Geldwäscherei, Korruptionsbekämpfung, Oligarchen-Paradies – immer wieder gerät die Schweiz in die Medien im Zusammenhang mit fehlender Transparenz. Die Politik tut sich schwer mit der Akzeptanz eines erfreulichen Trends der letzten Jahrzehnte. Immer mehr Dunkelkammern in Politik und Gesellschaft werden hell erleuchtet. Schweizerinnen und Schweizer haben es satt, im Dunkeln gelassen zu werden.
Transparency International Schweiz (transparency.ch) bekämpft Korruption in der Schweiz und in den Geschäftsbeziehungen von Schweizer Akteuren mit dem Ausland.
Whistleblower leben gefährlich
Whistleblower, also jene Menschen, die «geheim eingestufte» Missstände am Arbeitsplatz öffentlich bekannt machen, leben gefährlich. Noch immer werden sie in der Schweiz oft angeklagt oder gar entlassen. «Sind sie nun Denunzianten oder Helden?» fragte einst die NZZ.
In der Schweiz wird über diese Frage seit mehr als 15 Jahren debattiert. Dass längst ein grundlegender Sinneswandel stattgefunden hat, ist noch nicht zu allen Führungsetagen in Politik und Wirtschaft durchgedrungen. Grosskonzerne wie Nestlé oder Roche haben – nach internen Skandalen – dem Druck nachgegeben und interne Meldestellen für Missstände eingerichtet. Die neue Whistleblower-Richtlinien in der EU sorgen dafür, dass solche eingeführt werden, nicht zuletzt, weil sich langsam die Einsicht durchsetzt, dass es für Firmen auch in Bezug auf Nachwuchsförderung wichtig ist, über eine ethische Unternehmenskultur zu verfügen.
In der Schweiz fehlen nach wie vor die gesetzlichen Verankerungen des Informationsschutzes. Längst müssen im EU-Raum Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden ein entsprechendes Meldesystem einrichten, ab 2023 wird die Grenze sogar massiv, auf 50 Mitarbeitende, herabgesetzt. Patrick Krauskopf, Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), äussert sich zur unbefriedigenden Situation in unserem Land deutlich: «Wenn relevante Verstösse unter dem Deckel gehalten werden, so ist das sowohl aus ethischer Sicht als auch volks- und betriebswirtschaftlich problematisch.» («Neue Zürcher Zeitung»)
Dunkelkammer Politik
Nicht zum ersten Mal meldete sich Transparency zum Thema Politikfinanzierung, nachdem das eidgenössische Parlament im Sommer 2021 den Gegenvorschlag zur «Volksinitiative für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenzinitiative)» gutgeheissen hat. «Damit ebnet das Parlament den Weg, damit auch die Schweiz – als einer der letzten Staaten Europas – zumindest auf Bundesebene endlich für mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung sorgt.»
Jetzt sind allerdings die Kantone gefordert, um auch hier diese unverzichtbare Voraussetzung für eine zeitgemässe Demokratie und für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik zu festigen.
Mit der Zustimmung zum Gegenvorschlag anerkennen National- und Ständerat, dass in der Schweizer Politikfinanzierung derzeit viel zu viel im Dunkeln bleibt. Es verbleiben allerdings Defizite: Die Transparenz umfasst nur Grossspender*innen ab CHF 15’000, die offenzulegenden Angaben werden nur stichprobenweise kontrolliert und für die Ständeratswahlen sind keine Transparenzregeln vorgesehen.
Also – Hand aufs Herz – wollte ein bekannter, reicher Politiker seiner Partei dringend eine halbe Million Franken spenden (es soll Gönner geben, die jährlich ein Vielfaches «vermachen») –, was hielte ihn davon ab, während eines Jahres bei seiner Bank einen wöchentlichen Dauerauftrag über 9’615 Franken, zahlbar z. B. an die SVP, einzurichten?
Wir sind also ein Schrittchen weiter – wann folgen weitere?
Schweiz, das Schlusslicht in Europa
Es bleibt also viel zu tun. Zwar haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Jura im Februar 2022 die Verfassungsinitiative «Transparenz bei politischen Parteien» mit 60 Prozent angenommen. «Dies ist wichtig», schreibt Swissinfo (swissinfo.ch/ger/politikfinanzierung), «denn gemeinsam mit Belarus gehört sie [die Schweiz] seit langem zu den Schlusslichtern in Europa, wenn es darum geht, die Finanzierungen politscher Aktivitäten offenzulegen.»
Vergessen wir nicht, dass die Schweiz auch von der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption («Greco») wiederholt scharf kritisiert worden ist. In der OECD, dem Zusammenarbeitsorgan der grössten Volkswirtschaften weltweit, ist die Schweiz heute gar das einzige Land ohne entsprechende Regelungen auf nationaler Ebene.
Dieser Zustand ist kein Ruhmesblatt für uns. Könnte es sein, dass diese Bestrebungen nach mehr Durchblick in der Bevölkerung zwar sehr populär sind, in der Politik aber nicht? Wenn ja, warum ist das so?
