- „Seine Hand fassend, trat sie mit ihm durch die schmale Pforte.“
- „Mit scharfem Ohr lauschend, liess er sich kein Wort des interessanten Gesprächs entgehen.“
- „An (Pfarrer) Waser sich wendend, fuhr er mit aufgeregter Rede fort.“
- „Gehabt Euch wohl!“ grüsste er, sich rasch in den Sattel schwingend.“
Huldvoll grüssend, seine Hand fassend, mit scharfem Ohr lauschend, sich an den Pfarrer wendend, sich in den Sattel schwingend ...
Diese Beispiele sind 140 Jahre alt. Sie stammen aus der Historiennovelle „Jürg Jenatsch“ von Conrad Ferdinand Meyer.
Heute kommen uns diese alten Formen mehr und mehr abhanden. Nur selten findet man sie noch. Für viele wirken sie antiquiert – oder versnobt.
- „Die Meeresluft tief einatmend, eröffnet sie ihm, dass sie schwanger ist.“
- „Eine Zigarette rauchend, sah sie ihm tief in die Augen.“
- „Das Handy am Ohr haltend, verzog er etliche Grimassen.“
Grammatikalisch gesehen, handelt es sich um Partizipialsätze mit dem Partizip Präsens.
Solche Konstrukte, also Sätze mit Verben, die auf -nd enden (grüssend, rauchend, fassend), drücken aus, dass zwei Handlungen gleichzeitig geschehen. Sie raucht eine Zigarette und gleichzeitig blickt sie ihm in die Augen.
Im Deutschen sind solche Konstruktionen vor allem noch in alten Romanen anzutreffen. In den Medien fehlen sie fast ganz.
In keiner Zeitung liest man heute: „Die afghanischen Taliban, seit zehn Jahren gegen die Regierung in Kabul kämpfend, haben sich zum Attentat nahe der amerikanischen Botschaft bekannt.“
Niemand schreibt: „Theresa May, schon lange um ihren Ruf und ihre Regierung kämpfend und bangend, konnte am Mittwoch erstmals aufatmen, wenn auch nur für kurze Zeit.“
Um eine Gleichzeitigkeit auszudrücken, verwenden wir heute die Wörter „indem“ oder „während“. Oder wir machen zwei Hauptsätze. „Theresa May kämpft schon lange um ihren Ruf. Am Donnerstag konnte sie erstmals aufatmen.“
In der gesprochenen Sprache, also in Reden, Vorträgen Präsentationen, findet man Partizipialkonstruktionen mit dem Partizip Präsens kaum.
Kein Manager sagt: „Sehr verehrte Aktionäre, mit einem Stein vom Herzen fallend kündige ich ihnen, die miserable Performance der letzten Monate hinter uns lassend, an, dass jetzt alles besser wird.“
Nicht nur in der gesprochenen Sprache: auch in den heutigen Romanen verschwinden Partizipialkonstruktionen immer mehr.
Dies soll kein Plädoyer für die aussterbenden Partizipialsätze sein. Aber charmant waren sie manchmal eben doch. Man denke an die „huldvoll grüssende Herzogin“.
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PS: Dies soll keine Deutschstunde sein. Nur zur Ergänzung. Es gibt auch Partizipialsätze mit dem Partizip Perfekt. Dieses drückt zwei sich folgende Handlungen aus und kommt häufiger vor: „In Buenos Aires gelandet, rief er sofort seine Frau an.“