Trotz aller zwänglerischen Volkstümelei, uns eine neue Landeshymne zu verpassen, werden wir am diesjährigen 1. August wiederum den 1981 offizialisierten "Schweizerpsalm" singen oder versuchen, eine gesangsähnliche Leistung zu erbringen. Der von Leonhard Widmer 1840 geschriebene Text, den Alberich Zwyssig 1841 vertonte, gilt als zu gefühlvoll, als naiv gläubig und von der Zeit längst überholt.
Doch auch eine andere Lesart ist möglich: Der Text zeichnet sich durch Bildhaftigkeit aus. Er vermeidet jede Heldenpose und jeden patriotischen Überschlag. Seine Haltung ist demütig. Ein Psalm, kein aufpeitschendes Kampflied. Er stösst niemanden, gleichgültig welcher Religion, vor den Kopf.
Der "Schweizerpsalm" entstand, als eine zerrissene Schweiz um den Bundesstaat rang. Die Einheit war das Anliegen des liberalen Leonhard Widmers. Auch insofern ist die Landeshymne modern. Sie deckt sich im Geist nicht nur mit der Präambel der Bundesverfassung von 1848, sondern auch mit der Einleitung zur Bundesverfassung von 1999.
Der "Schweizerpsalm" wäre mit seinem Denkschwung, seiner Anschaulichkeit, seiner schlichten, aber berührenden Sprache eine Vorlage für jede 1.-August-Rede, wenn diese etwas zu tun haben soll mit der Schweiz und nicht mit einem Gefilde der Seligen hinter einer helvetischen Mauer.