Der Kampf gegen die Geldwäscherei
Im traurigen Kapitel «Putin gegen die Ukraine» muss die Schweiz – was die Sanktionen gegen russische Oligarchen betrifft – ebenfalls über die Bücher gehen. Experten gehen davon aus, dass zwischen 50 und 150 Milliarden Franken an russischen Vermögen in der Schweiz liegen. Sie schlagen vor, dass die Schweiz eine Taskforce einsetzt, um solche Vermögen aufzuspüren. Längst ist bekannt, dass sich hinter undurchsichtigen Unternehmenskonstruktionen oft kriminelle Energie zu Geldwäschereizwecken verbirgt.
Anfangs März 2022 hat das zwischenstaatliche Gremium FATF (Financial Action Task Force) die Revision der Anti-Geldwäscherei-Empfehlung Nr. 24 zur Transparenz der wirtschaftlichen Berechtigten an juristischen Personen verabschiedet. Transparency Schweiz begrüsst die überarbeitete Empfehlung als wichtigen Schritt im Kampf gegen die Geldwäscherei und Korruption. Transparency findet, dass die Schweiz in der Pflicht steht, diese Empfehlungen ins nationale Recht umzusetzen. Die Behörden müssten endlich ein zentrales öffentliches Registers der wirtschaftlich Berechtigten an juristischen Personen einführen.
Der Zugriff auf solche Informationen würde es der Zivilgesellschaft und Journalisten erlauben, für die Prävention und Bekämpfung von Korruption und Geldwäscherei mit diesen Angaben arbeiten zu können.
Handlungsbedarf bei der Korruptionsbekämpfung
Einer Mitteilung von Transparency International Schweiz anfangs 2022 ist zu entnehmen, dass unser Land auch einen grossen Handlungsbedarf in der Korruptionsbekämpfung hat. Im Ländervergleich zur Wahrnehmung der Korruption im öffentlichen Sektor (CPI: Corruption Perceptions Index) schneidet die Schweiz zwar weiterhin gut ab, fällt aber von Rang 3 auf Rang 7 zurück. Einmal mehr verfehlt sie mögliche Bestwerte deutlich. «Ausserdem weist sie erhebliche Mängel auf in Bereichen, die vom Index nicht erfasst sind: namentlich bei der Geldwäschereibekämpfung, bei der Regulierung des Lobbyings und beim Schutz von Whistleblowern» (transparency.ch).
Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency meint zur Tatsache, dass wir im letzten Jahr auf dieser Rangliste von Finnland und Norwegen überholt wurden: «Wir sollten deshalb endlich die noch immer weit verbreitete Vetternwirtschaft unterbinden und den Umgang mit Interessenkonflikten verbessern.»
Sind wir ein Paradies für Oligarchen?
Im Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine schrieb der Beobachter kürzlich: Die Schweiz – ein Paradies für Oligarchen. 200 bis 300 Milliarden Franken haben russische Oligarchen in der Schweiz parkiert. Die hiesigen Gesetze, Anwälte und Treuhänder bieten ihnen Hand – trotz Sanktionen.
Ein russischer Oligarch, der seit dem 28. Februar auf der EU-Sanktionsliste steht, die auch die Schweiz übernommen hat, hat Probleme: beschlagnahmte Güter, gesperrte Konten, blockierte Kreditkarten. Begründung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) für diese Massnahme: Er sei mit der Verwaltung von Finanzströmen betraut, «deren Position vom Willen des russischen Präsidenten abhängt».
Die Frage, ob die Schweiz ein Paradies für Oligarchen sei, ist beantwortet, bevor sie gestellt wird. Natürlich ist sie es. Ein Zuger Kantonsrat meinte kürzlich: «Zug ist eine wichtige Einkommensquelle für Putin, um den Krieg zu finanzieren.» («Neue Zürcher Zeitung») Und Genf? Dort wird seit rund 50 Jahren in grossem Stil mit Öl gehandelt. Da wie dort sorgen undurchsichtige Holdingstrukturen aus Mutter- und Tochtergesellschaften für Intransparenz. Wenn es zutrifft, dass über 75 Prozent des russischen Erdöls über die Schweiz gehandelt wird, was täglich Hunderte Millionen in die russische Kriegskasse spült, stellt sich eine andere Frage: Wie lange kann es sich die Schweiz noch leisten, als Fundament eines sicheren Oligarchen-Paradieses zu gelten?
Eine Momentaufnahme: Ein Monat nach Inkrafttreten der EU-Sanktionsliste, am 30. Tag des Ukrainekrieges (25.03.2022) hat die Schweiz 5,75 Mrd. vermögender Oligarchen eingefroren (ca. 2,5 Prozent des relevanten, geschätzten Gesamtvermögens in der Schweiz).
Alles hängt mit allem zusammen: Fehlender gesetzlicher Wistleblower-Schutz, mangelnde Transparenz bei der Politikfinanzierung, Abseitsstehen bei der internationalen Anti-Geldwäscherei-Empfehlung Nr. 24, ungenügende Korruptionsbekämpfung, Oligarchen-Paradies.