden.
Wie die Vampire standen auch die Venom gut 20 Jahre am helvetischen Himmel im Einsatz.
Der Jäger kommt
Nach der Auslieferung der gesamten Venom-Flotte musste 1957 auf Wunsch der Flugwaffe etwas Neues als Ersatz für die alten Vampire gesucht werden. Und wieder kam ein Brite zum Zug und ab 1958 zum Einsatz: Der topmoderne Abfangjäger und Erdkämpfer Hunter F Mk 58 der Firma Hawker Aircraft Ltd., Kingston GB. Der ganz ohne Pressholz gebaute Kampfjet begeisterte sofort die Fachleute – und wie! Im Buch «Die Flugzeuge der schweizerischen Fliegertruppe seit 1914», herausgegeben 1974 von der Abteilung Militärflugplätze Dübendorf, ist zu lesen: «Anlässlich der Erprobung hat der Fabrikpilot im Talkessel über dem Flugplatz Meiringen derartige Flugmanöver ausgeführt, dass wir, gemeint ist das Bodenpersonal, nicht mehr zum Staunen heraus kamen.
Dem Vorführungsflugzeug ist alsdann das schweizerische Hochgebirgs-Abzeichen verliehen worden. Dieser Auszeichnung ist der Hunter Mk 58 in allen Teilen gerecht geworden. Er stellt noch heute (1974, die Red.) die Hauptstütze unserer Flugwaffe dar.» Obwohl der Hunter, nebst Kanonen und Bomben auch mit Lenkwaffen und Raketen ausgerüstet war und mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 1150 km/h sowie maximaler Einsatzhöhe von 11600 m.ü.M eine ganz andere Kategorie Kampfjet als die Vampire und Venom darstellte, waren die anfänglichen Zweifel, er könnte nicht miliztauglich sein, also von Milizpiloten nicht geflogen werden können, bald ausgeräumt.
Der Abstieg beginnt
Ab mitte der 60er-Jahre kamen zu den Vampire, Venom und Hunter der Schweizer Luftwaffe 57 neu beschaffte Mirage III dazu. Eigentlich hätten es 100 Mirage sein sollen, wegen Kostenüberschreitung wurde jedoch drastisch gekürzt. Dazu hiess es im Buch «Die Flugzeuge der schweizerischen Fliegertruppe seit 1914» schon 1974: «Mit diesen Kürzungen wurden die noch heute andauernden Beschaffungs- und Bestandesschwierigkeiten bei der Flugwaffe eingeleitet.
Mitte der 70er-Jahre wurden weitere 60 in England werkrevidierte Occassions-Hunter beschafft, weil die ältesten Maschinen der Flugwaffe nach und nach ausser Betrieb genommen werden mussten. Eigentlich hätte zu diesem Zweck eine Serie neuer Kampfjets politisch bewilligt und beschafft werden sollen. Weil man sich beim Typenentscheid nicht einig wurde, setzte der Bundesrat schliesslich dem politischen Gerangel mit einem Nullentscheid ein Ende.
Heute läuft, wie anfangs erwähnt, wieder ein Kampfflugzeug-Beschaffungsgerangel – um die mickrige Anzahl von 30, vielleicht 35 Maschinen, der Typenentscheid steht noch aus. «So um die hundert Flugzeuge wären eigentlich gut und sinnvoll für unsere Wehrfähigkeit. Falls gegen 50 Einheiten beschafft werden, müssen wir das akzeptieren – als Kompromiss», sagt der Journalist Olav Brunner, langjähriger Militärpilot und später Jumbo-Kapitän der Swissair.