Die Bewohner der schiitischen Städte und Dörfer im Osten und Südosten Saudi-Arabiens haben begonnen, freiwillige Sicherheitskräfte zu engagieren. Sie sollen dafür sorgen, dass keine Attentäter in ihre Moscheen eindringen.
Die Wächter gehören Sicherheitskomitees an, die sich in vielen Orten gebildet haben. Sie sind unbewaffnet und tragen Armbänder, die sie als Sicherheitswächter ausweisen.
Eine fast rein sunnitische Polizei
Die lokalen Sicherheitskräfte argumentieren, sie und ihre Wächter seien in der Lage, Fremde zu erkennen, die sich in die Moscheen einschleichen wollten. Die sunnitische saudische Polizei besitze nicht die nötigen Orts- und Menschenkenntnisse.
Die saudische Polizei besteht fast ausschliesslich aus Sunniten, und zwar auch in den schiitischen Gebieten. Schiiten werden so gut wie nie in die Polizeikräfte aufgenommen.
Polizei: Feind oder Freund?
Schiiten berichten, seit 2011 errichteten die "sunnitischen" Polizisten Strassensperren an den Ein- und Ausgängen der schiitischen Ortschaften. Ins Innere der Dörfer und Städte dringen sie nur, wenn sie schwerbewaffnete Razzien durchführen.
An den Strassensperren kommt es immer wieder zu Reibungen und Streit zwischen den Bewohnern und der Polizei. Gelegentlich würden gar Leute erschossen. Deshalb befürchten manche lokale Schiiten, die staatlichen Polizisten sympathisierten mit Kreisen des „Islamischen Staats“ oder gehörten ihm sogar im Geheimen an.
„Vorsichtige Zusammenarbeit“?
Der saudische Staat hat bisher die zivilen Wächter weder gebilligt noch verboten. In der Praxis, so sagen die lokalen Schiiten, bestehe eine "vorsichtige Zusammenarbeit" mit der Polizei, die sich ausserhalb der Siedlungen aufhalte.
Erstmals eingesetzt wurden die Wächter während der riesigen Begräbnisfeierlichkeiten für die Opfer der jüngsten Anschläge auf schiitische Moscheen. Zehntausende Menschen hatten an den Feiern teilgenommen.
Anschlag auf Moscheen
In der ostsaudischen Stadt Dammam hatten vergangene Woche zwei Wächter ein Blutbad verhindert. Sie überwältigten einen Selbstmordattentäter vor dem Eindringen in eine Moschee, in der Hunderte beteten. Der Täter, der im Auftrag der „Islamischen Staats“ handelte, zündete seinen Sprengstoffgürtel: Die beiden Wächter und der Attentäter kamen um Leben.
Eine Woche zuvor hatte ein Bombenanschlag während des Freitagsgebets in einer schiitischen Moschee bei Qatif 22 Menschenleben gefordert.
Personenkontrollen
Bei den jetzigen Begräbnisfeiern hatten die Wächter Personenkontrollen durchgeführt. So wollten sie verhindern, dass sich Selbstmordattentäter unter die trauernde Menge mischten.
Nun scheinen die Wächter eine Art permanenter Bürgerwehr einzurichten. Die Frage ist, ob die saudische Regierung dies duldet.
Entspannung oder Bürgerkrieg?
Davon hängt ab, ob sich das Verhältnis zwischen der saudischen Regierung und den Schiiten verbessert. Mit einer solchen Entspannung würde dem „Islamischen Staat“, der versucht, Sunniten und Schiiten aufeinanderzuhetzen, Wind aus den Segeln genommen.
Sollte die fanatische sunnitische saudische Regierung aber die Schiiten weiter verfolgen und die Wächter verbieten, würde das einem Bürgerkrieg Vorschub leisten – einem Bürgerkrieg, auf den der „Islamische Staat“ hinarbeitet und hofft, sich dann als lachender Dritter zu sehen.